Entscheidungsstichwort (Thema)
KSt-Befreiung für Bürgschaftsbanken, die Unternehmen der Sozialwirtschaft fördern
Leitsatz (amtlich)
1. Die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG setzt zwar voraus, daß das sie beanspruchende Körperschaftsteuersubjekt mit seiner Tätigkeit ausschließlich den Zweck verfolgt, die Wirtschaft ―d.h. andere Unternehmen― zu fördern. Keine derartige absolute Beschränkung enthält die Vorschrift aber hinsichtlich der Art der Förderungsmaßnahmen und -ziele. Insoweit reicht es für die Steuerbefreiung aus, wenn andere Unternehmen überwiegend durch die in § 5 Abs. 1 Nr. 17 Satz 1 KStG genannten Maßnahmen gefördert werden und wenn überwiegend mittelständische Unternehmen gefördert werden.
2. Keine Voraussetzung der Steuerbefreiung ist, daß die geförderten Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 17
Verfahrensgang
FG Köln (Dok.-Nr. 0145925; EFG 1998, 1092) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Kreditinstitut in der Rechtsform der GmbH. Gesellschafter sind überwiegend Verbände der freien Wohlfahrtspflege. Satzungsmäßiger Zweck der Klägerin ist die ausschließliche und unmittelbare Förderung sozialer Einrichtungen und Organisationen, insbesondere durch Übernahme von Bürgschaften und Garantien mit staatlichen Rückbürgschaften.
Die Klägerin übernahm im Jahr 1993 (Streitjahr) ausschließlich Bürgschaften zugunsten sozialer Einrichtungen und Organisationen für Projekte der Sozialwirtschaft. Aufgrund der Bürgschaften konnten die Träger der Projekte Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen, obwohl sie selbst nicht über ausreichende Sicherheiten verfügten. Für die Übernahme der Bürgschaften erhielt die Klägerin Entgelte. Außerdem beriet die Klägerin ihre Kunden in betriebswirtschaftlichen Fragen. Diese umfangreichen Beratungsleistungen stellte sie den Kunden nicht gesondert in Rechnung. Nach Angabe der Klägerin war und ist ihre Geschäftspolitik nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Rückbürgschaftszusagen vom Bund und den Ländern erhielt die Klägerin erst nach dem Streitjahr.
Durch Bescheide vom 13. Dezember 1994 veranlagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Klägerin für das Streitjahr zur Körperschaftsteuer und stellte das zu versteuernde Einkommen 1993 und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) auf den 31. Dezember 1993 fest (Körperschaftsteuer 0 DM, zu versteuerndes Einkommen ./. … DM, EK 50 ./. … DM, EK 02 ./. … DM). Die Körperschaftsteuerveranlagung führte dazu, daß der Klägerin über 200 000 DM Kapitalertragsteuer erstattet wurde. Der Einspruch und die Klagen, mit denen die Klägerin geltend machte, sie sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 17 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 ―KStG n.F.― (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) von der Körperschaftsteuer befreit, waren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1092 veröffentlicht.
Die Klägerin rügt mit der Revision, das FG-Urteil verletze § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung des Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
A. Das FG ist ―stillschweigend― davon ausgegangen, daß die Klage wegen Körperschaftsteuer zulässig ist, obwohl die festgesetzte Steuer 0 DM beträgt. Der erkennende Senat teilt diese Rechtsauffassung. Über die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. ist wie über die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG im Körperschaftsteuerveranlagungsverfahren zu entscheiden. Durch Erlaß des Körperschaftsteuerbescheids hat das FA der Klägerin für das Streitjahr die Steuerbefreiung versagt. Dadurch ist die Klägerin beschwert. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der erkennende Senat auf sein Urteil vom 13. Juli 1994 I R 5/93 (BFHE 175, 484, BStBl II 1995, 134).
Auch durch den Bescheid über die Feststellung der Teilbeträge des vEK ist die Klägerin beschwert. Steht ihr die begehrte Steuerbefreiung zu, hat dies Auswirkungen auf die festzustellenden Teilbeträge des vEK (s. Abschn. 84 Abs. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien ―KStR― 1995; Dötsch/Eversberg/Jost/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 29 KStG Tz. 20; Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 30 Rz. 12, 16 f.; Lademann, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 30 Rz. 124 f.; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl. 1997, § 5 Anm. 15; zur Verpflichtung steuerbefreiter Kapitalgesellschaften, ihr vEK zu gliedern, s. Senatsurteil vom 24. Januar 1990 I R 33/86, BFHE 159, 467, BStBl II 1990, 470).
B. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG läßt sich nicht entscheiden, ob die Klägerin im Streitjahr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. von der Körperschaftsteuer befreit ist.
1. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Bürgschaftsbanken (Kreditgarantiegemeinschaften) von der Körperschaftsteuer befreit, deren Tätigkeit sich auf die Wahrnehmung von Wirtschaftsförderungsmaßnahmen insbesondere in Form der Übernahme und Verwaltung von staatlichen Bürgschaften und Garantien oder von Bürgschaften und Garantien mit staatlichen Rückbürgschaften oder auf der Grundlage staatlich anerkannter Richtlinien gegenüber Kreditinstituten, Leasinggesellschaften und Beteiligungsgesellschaften für Kredite, Leasingforderungen und Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen zu ihrer Gründung und zur Erhaltung und Förderung ihrer Leistungsfähigkeit beschränkt. Nach Satz 2 der Vorschrift setzt die Steuerbefreiung zusätzlich voraus, daß das Vermögen der Bürgschaftsbank (Kreditgarantiegemeinschaft) und etwaige von ihr erzielte Überschüsse nur zur Erreichung des in Satz 1 genannten Zwecks verwendet werden.
2. Die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. setzt demnach zwar voraus, daß das sie beanspruchende Körperschaftsteuersubjekt mit seiner Tätigkeit ausschließlich den Zweck verfolgt, die Wirtschaft ―d.h. andere Unternehmen― zu fördern. Keine derartige (= absolute) Beschränkung enthält die Vorschrift aber hinsichtlich der Art der Förderungsmaßnahmen und -ziele. Insoweit reicht es für die Steuerbefreiung aus, wenn andere Unternehmen überwiegend ―also nicht ausschließlich― durch die in § 5 Abs. 1 Nr. 17 Satz 1 KStG n.F. genannten Maßnahmen gefördert werden und wenn überwiegend mittelständische Unternehmen gefördert werden.
a) § 5 Abs. 1 Nr. 17 Satz 1 KStG n.F. zählt einzelne Förderungsmaßnahmen (die Übernahme und Verwaltung bestimmter Arten von Bürgschaften und Garantien gegenüber Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen, Leasinggesellschaften oder Beteiligungsgesellschaften für Kredite, Leasingforderungen und Beteiligungen) und Förderungsziele (Gründung mittelständischer Unternehmen, Erhaltung und Förderung der Leistungsfähigkeit solcher Unternehmen) auf. Den Aufzählungen ist das Wort "insbesondere" vorangestellt. Daraus folgt, daß sie nicht abschließend sind. Die Steuerbefreiung wird somit nicht dadurch ausgeschlossen, daß Unternehmen durch sonstige Maßnahmen (wie z.B. durch die von der Klägerin erbrachten umfangreichen betriebswirtschaftlichen Beratungen) wirtschaftlich gefördert werden (a.A. Bott in Arthur Andersen, a.a.O., § 5 Rz. 796; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungs-Steuergesetz, § 5 KStG Rz. 111) und daß Unternehmen gefördert werden, die keine mittelständischen sind.
b) Das Wort "insbesondere" kennzeichnet die Aufzählungen jedoch nicht nur als bloß beispielhafte. Vielmehr hat es als Modaladverb in dem Satz die Funktion, den Grad und das Maß der aufgezählten Förderungsmaßnahmen und -ziele im Verhältnis zur Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen wahrgenommenen Wirtschaftsförderungsmaßnahmen zu bestimmen. Die Steuerbefreiung setzt daher auch voraus, daß der Steuerpflichtige im besonderen Maße ―d.h. überwiegend― die im Gesetz aufgezählten Förderungsmaßnahmen wahrnimmt und die im Gesetz genannten Förderungsziele verfolgt. Für diese Auslegung spricht in bezug auf die Förderungsmaßnahmen zudem, daß die steuerbefreiten Körperschaftsteuersubjekte als "Bürgschaftsbanken" (synonym "Kreditgarantiegemeinschaften", s. BTDrucks 12/1368 S. 22) bezeichnet werden.
3. Keine Voraussetzung der Steuerbefreiung ist, daß die geförderten Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden (ebenso Brandt, Kommentierte Finanzrechtsprechung ―KFR― F. 4 KStG § 5, 1/99 S. 241; a.A. Bott, a.a.O., § 5 Rz. 794).
a) Der Wortlaut der Vorschrift enthält keine derartige Beschränkung des Kreises der zu fördernden Unternehmen. Daß nach der Vorschrift insbesondere die Förderung "mittelständischer Unternehmen" Voraussetzung der Steuerbefreiung ist, läßt nicht den Schluß zu, nur gewerbliche ―also mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene― Unternehmen dürften gefördert werden. Zwar werden meist nur kleinere und mittlere gewerbliche oder freiberufliche Unternehmen als mittelständische Unternehmen bezeichnet (s. Albach in Ridinger/Steinröx, Mittelstandsförderung in der Praxis, 1996, S. 5; Bundesministerium für Wirtschaft, Förderungsmaßnahmen in den alten Bundesländern für mittelständische Unternehmen, freie Berufe und Existenzgründungen, 1992, S. 12 "KfW-Mittelstandsprogramm"; Klein/Bachmann, Öffentliche Finanzierungshilfen des Bundes, der Länder und der EU, 1996, S. 51). Sie sind auch die Hauptadressaten der Förderungsmaßnahmen für die mittelständische Wirtschaft. Dies beruht aber auf ihrer im Vergleich zu nicht gewinnorientierten Unternehmen größeren wirtschaftlichen Bedeutung und Anzahl und läßt nicht den Schluß zu, nur gewinnorientierte Unternehmen seien mittelständische i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F.
b) Auch aus Sinn und Zweck der Norm ergibt sich keine derartige Einschränkung. Zweck der Vorschrift ist die Wirtschaftsförderung. Mit Hilfe steuerbefreiter Bürgschaftsbanken soll die Kapitalversorgung von kleinen und mittleren Unternehmen gefördert werden, denen wegen unzureichenden bankmäßigen Sicherheiten der Zugang zum Kapitalmarkt oder zu anderen Finanzierungsquellen nicht oder nicht zu normalen Wettbewerbsbedingungen möglich ist. Ziel ist es, die Existenz kleiner und mittlerer Unternehmen zu sichern, ihre Gründung und Anpassung an sich ändernde Märkte und Rahmenbedingungen zu erleichtern und ihre wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung zu fördern (s. BTDrucks 12/1108 S. 66, 67).
Die Förderung nicht gewinnorientierter Unternehmen, die soziale Dienstleistungen erbringen, widerspricht nicht dem Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. Diese Unternehmen ―z.B. Altenheime, Pflegedienste, beschützende Werkstätten, Schulen― sind Teile der Wirtschaft. Sie erbringen ―in der Regel gegen Entgelt― Dritten gegenüber Leistungen. Ihre Inhaber beteiligen sich mit ihnen nachhaltig am allgemeinen Wirtschaftsverkehr. Die Unternehmen sind weit überwiegend wirtschaftliche Geschäftsbetriebe i.S. des § 14 der Abgabenordnung (AO 1977), auch wenn sie ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden (§ 14 Satz 2 AO 1977). Werden sie von Körperschaften unterhalten, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit sind, unterliegen diese mit den Betrieben der Besteuerung (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG). Nur wenn es sich um Zweckbetriebe handelt, sind sie auch insoweit von der Körperschaftsteuer befreit. Handelt es sich um kleinere oder mittlere Betriebe, die nicht Teile einer kapitalstarken oder über hohe Spendeneinnahmen oder Zuschüsse der öffentlichen Hand verfügenden Körperschaft sind, haben sie wie auch viele gewinnorientierte kleine oder mittlere Unternehmen oft Schwierigkeiten, ausreichend Fremd- und Eigenkapital zu erhalten.
c) Der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung des FA, Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. sei die Erhöhung des Steueraufkommens und daher widerspreche die Förderung steuerbefreiter Unternehmen dem Sinn der Vorschrift. Die staatlich begünstigte Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen ist zwar kein Selbstzweck. Sie dient aber allenfalls neben anderen Zwecken dazu, das Steueraufkommen zu erhöhen. Ein wesentlicher Grund für die Förderung mittlerer und kleinerer Unternehmen ist deren Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Der weit überwiegende Teil der in Deutschland außerhalb des öffentlichen Dienstes beschäftigten Arbeitnehmer ist nicht in Großbetrieben, sondern in kleinen und mittleren Unternehmen tätig. Die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben ist daher im besonderen Maße geeignet, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Dies gilt insbesondere für die Förderung von Unternehmen, die soziale Dienstleistungen erbringen, da diese personalintensiv sind. Zudem kann sich die Sicherung und die Schaffung von Arbeitsplätzen auch dann positiv auf das Steueraufkommen auswirken, wenn der Arbeitgeber selbst steuerbefreit ist.
d) Die Tatsache, daß die Bürgschaftsbanken sich als Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft zur Förderung des gewerblichen Mittelstands und der freien Berufe entwickelt haben (s. Klein/ Bachmann, a.a.O., S. 87) und in den Materialien zu § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. als solche bezeichnet werden (BTDrucks 12/1108 S. 66), läßt entgegen der Auffassung des FG nicht den Schluß zu, die Steuerbefreiung setze die Förderung von mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Unternehmen voraus. Die Materialien referieren insoweit nur die historische Entwicklung und enthalten keine in das Gesetz übernommene Definition des Begriffs Bürgschaftsbanken. Dieser ist daher offen für eine Ausdehnung auch auf Banken, die durch die in § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. genannten Maßnahmen nicht gewinnorientierte Unternehmen fördern (s. auch BTDrucks 12/1368 S. 22, in der die Bürgschaftsbanken als "Selbsthilfeeinrichtungen der mittelständischen Wirtschaft" bezeichnet werden).
4. Das FG hat die Vorschrift anders ausgelegt und deshalb ―von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig― bisher nicht feststellt, ob die Klägerin im Streitjahr überwiegend Förderungsmaßnahmen der in § 5 Abs. 1 Nr. 17 Satz 1 KStG n.F. genannten Art wahrgenommen hat. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, um den Sachverhalt insoweit noch aufzuklären. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG davon auszugehen haben, daß die betriebswirtschaftlichen Beratungen unabhängig von ihrem Umfang die Steuerbefreiung dann nicht ausschließen, wenn sie in Zusammenhang mit den in § 5 Abs. 1 Nr. 17 KStG n.F. genannten Förderungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Unternehmensfinanzierung standen.
Fundstellen
Haufe-Index 423882 |
BFH/NV 2000, 661 |
BStBl II 2000, 325 |
BFHE 2000, 372 |
BB 2000, 599 |
DStRE 2000, 359 |
HFR 2000, 3373 |
HFR 2000, 373 |
StE 2000, 167 |