Leitsatz (amtlich)
Die einem Bevollmächtigten oder Verfügungsberechtigten nach §§ 108, 103 AO obliegenden steuerlichen Pflichten sind öffentlich-rechtlicher Natur und können deshalb nicht durch Abmachungen zwischen Vertreter und Vertretenen eingeschränkt oder beseitigt werden.
Normenkette
AO §§ 103, 108, 109 Abs. 1
Tatbestand
Der Revisionskläger ist durch Haftungsbescheid vom 16. September 1965 zur Zahlung von 88 200 DM Körperschaftsteuer 1961 und 10 000 DM Umsatzsteuer 1961 herangezogen worden. Steuerpflichtige ist die FA. C. Die dieser erteilten Steuerbescheide sind bestandskräftig. Der Haftungsbescheid stützt sich darauf, daß der Revisionskläger als Generalbevollmächtigter der Steuerpflichtigen schuldhaft unter Verletzung seiner Erklärungspflicht nicht für die Entrichtung der Steuern gesorgt habe.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG hat festgestellt, der Revisionskläger sei als Generalbevollmächtigter der Steuerpflichtigen auch in Steuerangelegenheiten aufgetreten. Er sei deshalb gemäß den §§ 103, 108 AO verpflichtet gewesen, insbesondere die Steuererklärungen abzugeben und dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet würden. Dieser Verpflichtung sei der Revisionskläger bis zum Beginn der Steueraufsichtsprüfung vom 28. Januar 1963 nicht nachgekommen. Dies sei bewußt geschehen, da ihn sein Steuerbevollmächtigter schriftlich auf die Steuerpflicht der Fa. C. hingewiesen gehabt habe. Die schuldhafte, weil vorsätzliche Pflichtverletzung habe zu einer Steuerverkürzung geführt, für die der Revisionskläger gemäß § 109 Abs. 1 AO hafte. Der Sachverhalt erfülle aber auch den Tatbestand der Steuerhinterziehung im Sinne des § 396 AO a. F., so daß die Haftung auch nach § 112 AO zu bejahen sei.
Gegen die Vorentscheidung hat der Revisionskläger Revision eingelegt mit dem Antrag, den Haftungsbescheid, die Einspruchsentscheidung und das Urteil des FG aufzuheben. Zur Begründung ist vorgetragen worden, die Haftung nach den §§ 103, 109 AO betreffe nur die gesetzlich vertretenen juristischen Personen und solche Personen, die geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt seien. Die Vorschriften dürften weder erweiternd ausgelegt noch analog angewendet werden. Der Revisionskläger sei kein gesetzlicher Vertreter der Steuerpflichtigen gewesen. Seine Generalvollmacht sei beschränkt gewesen; er sei nicht berechtigt gewesen, rechtsverbindliche Erklärungen in Steuerangelegenheiten abzugeben. Im Fall der Beauftragung des Finanzdirektors J. habe er seine Vollmacht irrtümlich überschritten. Die Bekundung des früher beauftragt gewesenen Steuerbevollmächtigten hätte die Vorinstanz nur verwenden dürfen, wenn sie ihn als Zeugen vernommen gehabt hätte, was nicht geschehen sei. Die Anwendung des § 112 AO entfalle, weil der Revisionskläger keine steuerliche Pflicht verletzt, zumindest sich in einem unverschuldeten Irrtum befunden habe.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Gemäß § 109 Abs. 1 AO haften neben den Steuerpflichtigen deren Vertreter insoweit persönlich, als durch schuldhafte Verletzung der ihnen in den §§ 103 bis 108 AO auferlegten Pflichten Steueransprüche verkürzt worden sind. Die Vorinstanz hat diese Tatbestandsmerkmale als erfüllt angesehen. Die dagegen erhobenen Revisionsrügen sind nicht begründet.
Die Haftung gemäß § 109 AO beschränkt sich nicht auf die im § 103 AO genannten Vertreter. Sie erstreckt sich nach dem klaren Wortlaut des § 109 Abs. 1 AO auch auf die Bevollmächtigten und Verfügungsberechtigten im Sinne des § 108 AO. Für die Anwendung des § 109 Abs. 1 AO bedarf es im Streitfall weder der Auslegung noch des Analogieschlusses. Wenn das FG den Revisionskläger als Bevollmächtigten und Verfügungsberechtigten im Sinne des § 108 AO bezeichnet hat, so liegt diese Feststellung im wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenfeststellung. Unstreitig ist der Revisionskläger als Generalbevollmächtigter der Steuerpflichtigen im Wirtschaftsverkehr aufgetreten, nach der in den Rahmen der freien Beweiswürdigung fallenden und durch den Akteninhalt bestätigten Feststellung des FG auch in Steuerangelegenheiten. Ob der Vollmachtumfang im Innenverhältnis gewissen Beschränkungen unterlag, ist für die Haftung ohne Bedeutung. Die Vorschrift des § 108 AO stellt auf das Auftreten nach außen ab. Wer als Bevollmächtigter oder Verfügungsberechtigter auftritt, mag er mit oder ohne Vertretungsmacht handeln, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters, d. h. er hat nach § 103 AO die steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die den Personen, für die er auftritt, obliegen. Die Pflichten des Vertreters gegenüber dem FA sind öffentlich-rechtlicher Natur; sie können nicht durch privatrechtliche Abmachungen zwischen Vertreter und Vertretenen eingeschränkt oder beseitigt werden. Der Vertreter kann sich also nicht auf mangelnde Befugnis zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten berufen. (Vgl. Urteil des RFH VI A 536/32 vom 26. Oktober 1933, RStBl 1933, 1224, sowie Urteile des BFH II z 148/51 U vom 30. November 1951, BFH 56, 39, BStBl III 1952, 16, und III 267/57 U vom 11. Juli 1958, BFH 67, 245, BStBl III 1958, 367).
Für die Feststellung einer schuldhaften Pflichtverletzung konnte sich die Vorinstanz auf die im Fahndungsbericht vom 30. April 1964 angegebene Erklärung des Steuerbevollmächtigten stützen, ohne ihn als Zeugen vernommen zu haben. Schon die Einspruchsentscheidung hatte das schuldhafte Verhalten mit der Belehrung über die Steuerpflichten durch den damaligen Steuerbevollmächtigten begründet. Nach dem Akteninhalt hat der Revisionskläger die Erklärungen des Steuerbevollmächtigten nicht bestritten. Das FG konnte deshalb deren Richtigkeit annehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 68595 |
BStBl II 1969, 539 |
BFHE 1969, 39 |