Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung des Veräußerers eines Grundstücks zur Übertragung des Eigentums an diesem Grundstück auf den Erwerber ist steuerlich mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 11 Nr. 4 StAnpG) auf den Erwerber erfüllt.
2. Wurde der Einheitswert eines verkauften Grundstücks auf einen bestimmten Stichtag dem Erwerber zugerechnet und ist dieser Einheitswertbescheid unanfechtbar geworden, so kann der Veräußerer bei seiner Vermögensteuerveranlagung nicht den Abzug einer Sachleistungsverpflichtung mit der Begründung verlangen, das wirtschaftliche Eigentum an dem veräußerten Grundstück sei an diesem Stichtag noch nicht auf den Erwerber übergegangen.
2. Zur Ermittlung des gemeinen Werts eines Sachleistungsanspruchs.
Normenkette
AO § 232 Abs. 2; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 10; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 74
Tatbestand
Der Kläger hat durch notariellen Kaufvertrag vom 29. Oktober 1963 Teilflächen eines ihm gehörenden landwirtschaftlichen Betriebs in einer Gesamtgröße von rd. 90 000 qm zum Preis von insgesamt über 11 000 000 DM verkauft. Der Kaufpreis wurde nach Eintragung der Auflassungsvormerkung im Jahre 1963 gezahlt. Abschnitt IV des Kaufvertrags lautet: "Die Besitzübergabe erfolgt am 1. November 1963. Von diesem Tag an gehen Nutzen und Lasten sowie die Gefahr auf die Käufer über. Die Käufer gestatten jedoch dem Verkäufer, die verkauften Flächen unentgeltlich landwirtschaftlich zu nutzen, bis diese Flächen im Zug der Baumaßnahmen zur Bebauung herangezogen werden. Die Käufer werden dem Verkäufer den Beginn so rechtzeitig mitteilen, daß er sich bei der landwirtschaftlichen Nutzung der verkauften Flächen danach einrichten kann". Der Eigentumsübergang war am 1. Januar 1964 noch nicht im Grundbuch eingetragen. Das zuständige FA hat auf den 1. Januar 1964 den Einheitswert für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers von 54 000 DM auf 43 000 DM fortgeschrieben, "weil im Kalenderjahr 1963 Grundstücksflächen veräußert wurden". Gleichzeitig hat das FA für die verkauften Flächen drei Nachfeststellungen von Einheitswerten vorgenommen und sie den Erwerbern auf den 1. Januar 1964 zugerechnet. Alle diese Einheitswertbescheide sind unanfechtbar geworden.
Der Kläger und seine Ehefrau kauften durch notariellen Kaufvertrag vom 30. Oktober 1963 ein rd. 93,5 ha großes Landgut mit dem gesamten toten und lebenden Inventar. Der Kaufpreis von über 9 000 000 DM wurde im November 1963 gezahlt. Nach Nr. IV des Vertrages gingen Besitz, die Nutzungen, Lasten und die Gefahr des zufälligen Untergangs und der Verschlechterung sowie die mit dem verkauften Grundbesitz verbundene Haftung am 1. Februar 1964 auf die Käufer über.
Das FA führte auf den 1. Januar 1964 durch Bescheid vom 24. Februar 1965 eine Vermögensteuer-Neuveranlagung des Klägers durch. Dabei setzte es den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers mit dem auf den 1. Januar 1964 fortgeschriebenen Einheitswert von 43 300 DM an. Den Erwerb des Landguts berücksichtigte es entsprechend den Angaben in der Vermögenserklärung des Klägers durch Ansatz eines Sachwert anspruchs, und zwar in Höhe des Kaufpreises von über 9 000 000 DM.
Der Einspruch, mit dem der Kläger den Abzug einer Sachleistungs verpflichtung wegen der verkauften Teilflächen in Höhe des Kaufpreises von über 11 000 000 DM und den Ansatz des Sachwertanspruchs wegen des gekauften Landguts nur in Höhe von 6 000 000 DM begehrte, blieb ohne Erfolg.
Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Sachleistungsverpflichtung des Klägers in Höhe von über 11 000 000 DM sei am 1. Januar 1964 steuerlich erfüllt gewesen. Infolge der unanfechtbar gewordenen Wertfortschreibung des Einheitswerts für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und der ebenfalls unanfechtbar gewordenen Nachfeststellungen der Einheitswerte für die veräußerten Teilflächen und deren Zurechnung auf die Erwerber zum 1. Januar 1964 seien die verkauften Teilflächen am Neuveranlagungszeitpunkt dem Kläger nicht mehr wertmäßig zuzurechnen. Dann könne aber auch eine auf Übertragung dieser Teilflächen gerichtete Verpflichtung des Klägers steuerlich nicht mehr bestehen. Der Sachleistungsanspruch des Klägers aus dem Erwerb des Landguts sei richtig bewertet worden. Der Anspruch sei nach § 10 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Der tatsächlich gezahlte Kaufpreis sei der wichtigste Anhaltspunkt für den gemeinen Wert. Gründe, die eine niedrigere Bewertung rechtfertigen könnten, habe der Kläger nicht vorgebracht. Entgegen seiner Behauptung liege kein Notverkauf vor. Denn selbst wenn ihm die Weiterbenutzung der verkauften Flächen nicht gestattet worden wäre, wäre seine Existenz als Landwirt nicht gefährdet gewesen, weil sein landwirtschaftlicher Betrieb auch nach der Veräußerung der Teilflächen noch eine Fläche von etwa 21,9 ha landwirtschaftliche und etwa 17,6 ha forstwirtschaftlicher Nutzung habe. Der Kläger habe auch keine nachprüfbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß er einen Überpreis gezahlt habe. Das Gericht habe deshalb keine Veranlassung, daran zu zweifeln, daß der von ihm bezahlte Kaufpreis tatsächlich dem Wert des Landguts entsprach. Der Kläger gebe selbst an, daß eine rein landwirtschaftliche Wertbetrachtung nur zu einem Wert von etwa 2,5 bis 3 Mio DM führe, daß aber ein Wert von 6 Mio DM angemessen sei, weil jedenfalls ein Teil des Landguts als Bauerwartungsland in Betracht komme. Damit räume der Kläger ein, daß es ihm auf eine sichere Geldanlage und damit in untrennbarem Zusammenhang auf eine in Zukunft erzielbare Wertsteigerung dieser auch in unmittelbarer Nähe einer Großstadt gelegenen Flächen angekommen sei. Er habe mit seinem Erwerb deshalb auch spekulative Zwecke verfolgt. In welcher Höhe dieses spekulative Moment angemessen zu berücksichtigen sei, könne von einem Sachverständigen nicht begutachtet werden. Die Spekulation finde vielmehr ihren Ausdruck in dem gezahlten Kaufpreis. Die Einholung eines Gutachtens über den Wert des Landguts sei deshalb nicht erforderlich.
Mit der Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Er ist der Auffassung, daß die Wertfortschreibung des Einheitswerts seines landwirtschaftlichen Betriebs auf den 1. Januar 1964 keine bindende Wirkung für die vermögensteuerliche Frage habe, ob am 1. Januar 1964 noch eine Sachleistungsverpflichtung bestanden habe. Diese Frage sei vielmehr bei der Vermögensteuerveranlagung selbständig zu prüfen. Sie sei zu bejahen; denn am 1. Januar 1964 sei das wirtschaftliche Eigentum an den verkauften Teilflächen noch nicht auf die Erwerber übergegangen gewesen. Das sei aber Voraussetzung für den Wegfall der Sachleistungsverpflichtungen. Den gemeinen Wert des Sachleistungsanspruchs aus dem Erwerb des Landguts habe das FG aus einem einzigen Verkauf abgeleitet, ohne zu prüfen, ob der gezahlte Kaufpreis derjenige sei, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Grundstücks bei einer Veräußerung zu erzielen gewesen wäre. Das sei aber gerade nicht der Fall. Der Kläger habe einen Überpreis gezahlt, weil er aus persönlichen und landwirtschaftlichen Gründen in der Nähe der Großstadt habe bleiben wollen. Spekulative Zwecke habe er entgegen der Auffassung des FG nicht verfolgt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Verpflichtung des Klägers zur Übertragung des Eigentums an den verkauften Flächen auf die Erwerber steuerlich dann erfüllt ist, wenn das wirtschaftliche Eigentum im Sinne des § 11 Nr. 4 StAnpG auf die Erwerber übergegangen ist. Das wird auch vom Kläger eingeräumt. Der Senat stimmt dem FG aber auch darin zu, daß der Kläger nicht mehr mit dem Einwand gehört werden kann, das wirtschaftliche Eigentum an den verkauften Flächen sei noch nicht auf die Erwerber übergegangen. Das folgt daraus, daß die Einheitswerte dieser Flächen in den Nachfeststellungsbescheiden den Erwerbern zugerechnet, in dem Wertfortschreibungsbescheid über die dem Kläger verbliebenen Restflächen die verkauften Flächen wertmäßig nicht mehr erfaßt und alle diese Bescheide unanfechtbar geworden sind. Denn damit ist sowohl dem Kläger als auch den Erwerbern nach § 232 Abs. 2 AO in dem Verfahren gegen die Vermögensteuerbescheide der Einwand abgeschnitten, das wirtschaftliche Eigentum sei noch nicht auf die Erwerber übergegangen. Die Einheitswerte der verkauften Flächen sind vielmehr bei den Vermögensteuerveranlagungen der Erwerber anzusetzen. Dagegen ist bei der Vermögensteuerveranlagung des Klägers nur der um den Wert der veräußerten Flächen verminderte Einheitswert der ihm verbliebenen Restflächen anzusetzen. Neben dieser unmittelbar auf § 232 Abs. 2 AO beruhenden Bindungswirkung der in den Einheitswertfeststellungen vorgenommenen Zurechnung auf die Vermögensteuerveranlagungen der Beteiligten besteht aber auch noch eine mittelbare Bindungswirkung dieser Zurechnung. Denn aus dieser Zurechnung, die auf dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Erwerber beruht, folgt mit bindender Wirkung für die Vermögensteuer auch, daß steuerlich die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums erfüllt ist. Damit entfällt bei den Vermögensteuerveranlagungen der Erwerber der Ansatz eines Sachleistungsanspruchs und bei der Vermögensteuerveranlagung des Veräußerers der Abzug einer Sachleistungsverpflichtung.
2. Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß der Sachleistungsanspruch aus dem Erwerb des Landguts nach § 10 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist. Die Schätzung des gemeinen Werts liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. An sie ist deshalb der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, es sei denn, daß in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Das ist nicht der Fall. Der Kläger rügt zu Unrecht, daß das FG nicht das von ihm beantragte Gutachten über den Wert des Landguts eingeholt hat. Das FG konnte davon ausgehen, daß der gezahlte Kaufpreis dem gemeinen Wert entsprach. Es ist zwar richtig, daß nach dem Urteil des RFH III 345/37 vom 28. April 1938 (RStBl 1938, 716) ein einziger Verkauf keine genügende Grundlage für die Feststellung des im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preises bildet. Das gilt jedoch nur für den Fall, daß für das zu bewertende Grundstück kein Verkaufspreis vorliegt und deshalb der gemeine Wert durch Vergleich mit Verkaufspreisen ähnlicher Grundstücke ermittelt werden muß. Wenn aber für das zu bewertende Grundstück selbst ein Verkaufspreis vorliegt und dieser Kaufpreis nach den Feststellungen des amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen des zuständigen FA dem tatsächlichen Grundstückswert entspricht und auch von der Preisprüfungsstelle für Grundstücke im Landratsamt und vom Bauernverband als "angemessen" beurteilt wird, so konnte das FG zu der Feststellung kommen, daß er dem gemeinen Wert entspricht. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG in diesem Zusammenhang auf das spekulative Moment hingewiesen hat. Denn daß dieses Moment auf den gemeinen Wert eines Landguts, das in so unmittelbarer Nähe einer sich ständig ausdehnenden Großstadt liegt, einen entscheidenden Einfluß hat, liegt auf der Hand. Dabei kann es letztlich dahingestellt bleiben, ob die Annahme des FG richtig ist, daß auch der Kläger mit dem Erwerb spekulative Zwecke verfolgte.
Fundstellen
Haufe-Index 68434 |
BStBl II 1969, 226 |
BFHE 1969, 498 |