Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anschaffungskosten bei Verzicht auf Übernahmepreis
Leitsatz (NV)
1. Übertragen Eltern einem ihrer Kinder ein Einfamilienhaus bei Verpflichtung des Kindes zur Zahlung eines Übernahmepreises, so ist nur der Teil des Übernahmepreises als Anschaffungskosten anzusehen, auf dessen Zahlung die Eltern nicht verzichtet haben.
2. Zu den Voraussetzungen von sog. Drittaufwand.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1, 4, § 12 Nr. 2; EStDV § 11d Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1981 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Eltern der Klägerin übertrugen dieser mit notariell beurkundetem Vertrag vom . . . 1980 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Einfamilienhausgrundstück, dessen Wert sie mit 120 000 DM angaben. Die Klägerin verpflichtete sich, einen Übernahmepreis von 110 000 DM zu zahlen. Die Eltern verzichteten darauf und wiesen den Betrag zu gleichen Teilen ihren beiden Töchtern (Klägerin und ihre Schwester) zu, so daß die Klägerin an ihre Schwester 55 000 DM zu zahlen hatte. Die Klägerin übernahm außerdem eine Darlehensschuld von rd. 10 000 DM mit der entsprechenden Grundschuld.
Die Klägerin erzielte aus dem Grundstück Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Fremdvermietung. In ihrer Einkommensteuererklärung 1981 machten die Kläger Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte mit dem Einkommensteuerbescheid 1981 lediglich AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG, § 11d Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) an. Der Einspruch hatte wegen anderer Streitpunkte geringfügigen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, die Übertragung eines Grundstücks im Wege vorweggenommener Erbfolge führe auch dann nicht zu Anschaffungskosten, wenn Gleichstellungsgelder an potentielle Miterben zu zahlen seien (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. November 1985 IX R 64/82, BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161). Diese Verpflichtung wie auch die Schuldübernahme seien Auflagen einer Schenkung.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 7b EStG und 11d EStDV. Die Klägerin habe entsprechend dem Wert des Grundstücks von 120 000 DM für dessen Übertragung als Gegenleistung einen Übernahmepreis von 110 000 DM zu zahlen gehabt und eine Buchgrundschuld übernommen, die noch mit 10 000 DM valutiert gewesen sei. Sie habe das Grundstück voll entgeltlich erworben; denn ihre Eltern hätten ihr keinen Grundstücksanteil, sondern den auf sie entfallenden Kaufpreisanteil von 55 000 DM geschenkt. Die Klägerin habe das Grundstück jedenfalls nicht unentgeltlich gemäß § 11d EStDV erhalten; sie habe vielmehr aus eigenem Vermögen 65 000 DM aufwenden müssen, also Anschaffungskosten gehabt, um die Einkunftsquelle zu erwerben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht den Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin als voll unentgeltlich beurteilt hat. Wie der Große Senat des BFH mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage von sog. Gleichstellungsgeldern an Angehörige, von einer Abstandszahlung an den Übertragenden und gegen die Übernahme von Verbindlichkeiten ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der zugesagten Leistungen und der übernommenen Verbindlichkeiten entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C II. 2. und 3.
Bei Anwendung der Rechtsgrundsätze des genannten Beschlusses hat die Klägerin das Einfamilienhausgrundstück teilentgeltlich erworben. In Höhe des an ihre Schwester gezahlten Betrags und der übernommenen Verbindlichkeiten sind der Klägerin Anschaffungskosten entstanden. Dagegen liegen hinsichtlich des halben Übernahmepreises, auf dessen Zahlung die Eltern der Klägerin zu deren Gunsten verzichtet haben, keine Anschaffungskosten vor. Anschaffungskosten sind alle Aufwendungen, um ein Wirtschaftsgut von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen. Der Senat kann offenlassen, ob die Vereinbarung der Zahlung eines Übernahmepreises unter gleichzeitigem Verzicht auf die Hälfte davon zugunsten der Übernehmerin dahin auszulegen ist, daß insoweit das Entgelt von vornherein auf die Zahlung des halben Übernahmepreises beschränkt werden sollte, oder ob der Verzicht der Eltern als teilweiser Erlaß der Forderung und damit als Minderung des Entgelts zu werten ist. In beiden Fällen sind in Höhe des halben Übernahmepreises mangels Aufwendungen der Klägerin dieser keine Anschaffungskosten entstanden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. Drittaufwands geboten. Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit einkommensteuerrechtlich Drittaufwand anerkannt werden kann (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 19. April 1989 X R 2/84, BFHE 157, 101, BStBl II 1989, 683, und vom 20. September 1990 IV R 300/84, BStBl II 1991, 82), liegt er hier nicht vor, weil die Eltern keine Verpflichtung der Klägerin einem Dritten gegenüber erfüllt haben.
Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, weil der Senat nicht abschließend entscheiden kann. Bemessungsgrundlage für die von den Klägern begehrten erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG sind die Anschaffungskosten des Gebäudes. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen getroffen, die eine Aufteilung der Anschaffungskosten des Grundstücks auf Grund und Boden und Gebäude ermöglichen. Der Senat verweist für die vom FG nachzuholenden Feststellungen auf das BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83 (BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252).
Die Entscheidung über die Kosten der Revision wird dem FG gemäß § 143 Abs. 2 FGO übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 63002 |
BFH/NV 1991, 384 |