Leitsatz (amtlich)
Der Leiter der Außenstelle einer Volkshochschule kann Ausbilder i.S. von § 3 Nr.26 EStG sein.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 26, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger werden als Eheleute gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der klagende Ehemann (Kläger) ist als Schulrektor unselbständig tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte fest, daß er in den Jahren 1980 und 1981 als Leiter einer Außenstelle der Kreisvolkshochschule tätig war. Die Volkshochschule führte am Ort der Außenstelle Lehrveranstaltungen durch. Für seine nebenberufliche Tätigkeit hatte der Kläger in den Streitjahren 1980 und 1981 Einnahmen in Höhe von 1 368 DM bzw. 1 772 DM bezogen. Das FA sah darin Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit, die es nach Abzug eines Drittels für Betriebsausgaben als zusätzliche Einkünfte berücksichtigte. Dementsprechend änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1980 und führte für 1981 eine erstmalige Einkommensteuerveranlagung durch.
Mit seiner Klage zum Finanzgericht (FG) machte der Kläger geltend, daß seine Tätigkeit als Außenstellenleiter derjenigen eines Übungsleiters, Ausbilders oder Erziehers i.S. von § 3 Nr.26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vergleichbar sei und das empfangene Entgelt deswegen unbesteuert bleibe. Das FG wies die Klage ab, weil der Kläger selbst keinen Unterricht erteilt habe.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. § 3 Nr.26 EStG bezeichnet als steuerfrei Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder für eine vergleichbare nebenberufliche Tätigkeit zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs.1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) fallenden Einrichtung. Als Aufwandsentschädigung sind Einnahmen für die bezeichneten Tätigkeiten bis zur Höhe von insgesamt 2 400 DM im Jahr anzusehen.
Zu den begünstigten Tätigkeiten gehört danach die Entwicklung geistiger und leiblicher Fähigkeiten anderer Menschen durch Ausbildung vorhandener Anlagen; gleichgestellt ist dem die Leitung von Übungen, in denen Menschen ihre Fähigkeiten selbst entwickeln oder erproben. Was zu den ebenfalls begünstigten vergleichbaren Tätigkeiten gehört und ob insbesondere eine auf Erhaltung von Leben, Gesundheit oder Wohlbefinden gerichtete betreuende Tätigkeit in die Vergünstigung einzubeziehen ist, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Begünstigt ist nämlich in jedem Fall eine unterrichtende Tätigkeit, die, selbständig ausgeübt, zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. von § 18 Abs.1 Nr.1 EStG führt. Die Betätigung des Klägers ist als unterrichtende Tätigkeit im Sinn dieser Vorschrift anzusehen.
Der Kläger hat sich als Leiter der Außenstelle der Volkshochschule zwar nicht durch eigenen Vortrag oder die Abhaltung von Übungen am Unterricht beteiligt. Dies ist für eine unterrichtende Tätigkeit i.S. von § 18 Abs.1 Nr.1 EStG auch nicht unabdingbar erforderlich. Sie setzt allerdings eine Beziehung zwischen dem Unterrichtenden und dem zu Unterrichtenden voraus, die von der Persönlichkeit des Unterrichtenden geprägt wird. Dazu genügt im Falle eines Schulleiters jedoch, daß er eigenständig in den Unterricht anderer Lehrkräfte eingreift, indem er die Unterrichtsveranstaltungen mitgestaltet und ihnen damit den Stempel seiner Persönlichkeit gibt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13.Dezember 1973 I R 138/71, BFHE 111, 105, BStBl II 1974, 213; vom 16.November 1978 IV R 191/74, BFHE 126, 220, BStBl II 1979, 246). Da es auf die Würdigung der Gesamttätigkeit ankommt, ist diese Einwirkung andererseits auch dann erforderlich, wenn der Schulleiter auch einige Unterrichtsstunden selbst abhält (vgl. BFH-Urteil vom 5.Dezember 1968 IV 125/66, BFHE 94, 344, BStBl II 1969, 165).
2. Bei der nach diesen Maßstäben im Streitfall anzustellenden Prüfung ist den Besonderheiten der Dienstleistung in einer Volkshochschule Rechnung zu tragen, die unter Verzicht auf eine straffe schulmäßige Organisation die verschiedensten Veranstaltungen allgemeinbildenden oder berufsfördernden Inhalts anbietet und bei der Unterrichtserteilung in der Regel auf meist nur nebenberuflich und in geringem Umfang tätig werdende Lehrkräfte angewiesen ist. Innerhalb seiner durch diese Umstände beschränkten Wirkungsmöglichkeiten ist der Kläger nach Art eines Schulleiters tätig geworden.
Das FG ist bei seiner Würdigung von der Darstellung des als Zeugen vernommenen Direktors der Volkshochschule und von den Angaben eines Handbuchs für die Leiter und Mitarbeiter von Volkshochschulen ausgegangen. Danach hat der Kläger als Außenstellenleiter vor allem Kontakt mit den Hörern und den Lehrkräften des Einzugsgebiets der Außenstelle gehalten, bei der Erstellung des Arbeitsplanes mitgewirkt, für die Einrichtung neuer Kurse gesorgt, die erforderlichen Absprachen mit den Lehrkräften getroffen und für die Gewinnung neuer Lehrkräfte gesorgt. In dem erwähnten Handbuch wird als Aufgabe eines Außenstellenleiters außerdem noch die Einführung von Gastreferenten vor den Hörern und die Leitung von Diskussionen genannt.
Der Kläger trug danach Verantwortung für die in seiner Zuständigkeit abgehaltenen Lehrveranstaltungen. Es liegt auf der Hand, daß die Hörer bei der Auswahl von Kursen an ihn herantraten und er die dabei empfangenen Eindrücke und Anregungen zum Zwecke der Unterrichtsgestaltung an die Lehrkräfte weitergab und dementsprechend auch bei der Auswahl der Lehrveranstaltungen und der geeigneten Lehrkräfte durch die Volkshochschule mitwirkte. Unter den besonderen Gegebenheiten einer Volkshochschule hat er dadurch das Unterrichtsgeschehen durch seine eigene Persönlichkeit mitgestaltet und das für eine Unterrichtstätigkeit unerläßliche Verhältnis zu den Lernenden hergestellt. Von einer derartigen Beurteilung muß auch das FA ausgegangen sein, als es die Einkünfte des Klägers als solche aus selbständiger Arbeit ansah; dies ließ sich in erster Linie durch Annahme einer unterrichtenden Tätigkeit i.S. von § 18 Abs.1 Nr.1 EStG rechtfertigen.
3. Da der Landkreis durch seine Volkshochschule gemeinnützig tätig i.S. von § 52 Abs.2 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist, die Einnahmen des Klägers nicht die in § 3 Nr.26 EStG bezeichneten Grenzen überstiegen, sind sie bei der Einkommensteuerveranlagung außer Betracht zu lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 61440 |
BStBl II 1986, 398 |
BFHE 146, 63 |
BFHE 1986, 63 |
BB 1986, 1064-1064 (ST) |
DB 1986, 1104-1104 (ST)150-151 (ST) |
HFR 1986, 288-289 (ST) |