Leitsatz (amtlich)
Inhaber von Tankstellen weniger bekannter, nicht durch Hausfarben und Firmenschilder gekennzeichneter Mineralölfirmen können umsatzsteuerrechtlich nur dann als Agenten (Handelsvertreter) anerkannt werden, wenn sie u. a. durch hinreichend große und auffallende Schilder auf den Verkauf der Treib- und Schmierstoffe in fremdem Namen und für fremde Rechnung hinweisen.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1; UStDB 1951 § 2 Abs. 1, §§ 3, 7 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtige) betrieb im Jahre 1956 eine Tankstelle, an der er Kraft- und Schmierstoffe der Mineralölgesellschaft X und der Firma S verkaufte. Die Tanksäulen gehörten teils der Fa. X, teils der Fa. S. Die Tanksäulen der X waren in der Hausfarbe dieser Firma, die der Fa. S gelb angestrichen. An den Tanksäulen der Fa. S waren seitlich, oberhalb des Zapfhahns (der Zapfpistole) etwa in Augenhöhe einer neben der Säule stehenden Person Schilder in den Ausmaßen 8x 4 cm angebracht, die besagten, daß die Säulen der Fa. S gehörten und der Kraftstoffverkauf in deren Namen und für deren Rechnung stattfinde. Die Kunden, die den Kraftstoff aus diesen Säulen bezogen, erhielten auf Wunsch eine auf den Namen der Fa. S lautende Quittung, in der auf den Verkauf der Waren im Namen und für Rechnung der Fa. S hingewiesen war.
Während die Agenteneigenschaft des Steuerpflichtigen beim Verkauf der von der Fa. X bezogenen Kraft- und Schmierstoffe unstreitig war, behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den Steuerpflichtigen auf Grund einer Betriebsprüfung hinsichtlich der von der Fa. S stammenden Kraft- und Schmierstoffe mangels klaren Hinweises auf seine Agenteneigenschaft umsatzsteuerlich als Eigenhändler und zog ihn entsprechend dem "Tankstellen-Erlaß" des Reichsministers der Finanzen S 4138 - 427 III vom 14. Oktober 1938 (USt-Kartei S 4138d Karte 9) mit 25 v. H. der Umsätze an Kraftstoffen sowie Autoölen und -fetten zur Umsatzsteuer heran.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
In der Vorentscheidung wird die Auffassung vertreten, die von der Verwaltung gehandhabte und vom BdF gebilligte (von der sog. Ladenrechtsprechung abweichende) großzügigere Anerkennung von Agenturumsätzen beim Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen an den durch die Hausfarben und Firmenzeichen deutlich gekennzeichneten Tankstellen der bekannten Mineralölgesellschaften könne nicht auf die entsprechenden Umsätze weniger bekannter Treib- und Schmierstoff-Firmen angewandt werden. In den letztgenannten Fällen könne die Agenteneigenschaft des Tankstellen-Inhabers nur anerkannt werden, wenn in klarer und unübersehbarer Weise auf den Verkauf in fremdem Namen und für fremde Rechnung hingewiesen werde. Die Fa. S, die nur etwa 20 Tankstellen im Umkreis von R beliefere und infolgedessen nur einem örtlich begrenzten Kreis von Konsumenten bekannt sei, könne nicht zu den bekannten Mineralölgesellschaften gerechnet werden. Sie habe - jedenfalls im Jahre 1956 - ein ins Auge fallendes Firmenzeichen nicht geführt. An der deutlichen Kenntlichmachung des Auftretens in fremdem Namen und für fremde Rechnung habe es im Streitfalle gemangelt. Die auf den Verkauf in fremdem Namen und für fremde Rechnung hinweisenden Schilder seien so klein und unscheinbar und so wenig auffallend angebracht gewesen, daß sie von den im Kraftwagen sitzenden Käufern nicht hätten bemerkt werden können. Die auf den Namen der Fa. S lautenden Quittungen allein hätten das Agenturverhältnis schon deswegen nicht darlegen können, weil sie nur auf Wunsch ausgestellt worden seien und weil solche Quittungen bei Bargeschäften im allgemeinen nicht gelesen würden. Die Möglichkeit, daß ein Teil der Kunden die Rechtsverhältnisse des Steuerpflichtigen zur Fa. S gekannt habe, reiche nicht aus, seine Agenteneigenschaft umsatzsteuerrechtlich zu bejahen.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige unrichtige Anwendung des Umsatzsteuergesetzes. Bei der Fa. S handele es sich um eine Mineralölgesellschaft, bei der die gleichen Verhältnisse vorlägen wie bei anderen Mineralölgesellschaften auch. Die in dem Erlaß des BdF IV S 4107-34/52 vom 5. Juni 1953 (USt-Kartei S 4107 Karte 53) verlangten Voraussetzungen für die umsatzsteuerrechtliche Anerkennung eines Tankstellenverwalters als Agent seien im Streitfalle sämtlich gegeben. Das FG habe daher die Agenteneigenschaft zu Unrecht nicht anerkannt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Der Senat hat im Urteil V 256/58 U vom 18. Mai 1961 (BFH 73, 154, BStBl III 1961, 324) den folgenden Leitsatz gebildet: "Ein Tankstellenverwalter, der sich vertraglich verpflichtet hat, die Kraftstoffe einer Mineralölgesellschaft an die Tankstellenkunden im Namen und für Rechnung dieser Gesellschaft zu verkaufen, ist umsatzsteuerrechtlich als Agent (Handelsvertreter) zu behandeln, wenn durch die Aufmachung der Tankstelle (Hausfarbe, Firmenzeichen, Schilder) für die Kunden deutlich sichtbar gemacht wird, daß die Mineralölgesellschaft die Kraftstoffe vertreibt, und auf Wunsch den Kunden Quittungen ausgestellt werden, aus denen ebenfalls hervorgeht, daß der Treibstoff im Namen und für Rechnung der Mineralölgesellschaft verkauft wird." Der Senat führt in der genannten Entscheidung aus, die strengen Grundsätze der Rechtsprechung über die Besteuerung der Umsätze im eigenen Laden könnten auf die Besteuerung der Tankstellenumsätze nicht ohne weiteres übertragen werden. Schon die äußere Aufmachung (Hausfarben, Firmenzeichen) kennzeichne die Tankstellen der allgemein bekannten Mineralölfirmen deutlich als deren Betriebstätten. Es komme hinzu, daß den Kraftfahrern die Übung dieser Firmen, die Kraftstoffe, soweit sie unmittelbar an der Tankstelle abgegeben würden, auf Agenturbasis zu verkaufen, weitgehend bekannt sei. Anders als der Kunde, der in einem Ladengeschäft Ware kaufe, sei sich der Kunde, der an einer mit den Hausfarben und Firmenzeichen einer Mineralölgesellschaft ausgestatteten Tankstelle Kraftstoff für sein Kfz. erwerbe, dessen bewußt, daß er zu der Gesellschaft in Rechtsbeziehungen trete. Deuteten außerdem Schilder und Plakate sowie die Quittungen, die an der Tankstelle auf Wunsch des Käufers erteilt werden, darauf hin, daß der Kunde den Kraftstoff von der Mineralölfirma beziehe, so bestehe kein Anlaß, ein von allen Beteiligten als Agenturgeschäft angesehenes und als solches behandeltes Rechtsgeschäft umsatzsteuerrechtlich als Kommissions- oder Eigenhändlergeschäft zu beurteilen.
Aus dieser Begründung ergibt sich, daß in dem damals entschiedenen Falle die Kraftstoffverkäufe in einer Tankstelle getätigt worden waren, die durch Hausfarbe und Firmenzeichen deutlich als Betriebstätte einer der allgemein bekannten Mineralölgesellschaften gekennzeichnet war. Der Umstand, daß die Kraftfahrer weitgehend über das Tätigwerden der Verwalter dieser Tankstellen im Namen und für Rechnung der Mineralölgesellschaften unterrichtet sind, war dafür entscheidend, die Rechtsprechung betreffend die umsatzsteuerliche Anerkennung der Agenteneigenschaft in diesen Fällen aufzulockern. Zu Recht hat das FG die Fa. S, die nur 20 Tankstellen in einem räumlich begrenzten Gebiet mit Kraft- und Schmierstoffen beliefert, nicht zu den Mineralölgesellschaften der oben bezeichneten Art gerechnet. Auf die Einstufung der Fa. S als "Treib- und Schmierstoff-Großhandlung" oder als "Mineralölfirma" kommt es nicht an.
Fehlt bei Tankstellen oder Teilen davon - wie im Streitfalle - eine weithin sichtbare Kennzeichnung als Betriebstätte einer der bekannten, auf Agenturbasis verkaufenden Mineralölfirmen, so besteht kein Anlaß, von den Grundsätzen der sogenannten Ladenrechtsprechung abzuweichen. Im Streitfalle waren zwar zwei der Voraussetzungen des oben bezeichneten, vom Senat im Urteil V 256/58 U vom 18. Mai 1961 (a. a. O.) gebilligten BdF-Erlasses (die vertragliche Verpflichtung zum Verkauf der Treibstoffe im Namen und für Rechnung der betreffenden Mineralölfirma und die Ausstellung von Quittungen mit dem Hinweis auf den agenturweisen Verkauf auf Anfordern des Kunden) erfüllt. Es fehlte jedoch nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, an der dritten Voraussetzung, nämlich der deutlichen Sichtbarmachung des Agenturverhältnisses durch Schilder. Diese Schilder müssen nach Ansicht des Senats so groß und auffallend sein und so im Blickfeld des Beschauers liegen, daß sie auch von einem weniger aufmerksamen und in Eile kaufenden Kunden vor dem Kaufabschluß nicht übersehen werden können. Das kleine und unauffällig angebrachte Schild an den Tanksäulen der Fa. S erfüllte diese Voraussetzungen bei weitem nicht.
Fundstellen
BStBl II 1969, 716 |
BFHE 1969, 550 |