Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung rechtlichen Gehörs bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
Leitsatz (NV)
Entscheidet das FG ohne mündliche Verhandlung, obwohl der Kläger darauf nicht verzichtet hat, verletzt es sein Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
Wird dieser Verfahrensmangel ordnungsgemäß gerügt, führt er zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung; eine Sachentscheidung ist dem Revisionsgericht in diesem Fall verwehrt.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 90 Abs. 1-2, § 119 Nr. 3, § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Abzug von Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Nach vergeblichem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1988 erhob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Klage. Auf mündliche Verhandlung hat er nicht verzichtet.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 14. Oktober 1991 als unbegründet zurück. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.
Auf die Beschwerde des Klägers hin ließ das FG die Revision zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er trägt u.a. vor, das Urteil des FG sei ohne mündliche Verhandlung ergangen, obwohl er darauf nicht verzichtet habe. Schon aus diesem Grunde sei das Urteil aufzuheben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ist ebenfalls der Ansicht, das Urteil des FG sei aus formellen Gründen aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat dem Kläger das Recht auf Gehör verweigert (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -), weil es entgegen § 90 Abs. 1 Satz 1 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 119 Nr. 3 FGO). Die Beteiligten können zwar auf mündliche Verhandlung verzichten (§ 90 Abs. 2 FGO). Von dieser Möglichkeit hat im Streitfall jedoch nur das FA Gebrauch gemacht. Indem das FG gleichwohl ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, hat es dem Kläger die Möglichkeit genommen, sich zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt, d.h. dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), zu äußern. Wird dieser Verfahrensmangel ordnungsgemäß (§ 120 Abs. 2 FGO) gerügt, führt er zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung; eine Sachentscheidung ist dem Revisionsgericht in diesem Fall verwehrt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. November 1991 VII R 64/90, BFHE 166, 415, BStBl II 1992, 425).
Im Streitfall hat der Kläger den Verfahrensverstoß ordnungsgemäß gerügt (§§ 120 Abs. 2, 119 Nr. 3 FGO). Dazu bedarf es nicht des Vortrags, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte (BFH-Urteil in BFHE 166, 415, BStBl II 1992, 425).
Fundstellen
Haufe-Index 423223 |
BFH/NV 1994, 250 |