Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsfreibetrag: Kürzung nach § 33a Abs.4 EStG, Ausbildungsaufwendungen, zeitliche Zurechnung der Aufwendungen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Anwendung des § 33a Abs.4 Satz 1 EStG sind die dem Steuerpflichtigen für die Ausbildung eines Kindes erwachsenen Aufwendungen den Kalendermonaten zuzurechnen, die sie wirtschaftlich betreffen.
2. Bei Eltern, die Studienkosten ihres Kindes tragen, kann typisierend davon ausgegangen werden, daß in jedem Kalendermonat Ausbildungskosten anfallen, wenn sich das Studium einschließlich der unterrichtsfreien bzw. vorlesungsfreien Zeiten über den ganzen Veranlagungszeitraum erstreckt.
Orientierungssatz
Der Ausbildungsfreibetrag wird, wenn den Eltern Berufsausbildungskosten überhaupt entstanden sind, unabhängig von der tatsächlichen Höhe der Aufwendungen gewährt. Derartige Aufwendungen können wie Unterhaltsaufwendungen in laufenden, gelegentlichen und einmaligen Aufwendungen der Eltern bestehen (vgl. Beispielsfälle zu möglichen durch die Ausbildung verursachten Aufwendungen, wie Unterbringungsgebühren am Studienort, Studiengebühren, Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte, Aufwendungen für Fachbücher, Lehrmaterial, Schreibutensilien, Computer usw.).
Normenkette
EStG § 33a Abs. 2, 4 S. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eltern einer 1963 geborenen Tochter, die sich im Streitjahr (1986) noch in Berufsausbildung befand. Sie studierte in X, wohnte jedoch im Haushalt der Kläger in L. Nach den Angaben der Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung hatte die Tochter "innerhalb des Ausbildungszeitraums" einen Bruttoarbeitslohn von 6 311 DM. Mit ihrem Einspruch gegen den die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages ablehnenden Einkommensteuerbescheid 1986 machten die Kläger geltend, die in der Steuererklärung angegebenen Einkünfte der Tochter seien in den Semesterferien, nämlich in den Monaten März, August und September, erzielt worden. Unter Berücksichtigung der in Abschn.68 der Lohnsteuer-Richtlinien genannten Regelung ergebe sich deshalb ein abzuziehender Ausbildungsfreibetrag für neun Monate in Höhe von 1 350 DM. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Kläger zuletzt nur noch die Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrages in Höhe von 1 050 DM begehrt hatten, statt. Es war der Auffassung, den Klägern stehe für die Tochter nach § 33a Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1986 ein Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 1 800 DM zu, der gemäß § 33a Abs.4 Satz 2 EStG um 5/12 auf 1 050 DM zu kürzen sei. Den Klägern seien in der vorlesungsfreien Zeit, den fünf Monate währenden Semesterferien, keine Aufwendungen für die Ausbildung der Tochter erwachsen. Eine der in § 33a Abs.2 EStG für die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages genannten Voraussetzungen habe demnach in dieser Zeit nicht vorgelegen. Unerheblich sei, daß die Ausbildung der Tochter während des gesamten Kalenderjahres angedauert habe. Hierbei handele es sich um ein weiteres Tatbestandsmerkmal des § 33a Abs.2 EStG, nicht aber um das einzige, auf das es nach § 33a Abs.4 Satz 1 EStG ankomme. Weiterhin sei unbeachtlich, ob die in den Semesterferien erzielten Einkünfte oder Bezüge des Kindes dazu bestimmt oder geeignet gewesen seien, auch der Berufsausbildung in den anderen Monaten zu dienen, wenn sie auf die sog. Kürzungsmonate entfielen.
Den Klägern seien in den Semesterferien zwar typische Unterhaltsaufwendungen für die Tochter entstanden, wozu auch die Krankenkassenbeiträge gehörten. Der Begriff der Berufsausbildungsaufwendungen schließe aber die typischen Unterhaltsaufwendungen nicht ein. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 33a Abs.2 EStG, der im Gegensatz zu Abs.1 nicht von "Aufwendungen für den Unterhalt" und/oder "eine etwaige Berufsausbildung" spreche. Außerdem unterscheide das Gesetz in § 33a Abs.2 Satz 2 EStG selbst zwischen Bezügen --d.h. nicht steuerbaren und steuerfreien Einnahmen-- des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder (andererseits) seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien. Angesichts dieser eindeutigen Abgrenzung könne nicht davon ausgegangen werden, daß typische Unterhaltsaufwendungen des Steuerpflichtigen für ein in Berufsausbildung befindliches Kind als Aufwendungen für dessen Berufsausbildung anzusehen seien.
Diese Auslegung nach dem Wortlaut des Gesetzes werde durch die Entwicklung des § 33a Abs.2 EStG bestätigt. Gegenüber der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Regelung sei nach dem Einkommensteuerreformgesetz 1975 vom 5. August 1974 die Abzugsmöglichkeit von Ausbildungskosten auf Unterbringungskosten beschränkt gewesen. Mit den ab 1. Januar 1977 geltenden Erweiterungen auf den Abzug von Berufsausbildungskosten habe der Gesetzgeber der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Rechnung getragen (Urteile vom 1. Dezember 1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78, und vom 8. November 1979 IV R 66/77, BFHE 129, 134, BStBl II 1980, 117), nach der durch den Kinderfreibetrag sämtliche Aufwendungen für den Unterhalt und die Ausbildung abgegolten würden. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84 u.a., BStBl II 1990, 653) weise in diesem Zusammenhang zutreffend und richtungsweisend darauf hin, daß mit § 33a Abs.2 EStG eine "punktuelle Erleichterung" geschaffen worden sei, um einen besonderen Aufwand des Steuerpflichtigen für die Ausbildung seines Kindes berücksichtigen zu können. Diese Entwicklung beweise, daß aus dem Bereich der Unterhaltsaufwendungen durch § 33a Abs.2 EStG die aus Anlaß der Berufsausbildung des Kindes aufgewendeten Beträge begünstigt sein sollten, aber auch nur diese gemeint gewesen seien.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Verletzung des § 33a Abs.2 EStG. Indem das FG zwischen typischen Unterhaltsaufwendungen und Aufwendungen für eine Berufsausbildung differenziere, weiche es von der Rechtsprechung des BFH ab, nach der Unterhaltszahlungen für ein in Berufsausbildung befindliches Kind grundsätzlich auch für die Berufsausbildung geleistet würden (Urteile vom 24. April 1986 III B 72/84, BFHE 146, 429, BStBl II 1986, 561, und vom 1. März 1991 III R 33/88, BFH/NV 1991, 455). Der BFH gehe im Grundsatz davon aus, daß Unterhaltsleistungen für ein in Ausbildung befindliches Kind nur in besonderen Ausnahmefällen in Leistungen für die leiblichen Bedürfnisse des Kindes und solche für die Ausbildung aufgespalten werden dürften. Eine außergewöhnliche Fallkonstellation sei im Streitfall jedoch nicht vorgetragen worden. Die Tochter sei während des gesamten Streitjahres Studentin gewesen und habe während dieser Zeit im Haushalt der Eltern gewohnt. Allein der Umstand, daß sie in den Semesterferien zum Teil gegen Entgelt gearbeitet habe, führe nicht zu dem Ergebnis, daß die Unterhaltsleistungen der Eltern sich in den Semesterferien allein auf die leiblichen Bedürfnisse der Tochter beschränkt hätten. Die studentische Ausbildung beginne mit der Immatrikulation und ende in der Regel mit dem Examen. Sie werde während der Semesterferien nicht unterbrochen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß den Klägern im Streitjahr ein Ausbildungsfreibetrag für sieben Monate zustehe.
Gemäß § 33a Abs.2 Satz 1 EStG wird auf Antrag ein Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 1 800 DM gewährt, wenn dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für die Berufsausbildung eines volljährigen Kindes erwachsen, für das er einen Kinderfreibetrag erhält und das in seinem Haushalt untergebracht ist. Der Freibetrag mindert sich u.a. um die eigenen Einkünfte des Kindes, soweit diese 2 400 DM übersteigen (§ 33a Abs.2 Satz 2 EStG). Für jeden vollen Monat, in dem die Voraussetzungen des § 33a Abs.2 EStG nicht vorliegen, ermäßigen sich gemäß § 33a Abs.4 Satz 1 EStG die dort bezeichneten Beträge um je 1/12. Eigene Einkünfte des Kindes, die auf die Kürzungsmonate entfallen, bleiben außer Betracht (§ 33a Abs.4 Satz 2 EStG).
Die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages setzt danach voraus, daß dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für die Berufsausbildung seines Kindes erwachsen sind. Zu den im Zusammenhang mit der Berufsausbildung eines Kindes stehenden Kosten gehören sowohl die unmittelbar das Erlangen von fachlichen Fähigkeiten und Kenntnissen betreffenden Ausgaben als auch grundsätzlich alle Aufwendungen, die durch die Ausbildung zu dem gewählten Beruf an einem bestimmten, frei gewählten Ort veranlaßt sind, wie etwa Unterbringungskosten am Studienort, Studiengebühren, Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte, Aufwendungen für Fachbücher und anderes Lehrmaterial (BFH-Urteil vom 6. November 1987 III R 112/85, BFHE 151, 422, BStBl II 1988, 422).
Die Vorschriften über die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages sind typisierende Regelungen (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom 6. November 1987 III R 241/83, BFHE 151, 416, BStBl II 1988, 438). Der Ausbildungsfreibetrag wird daher, wenn den Eltern Berufsausbildungskosten überhaupt entstanden sind, unabhängig davon gewährt, wie hoch die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen waren. Derartige Aufwendungen können wie Unterhaltsaufwendungen in laufenden, gelegentlichen und einmaligen Ausgaben der Eltern für die Ausbildung des Kindes bestehen (Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 21.Aufl., § 33a EStG Rdnr.50). Zu den unregelmäßigen Ausgaben gehören insbesondere solche für die Anschaffung von Fachbüchern, Schreibutensilien, Computer etc. sowie periodenbezogene Aufwendungen, z.B. für Semestergebühren. Aufwendungen dieser Art werden in der Regel nicht für einen bestimmten Ausbildungsmonat getätigt, sondern betreffen wirtschaftlich gesehen einen oder mehrere Ausbildungsabschnitte, teilweise den gesamten Ausbildungszeitraum.
§ 33a Abs.4 Satz 1 EStG verlangt zwar die Prüfung, ob dem Steuerpflichtigen in jedem Kalendermonat des Veranlagungszeitraums derartige Aufwendungen entstanden sind. Denn ist das nicht der Fall, fehlt es an einer der in § 33a Abs.2 EStG bezeichneten Voraussetzungen, so daß der Freibetrag zu kürzen ist. Nach Ansicht des Senats widerspräche es indes dem Sinn und Zweck des § 33a Abs.4 Satz 1 EStG, zu prüfen, ob der Steuerpflichtige in jedem Monat tatsächlich Ausgaben geleistet hat. Eine solche Prüfung wäre auch mit einem unangemessenen Aufwand --sowohl für das FA als auch für den Steuerpflichtigen-- verbunden und würde oftmals zu zufälligen, mit dem Grundsatz einer gleichmäßigen Besteuerung kaum zu vereinbarenden steuerlichen Ergebnissen führen. Daher ist es bei der Anwendung des § 33a Abs.4 Satz 1 EStG geboten, dem Steuerpflichtigen erwachsene Aufwendungen den Kalendermonaten zuzurechnen, die sie wirtschaftlich betreffen, auch wenn diese Ausgaben möglicherweise in einem anderen Monat geleistet worden sind. Das gilt insbesondere bei den Ausgaben für die obengenannten Anschaffungen und bei periodenbezogenen Aufwendungen (vgl. insoweit auch § 11 Abs.2 Satz 2 EStG).
Da Eltern, die --vorbehaltlich eigener Einkommensbeiträge ihres Kindes-- Aufwendungen für dessen Ausbildung tragen, erfahrungsgemäß Aufwendungen für solche Anschaffungen und periodenbezogene Ausgaben erwachsen, kann typisierend davon ausgegangen werden, daß sie in jedem Kalendermonat die betreffenden Voraussetzungen des § 33a Abs.2 EStG erfüllen, wenn sich die Ausbildung ihres Kindes über den ganzen Veranlagungszeitraum erstreckt; dabei sind unterrichts- bzw. vorlesungsfreie Zeiten Teil des Ausbildungszeitraums (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887).
Der Annahme des FG, daß den Klägern in den vorlesungsfreien Monaten keine Aufwendungen für die Ausbildung ihrer Tochter erwachsen sind, kann daher nicht gefolgt werden.
Für den Streitfall bedeutet dies, daß den Klägern für ihre Tochter, die während des gesamten Kalenderjahres Studentin in X war und von ihnen unterhalten worden ist, ein Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 1 800 DM zusteht, auf den jedoch von der Tochter im Streitjahr erzielte Einkünfte anzurechnen sind, soweit diese 2 400 DM übersteigen (§ 33a Abs.2 Satz 2 EStG). Da die Ausbildung das ganze Jahr angedauert hat, findet § 33a Abs.4 Satz 1 EStG keine Anwendung. Es ist daher ohne Bedeutung, in welchen Monaten die Einkünfte, die die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung mit 6 311 DM angegeben haben, erzielt worden sind.
Das Urteil des FG, das auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Fundstellen
Haufe-Index 65858 |
BFH/NV 1996, 361 |
BStBl II 1997, 30 |
BFHE 180, 541 |
BFHE 1997, 541 |
BB 1996, 2082 (Leitsatz) |
DB 1996, 2106-2107 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1996, 1561 (Kurzwiedergabe) |
DStZ 1997, 90-91 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1996, 734-735 (Leitsatz) |
StE 1996, 639 (Kurzwiedergabe) |