Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerbefreiung der vermächtnisweisen Einräumung eines Ankaufsrechts auf ein zum Nachlaß gehörendes Grundstücks
Leitsatz (amtlich)
Wird durch Vermächtnis das Recht eingeräumt, aus dem Nachlaß ein bestimmtes Grundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben, so ist der aufgrund dieses Rechts erfolgende Grundstückserwerb von der Grunderwerbsteuer befreit.
Normenkette
GrEStG 1983 § 3 Nr. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloß am 24.August 1981 mit M einen notariell beurkundeten Erbvertrag. In dem Vertrag räumte M dem Kläger im Wege des Vermächtnisses das Recht ein, ein bestimmtes Grundstück aus seinem Nachlaß zu erwerben. Als Gegenleistung sollte der Kläger 300 000 DM in den Nachlaß entrichten. Dieser Betrag sollte sechs Monate nach dem Erbfall fällig werden. Der Kläger verpflichtete sich darüber hinaus, einer Dritten unter bestimmten Voraussetzungen ein auf ein Jahr befristetes unentgeltliches Wohnungsrecht an der Wohnung im ersten Obergeschoß des auf dem Grundstück stehenden Gebäudes einzuräumen. Der Kläger verpflichtete sich außerdem, monatlich 500 DM im voraus ab 1.Oktober 1981 auf Lebenszeit an M zu entrichten. Diese Zahlungen sollten sechs Monate nach dem Tod von M zur Rückzahlung fällig werden und ggf. mit der im Erbvertrag bezeichneten Gegenleistung zu verrechnen sein. Weiter verpflichtete sich der Kläger zur Durchführung der an dem Grundstück samt Gebäude notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen auf seine Kosten sowie zur Pflege des Gartens.
Am 28.November 1984 verstarb M. Der Kläger wurde zu dessen Testamentsvollstrecker bestellt. Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 12.März 1985 übte der Kläger, handelnd im eigenen Namen und als Testamentsvollstrecker, unter Bezugnahme auf den Erbvertrag vom 24.August 1981 das ihm in diesem eingeräumte Erwerbsrecht aus. In derselben Urkunde erklärte er die Auflassung an sich und bewilligte und beantragte die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch.
Durch Bescheid vom 3.Mai 1985 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) für den Vertrag vom 12.März 1985 Grunderwerbsteuer in Höhe von 6 000 DM gegen den Kläger fest. Der Bescheid erging hinsichtlich der Gegenleistung vorläufig nach § 165 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977). Das Rechtsgeschäft sei der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, da dem Kläger laut Erbvertrag nur ein Kaufrecht vermacht worden sei.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde geltend gemacht, daß der Erwerb von der Steuer befreit gewesen sei. Das Grundstück sei zu einem außerordentlich günstigen Preis und nicht zum Verkehrswert übernommen worden.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und den Grunderwerbsteuerbescheid und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Der Erwerb sei nach § 3 Nr.2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) von der Besteuerung ausgenommen. Dem Kläger sei das Vermächtnis eines Kaufrechts über das Grundstück eingeräumt worden. Nach der Literatur (Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, § 3 Rdnr.129 f.; Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, § 3 Anm.3) sei der Grundstückserwerb im Rahmen eines derartigen Kaufrechtsvermächtnisses grundsätzlich steuerfrei. Eine andere Betrachtungsweise gelte nur dann, wenn dem Bedachten das Recht vermacht sei, das Grundstück vom Erben zum Verkehrswert (oder einem ähnlich beschriebenen Wert) zu kaufen. Dieser Argumentation schließe sich das FG an. Im Streitfall seien sich der Kläger, der Erblasser und die betroffenen Erben darüber einig gewesen, daß der angesetzte Kaufpreis in keinem Falle den realen Verkehrswert des Grundstücks mit Gebäude widerspiegele. Da die Beteiligten davon ausgegangen seien, daß der Kläger das Grundstück zu einem bereits bei Zustandekommen des Erbvertrags deutlich unter dem Marktwert liegenden Preis würde übernehmen können, sei Grunderwerbsteuerbefreiung zu gewähren. Unabhängig davon sei das Grundstück auch tatsächlich nicht zum Verkehrswert, sondern zu einem deutlich darunter liegenden mäßigen Preis erworben worden. Dies gelte selbst dann, wenn man als Vergleichsmaßstab die Wertermittlung auf den Stichtag August 1981 als Bezugswert nehme.
Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten FA. Mit dieser wird Verletzung materiellen Rechts sowie als Verfahrensmangel ein Verstoß des FG gegen die Aufklärungspflicht geltend gemacht. Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet.
1. Die Rüge eines Verfahrensmangels hat keinen Erfolg, da die Revisionsbegründung insoweit nicht den Anforderungen des § 120 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Das FA rügt zwar eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch das FG und damit sinngemäß einen Verstoß gegen § 76 FGO, es bezeichnet jedoch nicht die Tatsachen, aus denen sich dieser Verfahrensmangel schlüssig ergeben könnte. Insbesondere hat es das FA versäumt, die Beweismittel zu bezeichnen, die sich dem FG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts insoweit angeboten hätten. Die Behauptung, die vom FG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen seien (teilweise) unzutreffend, kann den gerügten Verfahrensmangel nicht begründen.
2. Das FG hat zu Recht erkannt, daß der Erwerb des Klägers von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
Durch die notariell beurkundeten Erklärungen vom 12.März 1985 über die Ausübung des ihm in dem Erbvertrag eingeräumten "Erwerbsrechts" erhielt der Kläger einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks. Dieser Rechtsvorgang unterliegt zwar nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer, er ist jedoch nach § 3 Nr.2 GrEStG 1983 von der Besteuerung ausgenommen.
Nach dieser Vorschrift ist grunderwerbsteuerfrei der Grundstückserwerb (u.a.) von Todes wegen im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).
Ein derartiger Erwerb liegt im Streitfall vor. Als Erwerb von Todes wegen im Sinne des ErbStG gilt nach § 3 Abs.1 Nr.1 ErbStG auch der Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Ist daher Gegenstand eines Vermächtnisses ein Grundstück, so ist dieser Erwerb nach § 3 Nr.2 GrEStG 1983 von der Besteuerung ausgenommen. Der Vermächtnisnehmer wird --anders als der Erbe-- nicht unmittelbar kraft Gesetzes Eigentümer des Grundstücks, das Vermächtnis verschafft ihm vielmehr nur einen Anspruch gegen den von dem Vermächtnis Beschwerten auf Leistung des vermachten Gegenstands (§ 2174 BGB). Beim Grundstücksvermächtnis wird dieser Anspruch durch Auflassung erfüllt. Erst durch die Auflassung wird ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang verwirklicht (§ 1 Abs.1 Nr.2 GrEStG 1983). Dieser Vorgang wird von der Befreiung nach § 3 Nr.2 GrEStG 1983 erfaßt. Systematisch bedeutet dies, daß die Befreiungsvorschrift keineswegs nur Grundstückserwerbe von Todes wegen erfaßt, die unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, sondern auch solche, die aufgrund und in Erfüllung einer durch Erwerb von Todes wegen entstandenen Verpflichtung auf Übereignung eines Grundstücks erfolgen.
Im Streitfall ist Gegenstand des Vermächtnisses allerdings nicht unmittelbar das Grundstück. Dem Kläger wurde vielmehr von Todes wegen das Recht eingeräumt, ein bestimmtes zum Nachlaß gehörendes Grundstück von den Erben zu einem bestimmten unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben. Die Einräumung eines derartigen Ankaufsrechts ist zivilrechtlich ebenfalls als Vermächtnis zu werten (vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Einführung vor § 2147 Anm.6). Der wesentliche Unterschied gegenüber dem unmittelbaren Grundstücksvermächtnis besteht darin, daß beim Kaufrechtsvermächtnis der Anspruch auf Auflassung des Grundstücks nicht bereits mit dem Anfall des Vermächtnisses, sondern erst nach Ausübung des Kaufrechts entsteht. Erst nach Ausübung des Kaufrechts durch den Vermächtnisnehmer steht diesem der --der Grunderwerbsteuer unterliegende-- Anspruch auf Eigentumsübertragung zu. Dieser zivilrechtliche Unterschied rechtfertigt es jedoch nicht, den Grundstückserwerb aufgrund des Vermächtnisses eines derartigen Kaufrechts von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr.2 GrEStG 1983 auszunehmen. Diese Vorschrift erfaßt --wie dargelegt-- keineswegs nur die Fälle, in denen der der Grunderwerbsteuer unterliegende Tatbestand bereits durch den Erwerb von Todes wegen selbst verwirklicht wird. Auch der durch Ausübung des durch Vermächtnis eingeräumten Kaufrechts verwirklichte Grundstückserwerb erfolgt aufgrund des Vermächtnisses und damit von Todes wegen. Die gegenteilige Auffassung (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 14.Juli 1923 II A 136/23, RFHE 12, 278) ist zu eng und verkennt im übrigen den systematischen Zusammenhang. Ist ein Grundstück, das Gegenstand eines Vermächtnisses ist, belastet (z.B. im Vergleich mit dem Streitfall mit einer Grundschuld in Höhe von 300 000 DM) oder erfolgt das Vermächtnis unter einer (sonstigen) Auflage, so tritt gleichwohl Grunderwerbsteuerbefreiung in vollem Umfang ein (vgl. Hofmann, a.a.O., 5.Aufl., § 3 Rdnr.7). Mit dieser grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung steht es in Einklang, wenn auch der wirtschaftlich gleichgelagerte Fall eines Kaufrechts auf ein Nachlaßgrundstück zu einem Preis unter dem Verkehrswert als von der Steuerbefreiung erfaßt angesehen wird. Das Vermächtnis eines Kaufrechts unterliegt als solches ebenfalls der Erbschaftsteuer. Wie dies erbschaftsteuerrechtlich im einzelnen zu bewerten ist, ist für die grunderwerbsteuerrechtliche Frage einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr.2 GrEStG 1983 ohne Belang.
Der Senat kann die Frage offenlassen, ob die Grunderwerbsteuerbefreiung für das Vermächtnis eines Kaufrechts auch dann zu gewähren ist, wenn dieses Vermächtnis keinen Zuwendungscharakter, sondern bloße instrumentale Bedeutung hat (vgl. zu dieser Unterscheidung Skibbe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, vor § 2147 Rdnr.5; sowie Hofmann, a.a.O., § 3 Anm.7; Fischer in Boruttau/Egly/Sigloch, a.a.O., § 3 Rdnr.132 f.).
Nach dem vom FG festgestellten und durch keine zulässige Verfahrensrüge (vgl. oben 1.) angegriffenen Sachverhalt, an den der Senat nach § 118 Abs.2 FGO gebunden ist, gingen die Beteiligten im Streitfall bereits bei Zustandekommen des Erbvertrags davon aus, daß ein deutlich unter dem Marktwert liegender Preis vereinbart wurde. Dieser Preis hat auch tatsächlich deutlich unter dem Verkehrswert gelegen. Damit sind im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift auch dann erfüllt, wenn die vom Senat offengelassene Frage im Sinne einer einschränkenden Auslegung der Befreiungsvorschrift zu beantworten wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 64869 |
BFH/NV 1993, 64 |
BStBl II 1993, 765 |
BFHE 172, 118 |
BFHE 1994, 118 |
BB 1993, 2078 |
BB 1993, 2078 (LT) |
DB 1993, 2215-2216 (LT) |
DStR 1993, 1364 (KT) |
HFR 1993, 721 (LT) |
StE 1993, 477 (K) |
WPg 1993, 742 (S) |
StRK, R.3 (LT) |
UVR 1993, 345 (K) |
NJW-RR 1994, 465 (LT) |
MittBayNot 1994, 172 (L) |
ZAP, EN-Nr 870/93 (S) |