Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen Dritte als Voraussetzung für die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung
Leitsatz (amtlich)
1. Zwangsläufigkeit i.S. von § 33 Abs.2 Satz 1 EStG setzt grundsätzlich auch voraus, daß der Steuerpflichtige etwaige Ersatzansprüche gegen Dritte erfolglos geltend gemacht hat. Umfang und Intensität der erforderlichen Rechtsverfolgung bestimmen sich nach dem Maßstab der Zumutbarkeit.
2. Macht ein in der sozialen Krankenversicherung versicherter Steuerpflichtiger auf Privatverordnungen beruhende Aufwendungen für Schmerzmittel in ungewöhnlich großem Umfang geltend, so kommt eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige den Träger der Krankenversicherung jedenfalls vorher schriftlich auf Kostenersatz in Anspruch genommen und die Krankenversicherung den Ersatz abgelehnt hat. Eine nur mündliche Erkundigung reicht nicht aus.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 1983 u.a. Aufwendungen für Schmerzmittel in Höhe von 17 739 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Zum Nachweis für diesen Betrag reichten sie 66 Privatrezepte ein. Vier dieser Verordnungen stammten von dem Hausarzt der Klägerin, Dr. A, 60 Verordnungen von Dr. B. Zur Begründung verwiesen die Kläger auf ihre Darlegungen gegenüber dem Finanzamt (FA) C, das für die Klägerin im vorhergehenden Veranlagungszeitraum 1982 zuständig gewesen war und im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1982 einen Betrag von 28 819 DM als Aufwendungen für Schmerzmittel steuermindernd anerkannt hatte. Nach der dort gegebenen Darstellung ist die Klägerin im Jahre 1977 nach einer Schnittverletzung operativ behandelt worden. Die Wunde sei jedoch nicht verheilt, spätere chirurgische Behandlungen seien ohne Erfolg geblieben. Seit dieser Zeit (1979) habe die Klägerin beträchtliche Schmerzen, die nur mit Hilfe von Medikamenten erträglich seien. Die Krankheit sei durch mehrere Fachärzte begutachtet worden, die sich jedoch nicht auf eine übereinstimmende Diagnose hätten festlegen können. Die AOK habe den Ersatz der Arzneikosten von einem erneuten Krankenhausaufenthalt und damit verbundener Operation abhängig gemacht. Dies sei von der Klägerin aufgrund der gemachten schlechten Erfahrungen abgelehnt worden.
Ferner reichte die Klägerin beim Beklagten und Revisionskläger (FA) eine von den beiden sie behandelnden Ärzten Dr. A und Dr. B ausgestellte Bescheinigung ein, in der es heißt:
"Frau ... benötigt zur Beherrschung von im Rahmen eines chronischen Krankheitsbildes auftretenden heftigen Schmerzzuständen bis auf weiteres einen Vorrat an Fortral- und Temgesic 0,3-Ampullen zu ihrer ständigen Verfügung. Frau ... injiziert Fortral und Temgesic nach Bedarf.
Die Fortral und Temgesic 0,3-Verordnung bei Frau ... beruht auf verantwortungsbewußt durchgeführten Erwägungen und wurde kollegial diskutiert."
Ermittlungen des FA bei der zuständigen Ärztekammer ergaben, daß eine Verordnung von Temgesic in der hier vorliegenden Menge sehr ungewöhnlich sei und daß es unwahrscheinlich sei, daß die gesamte Menge von der Klägerin zum Eigenbedarf verwendet worden sei. Es müsse darauf hingewiesen werden, daß Temgesic zu den sog. Ersatzdrogen gehöre, deren Einnahme zu einer Medikamentenabhängigkeit führen könne; die Möglichkeit eines Mißbrauchs sei durchaus gegeben. Auf Veranlassung der Ärztekammer hat der Neurologe und Psychiater Dr. D gutachterlich Stellung genommen. Er führte aus, die Menge der verordneten Ampullen, der Zeitraum, über den sich die Verordnung erstreckt habe, und auch die Art der Applikation (Selbstinjektion) seien ganz ungewöhnlich, insbesondere für ein Medikament, das ein Abhängigkeitspotential enthalte. Man könne nicht davon ausgehen, daß das Medikament ausschließlich zur Schmerzlinderung verbraucht worden sei, zumal mit Entstehung einer Abhängigkeit von dem Medikament dessen Wirkung nachlasse.
Das FA erkannte daraufhin die Arzneimittelkosten nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an, da die Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden seien. Auch sei nicht verständlich, daß die Klägerin nicht zumindest teilweise eine Kostenerstattung durch die AOK zu erreichen versucht habe; nach den Unterlagen der AOK habe die Klägerin dort nicht einmal einen Antrag gestellt.
Während des Klageverfahrens teilte der Arzt Dr. A mit, daß er während des Streitjahres 925 Ampullen Temgesic verordnet habe. Das entspreche einem täglichen Verbrauch von 2,5 Ampullen; bei der Verordnung des Medikaments habe er sich an die Dosierungsrichtlinien gehalten, die maximal 3 Ampullen pro Tag vorsähen. Der Arzt Dr. B hat u.a. bestätigt, daß die Klägerin seit 1987 ca. 20 Ampullen Temgesic täglich benötige; diese erhalte sie über hausärztliche Verordnung auf AOK-Rezept.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht dadurch in Frage gestellt werde, daß die Klägerin nicht versucht habe, die Übernahme der Kosten von der AOK durch ein Gerichtsverfahren zu erzwingen. Es sei ihr nicht zuzumuten gewesen, einen Rechtsstreit mit der AOK zu führen, da er ihr habe aussichtslos erscheinen müssen. Denn Dr. B habe sich für sie erfolglos, wenn auch nur telefonisch, bei dem für die Verordnung zuständigen Mitarbeiter der AOK, Dr. E, nach den Möglichkeiten einer Kostenübernahme erkundigt. Wenn schon der Versuch von Kollege zu Kollege keinen Erfolg gehabt habe, hätte den Klägern ein Rechtsstreit aussichtslos erscheinen müssen.
Zwar sei nicht auszuschließen, daß die Kostenübernahme durch die AOK auch daran gescheitert sei, daß diese mit dem Gutachter Dr. D eine andere Art der Behandlung für zweckmäßig gehalten habe und nicht bereit gewesen sei, die Kosten zu übernehmen. Der Senat sei jedoch der Auffassung, daß sich die Klägerin nach den mehrfachen erfolglosen Nachoperationen in einer psychischen Notlage befunden habe, die eine weitere chirurgische Nachbehandlung --wenigstens für das Streitjahr-- ausgeschlossen habe. Der Senat gehe ferner davon aus, daß die verordnete Menge von insgesamt etwa 15 Ampullen täglich zur Beherrschung des Schmerzzustandes erforderlich gewesen sei. Denn die Art der Krankheit und die Schwerbehinderung der Klägerin seien unstreitig und durch amtliche Bescheinigungen nachgewiesen. Ebenso unstreitig sei die Tatsache, daß die Klägerin je nach Krankheitsbild in der Folgezeit (1987) 15 bis 20 Ampullen täglich auf Kassenrezept erhalten habe.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 33 EStG und mangelnde Sachaufklärung. In letzterer Hinsicht führt das FA u.a. aus, das FG habe in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, daß es in der Frage der Medikamentenabhängigkeit nicht sachkundig sei. Es hätte deshalb die verordnete Menge nicht als zur Schmerzlinderung erforderlich ansehen dürfen, ohne sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Ferner hätte es nicht ohne weitere Aufklärung davon ausgehen dürfen, daß die Klägerin in der Folgezeit bis zu 20 Ampullen täglich auf Kassenrezept erhalten habe; denn dem FG seien seine, des FA, Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Dr. B bekannt gewesen.
Die Kläger machen u.a. geltend, daß sich entgegen der Darstellung des FG nicht nur Dr. B an die AOK gewandt habe. Vielmehr hätten sie auch selbst, wie im Schriftsatz vom 12.März 1988 vorgetragen, bei der AOK vorgesprochen. Ihr Verhalten könne deshalb keinesfalls mit Fällen aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung verglichen werden, in denen Steuerpflichtige auf Ersatzleistungen Dritter verzichtet hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Nach § 33 Abs.1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs.2 Satz 1 EStG).
Krankheitskosten, zu denen auch die Kosten für Medikamente gehören können, erwachsen dem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie gehören aber nur dann zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen.
Der Senat kann offenlassen, ob die erhöhte Verschreibung von Schmerzmitteln bei der Klägerin überhaupt krankheitsbedingt war; offenbleiben kann auch, ob und ggf. inwieweit ein erhöhter Medikamentenverbrauch, der darauf beruht, daß der Patient infolge einer Medikamentenabhängigkeit stärkere Dosen zur Schmerzlinderung benötigt, als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden kann. Denn im Streitfall scheitert die Annahme der Zwangsläufigkeit jedenfalls daran, daß die Klägerin die AOK nicht auf Kostenersatz in Anspruch genommen hat. Offenbleiben kann deshalb auch, ob eine Medikamentenabhängigkeit tatsächlich bei der Klägerin bestand.
Grundsätzlich sind Aufwendungen nicht zwangsläufig, wenn sie durch die Inanspruchnahme anderweitiger Ersatzmöglichkeiten abgewendet werden können. Nicht nur im Rahmen der auch bei § 33a EStG zu prüfenden Zwangsläufigkeit, die sich dort als Unterhaltsbedürftigkeit darstellt, sondern allgemein für die Auslegung des § 33 EStG ist anerkannt, daß die Vernachlässigung eigener anderweitiger Unterhaltsmöglichkeiten zur Verneinung der außergewöhnlichen Belastung führen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.März 1975 VI R 98/72, BFHE 115, 349, BStBl II 1975, 629, a.E.). Es entspricht der ganz überwiegend vertretenen Auffassung, beim Verzicht auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten die Zwangsläufigkeit und damit eine außergewöhnliche Belastung zu verneinen (Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 33 EStG Anm.99 a.E. und Erg. Erl. Anm.99; Blümich, Einkommensteuergesetz, § 33 Rz.116; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 33 EStG Anm.78 Krankheitskosten, 3.3.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 33 Anm.5 a; Borggreve in Littmann/Bitz/ Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 33 EStG Anm.20 a.E.). Der Senat folgt nicht der Auffassung von Friederich (Betriebs-Berater --BB-- 1981, 594), aus der Rechtsprechung des BFH zur Vorteilsanrechnung im Rahmen des § 33 EStG ergebe sich, daß nur tatsächliche Ersatzleistungen, nicht aber mögliche anzurechnen seien. Denn im Falle des tatsächlichen Aufwendungsersatzes fehlt es bereits an der Belastung. Wird aber ein entsprechender Antrag gar nicht erst gestellt, so ist die Zwangsläufigkeit zu verneinen (Urteil des Hessischen FG vom 11.Juni 1986 1 K 406/85, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1986, 603; Fitsch, a.a.O., § 33 Anm.78).
Nach Auffassung des Senats besteht die Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme anderer Ersatzmöglichkeiten allerdings nur im Rahmen der Zumutbarkeit (Brosch, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- Fach 3, 5197, 5202; Teichner, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1965, 159, 160; im Ergebnis auch BFH-Urteil in BFHE 115, 349, BStBl II 1975, 629, 630, letzter Absatz; anderer Ansicht Horlemann, BB 1980, 1837, 1838). Der weitergehenden Auffassung von Schmidt/Drenseck (a.a.O., § 33 Anm.5 a), daß der Verzicht auf den Erstattungsanspruch selbst zwangsläufig sein müsse, vermag sich der Senat im Hinblick auf die bei der Prüfung des § 33 EStG stets mitzuberücksichtigenden Billigkeitsgesichtspunkte nicht anzuschließen. Danach kann der Steuerpflichtige im Ausnahmefall von der Verfolgung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ohne nachteilige Folgen ganz absehen, etwa wenn es sich um eine Ersatzmöglichkeit von geringer wirtschaftlicher Auswirkung handelt (BFH-Urteil in BFHE 115, 379, BStBl II 1975, 629, 630) oder wenn der Steuerpflichtige andere Gründe hat, eine Ersatzmöglichkeit nicht auszuschöpfen, z.B. eine Beihilfe nicht in Anspruch zu nehmen, weil er seinem Arbeitgeber eine bestimmte Krankheit aus anerkennenswerten Gründen nicht mitteilen möchte. Der Maßstab der Zumutbarkeit bestimmt ferner den Umfang und die Intensität, mit der der Steuerpflichtige der Ersatzmöglichkeit nachgehen muß.
Für den Streitfall bedeutet dies, daß die Klägerin die für sie als Kassenpatientin bestehende Möglichkeit, vom Träger der sozialen Krankenversicherung, hier der AOK, Ersatz zu erlangen, in nachhaltiger und überprüfbarer Weise hätte geltend machen müssen.
Dem steht zunächst nicht entgegen, daß nach den Umständen des Falles zweifelhaft sein kann, ob der Klägerin objektiv ein Ersatzanspruch gegen die AOK zustand. Nach dem für das Streitjahr noch gültigen § 182 (Abs.1 Nr.1 b, Abs.2) der Reichsversicherungsordnung (RVO) umfaßt die Krankenhilfe u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln im notwendigen und zweckmäßigen Umfang, wobei das Maß des Notwendigen nicht überschritten werden darf. Daraus folgt, daß --von Bagatellarzneimitteln abgesehen, deren Kosten im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung nicht getragen werden-- der Klägerin die notwendigen Medikamente bereits als S a c h leistungen (also auf Kassenrezept) zur Verfügung zu stellen waren. Weigert sich der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, ein Medikament (zumal eine sog. Ersatzdroge) über einen entsprechenden Umfang hinaus als Sachleistung zu gewähren, so mag objektiv vieles dafür sprechen, daß die Verordnung des Medikaments nicht krankheitsbedingt war und die entsprechenden Kosten deshalb nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs.1 EStG entstanden sind. Trägt jedoch ein Steuerpflichtiger --wie hier die Klägerin-- vor, es habe eine krankheitsbedingte Notwendigkeit der Verordnung bestanden, so behauptet er damit --jedenfalls unter den hier vorliegenden weiteren Umständen-- zugleich, daß ihm die Gewährung als Sachleistung zu Unrecht verweigert worden sei, die Kasse ihm deshalb die Kosten --ganz oder teilweise-- noch ersetzen müsse (vgl. auch die Regelung in § 13 Abs.2 des Sozialgesetzbuches V).
Zur Feststellung, ob eine --vermeintliche oder tatsächliche-- Ersatzmöglichkeit vom Steuerpflichtigen wahrgenommen worden ist, bedarf es für die Finanzbehörde bzw. das FG nachprüfbarer Unterlagen. Eine nur mündliche oder telefonische Rückfrage, auch des behandelnden Arztes, reicht dazu nicht aus. Auf eine schriftliche Geltendmachung der Ersatzmöglichkeit kann grundsätzlich auch deshalb nicht verzichtet werden, weil in vielen Fällen nur auf diese Weise die zur Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit erforderlichen Angaben gewonnen werden können. Grundsätzlich wird sich der Patient deshalb selbst schriftlich unter Vorlage der ärztlichen Verordnungen an die Krankenversicherung wenden und den ihm zustehenden Kostenersatz geltend machen müssen. Ausnahmsweise wird es auch ausreichen können, daß er sich persönlich zur Krankenversicherung begibt und seine Ansprüche unter Vorlage der Rezepte zur Niederschrift anmeldet. In jedem Falle aber muß er zum Ausdruck bringen, daß er für eine evtl. Ablehnung eine schriftliche Begründung erwartet.
Im Streitfall fehlt es an diesem Erfordernis. Denn weder der Anruf des Dr. B noch die im Klageverfahren behauptete Vorsprache bei der AOK, deren Datum und Umstände die Kläger selbst nicht mehr angeben konnten, entspricht den vorstehenden Grundsätzen. Dies ergibt sich im übrigen auch daraus, daß das Verhalten der Klägerin von der AOK erkennbar nicht als Antrag, sondern lediglich als eine allgemeine Erkundigung aufgefaßt worden ist.
Der Senat kann offenlassen, wie die vom FG aufgeworfene Frage zu beantworten ist, ob es der Klägerin unter den gegebenen Umständen zumutbar gewesen wäre, gegen die AOK gerichtlich vorzugehen. Denn im Hinblick auf die Höhe des geltend gemachten Betrages, den Umstand, daß sie das Schmerzmittel im Streitjahr bereits in dem üblicherweise zulässigen Umfang als Sachleistung erhalten hatte sowie die Besonderheit, daß es sich um eine Ersatzdroge handelte, war es der Klägerin jedenfalls zuzumuten, ihre Rechtsposition gegenüber der AOK nachdrücklich zu vertreten und sich vor einer steuerrechtlichen Geltendmachung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nachprüfbare Unterlagen über die ablehnende Haltung der AOK zu besorgen.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht. Der Senat entscheidet gemäß § 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst; er weist die Klage ab. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Sache an das FG zurückzuverweisen, um den Klägern Gelegenheit zu geben, ein entsprechendes "Antragsverfahren" bei der AOK noch nachzuholen. Abgesehen davon, daß sie nicht geltend gemacht haben, daß dies noch möglich sei und die Umstände eher für das Gegenteil sprechen, ist eine Zurückverweisung auch deshalb nicht geboten, weil die Rechtsauffassung des Senats der bereits seit langem in der Literatur überwiegend vertretenen Meinung entspricht und auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung liegt. Das Urteil in BFHE 115, 349, BStBl II 1975, 629, in dem der BFH nicht darauf bestanden hat, daß eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ausgeschöpft wurde, betraf einen Fall von geringer finanzieller Auswirkung; hierauf hat der BFH in diesem Urteil ausdrücklich hingewiesen. Daraus konnte im Gegenschluß entnommen werden, daß der BFH in Fällen mit erheblicher finanzieller Auswirkung und bei Vorliegen sonstiger ungewöhnlicher Umstände, wie dies hier zweifellos der Fall ist, anders urteilen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 64014 |
BFH/NV 1992, 15 |
BStBl II 1992, 137 |
BFHE 165, 525 |
BFHE 1992, 525 |
BB 1992, 129 (L) |
DB 1992, 249-251 (LT) |
DStR 1992, 139 (KT) |
HFR 1992, 235 (LT) |
StE 1992, 27 (K) |