Leitsatz (amtlich)
Zu den Steuerberatungskosten i.S. des § 10 Abs.1 Nr.6 EStG gehören auch Aufwendungen für Steuerfachliteratur, wenn diese allgemein geeignet ist, dem Steuerpflichtigen bei der Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten und der Wahrnehmung seiner steuerlichen Rechte zu nutzen.
Aufwendungen für Sammelwerke, die nur einheitlich bezogen werden können und Beiträge zu steuerrechtlichen Fragen unterschiedlicher Art enthalten, sind in der Regel insgesamt als Sonderausgaben abziehbar.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog als Bankkaufmann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ferner hatte er im Streitjahr 1980 Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 210 DM.
In der Einkommensteuererklärung 1980 machte er Aufwendungen für Steuerfachliteratur in Höhe von 722 DM als Sonderausgaben (Steuerberatungskosten) geltend. Es handelte sich um Ergänzungslieferungen für Loseblattsammlungen (Sammelwerke mit Informationen über steuer- und wirtschaftsrechtliche Fragen), Steuertabellen, einen Lohnsteuerratgeber sowie ein steuerrechtliches Wörterbuch. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen nicht als Sonderausgaben, sondern als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Da der Kläger keine Werbungskosten erklärt hatte, wirkten sich die Aufwendungen steuerlich nur in Höhe von 158 DM --soweit sie den Werbungskostenpauschbetrag von 564 DM überstiegen-- aus.
Auf den Einspruch des Klägers erkannte das FA Aufwendungen von 134 DM für Steuertabellen und Lohnsteuerratgeber als Sonderausgaben an, wies den Einspruch aber gleichwohl als unbegründet zurück, weil sich die Höhe der festgesetzten Steuerschuld dadurch nicht ändere. Im übrigen hielt es an seiner Auffassung fest, es handle sich um Aufwendungen für berufsbezogene Literatur, obwohl der Kläger erklärt hatte, er benötige die angeschaffte Literatur nicht für seinen Beruf.
Die Klage, mit der der Kläger weiterhin den Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, § 10 Abs.1 Nr.6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfasse zwar auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Steuerfachliteratur; als Steuerberatungskosten könnten jedoch nur Aufwendungen für solche Fachliteratur angesehen werden, die gemessen an den individuellen Verhältnissen des Steuerpflichtigen einschlägig seien. Dies sei bei Sammelwerken mit Informationen über unterschiedliche steuer- und wirtschaftsrechtliche Fragen nicht der Fall. Diese seien ihrem wesentlichen Inhalt nach nicht gezielt auf die steuerlichen Belange des Klägers zugeschnitten, sondern allgemeiner Art. Der Kläger könne sich nicht auf Abschn.102 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) berufen. Danach sei zwar bei Steuerberatungskosten unter 1 000 DM den Angaben des Steuerpflichtigen zu folgen, inwieweit es sich um Sonderausgaben oder Werbungskosten handle. Da die Aufwendungen jedoch keine Steuerberatungskosten i.S. des § 10 Abs.1 Nr.6 EStG darstellten, sei die Richtlinienregelung im Streitfall nicht anwendbar.
Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 10 Abs.1 Nr.6 EStG. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, § 10 Abs.1 Nr.6 EStG sehe keine betragsmäßige Begrenzung und keine Angemessenheitsprüfung vor. - Die Entscheidung des FG verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. - Außerdem sei das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden, die Aufwendungen anzuerkennen, da es die gleichen Aufwendungen in den Vorjahren als Sonderausgaben berücksichtigt habe. - Als Verfahrensmängel rügt der Kläger einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten und unzureichende Sachverhaltsermittlung.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Steuerbescheides vom 19.Juni 1981 und der Einspruchsentscheidung vom 26.März 1982 die Einkommensteuer für 1980 unter Berücksichtigung weiterer Sonderausgaben in Höhe von 588 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, bei den nicht als Sonderausgaben anerkannten Aufwendungen handele es sich um Werbungskosten. Wegen des nicht unerheblichen Anteils an wirtschaftlichen Themen diene die angeschaffte Literatur der Fortbildung des Klägers im Beruf.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); die geltend gemachten Aufwendungen sind Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs.1 Nr.6 EStG.
1. Nach § 10 Abs.1 Nr.6 EStG können Steuerberatungskosten als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, sofern sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind (§ 10 Abs.1 Satz 1 EStG). § 10 EStG definiert den Begriff der Steuerberatungskosten nicht. Für die Auslegung sind daher Wortlaut, Sinnzusammenhang und ergänzend die Entstehungsgeschichte der Vorschrift maßgebend.
a) Nach allgemeinem Sprachgebrauch werden unter "Steuerberatungskosten" Honorare für verschiedene Arten von Tätigkeiten der steuerberatenden Berufe verstanden (vgl. auch BFH-Urteil vom 30.April 1965 VI 207/62 S, BFHE 82, 449, BStBl III 1965, 410). Die Gesetzesfassung jedoch zwingt nicht zu einer solchen Einschränkung des Sonderausgabenabzugs. Der Normzweck gebietet vielmehr eine weite Auslegung. Wegen der Schwierigkeit und Unübersichtlichkeit des Steuerrechts sollen solche unvermeidbaren Privatausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die dem Steuerpflichtigen dadurch entstehen, daß er zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten oder zur Wahrung seiner steuerlichen Rechte fremde Hilfe in Anspruch nimmt. Diesem Zweck dient auch das Zurateziehen einschlägiger Literatur. Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen hierdurch erwachsen, fallen daher grundsätzlich unter § 10 Abs.1 Nr.6 EStG (vgl. auch Söhn in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 Anm.I 25; Stephan in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 10 Anm.197; Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 Anm.23; Fichtelmann in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 Anm.74; Heuer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 10 EStG Anm.263, 270, Stichwort "Fachliteratur"; Korritter, Der Betrieb 1986, 560; Schneidewind, Betriebs-Berater 1975, 965; Pohlmann, Sonderausgaben, 3.Aufl. 1982 Anm.90; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.Juni 1975 III 30/75, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1975, 420; vgl. auch FG München, Urteil vom 23.April 1986 I 123/83 E, EFG 1986, 396; a.A. FG Düsseldorf, Urteil vom 16.Oktober 1974 VIII (VII) 383/73 E, EFG 1975, 112; Blümich/Podehl, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 13.Aufl., § 10 EStG Anm.333).
b) Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht dafür, den Begriff Steuerberatungskosten weit auszulegen. Steuerberatungskosten konnten steuerrechtlich nur berücksichtigt werden, wenn es sich um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelte. Als Werbungskosten oder Betriebsausgaben beurteilte die Rechtsprechung aber nur den Teil der Steuerberatungskosten, der bei der Ermittlung der Einkünfte oder des Gewinns anfiel. Steuerberatungskosten, die sich auf Veranlagungs-, Tariffragen usw. bezogen, waren nicht abziehbar (BFH-Urteile in BFHE 82, 449, BStBl III 1965, 410, und vom 18.November 1965 IV 151/64 U, BFHE 84, 519, BStBl III 1966, 190). Nach der Gesetzesbegründung sollten Steuerpflichtige jedoch in allen Fällen --also nicht nur, wenn die Beratung mit der Ermittlung der Einkünfte oder des Gewinns zusammenhing-- die Möglichkeit haben, die ihnen durch eine Steuerberatung erwachsenen Kosten bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen (BTDrucks IV/3189 S.6). Das Anliegen des Gesetzgebers, alle durch steuerliche Beratung entstandenen Kosten zu berücksichtigen, legt es nahe, unter den Begriff Steuerberatungskosten auch solche Aufwendungen zu fassen, die dem Steuerpflichtigen durch die Anschaffung von Steuerfachliteratur entstehen.
c) Steuerberatung setzt eine Unterstützung des Steuerpflichtigen in seinen steuerlichen Angelegenheiten voraus. Entgegen der Auffassung des FG bedeutet dies jedoch nicht, daß nur Fachliteratur berücksichtigt werden kann, die konkret auf solche steuerrechtliche Fragen zugeschnitten ist, wie sie gerade beim Steuerpflichtigen auftreten. Erforderlich und ausreichend ist, daß die angeschaffte Literatur Informationen enthält, die allgemein geeignet sind, dem Steuerpflichtigen bei der Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten und bei der Wahrnehmung seiner steuerlichen Rechte zu nutzen (Söhn in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 10 Anm.I 26; vgl. auch Heuer in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10 EStG Anm.263; Pohlmann, a.a.O., Anm.91; Felix, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1966, 523).
d) Nach der Rechtsprechung zum alten Recht (BFHE 82, 449, BStBl III 1965, 410, BFHE 84, 519, BStBl III 1966, 190, vgl. oben I. 1. b) sind Steuerberatungskosten, soweit sie sich auf die Ermittlung der Einkünfte/des Gewinns beziehen, Werbungskosten/Betriebsausgaben. Da der Abzug als Werbungskosten/Betriebsausgaben Vorrang vor dem Abzug als Sonderausgaben hat (§ 10 Abs.1 Satz 1 EStG), gelten diese Grundsätze auch für die neue Rechtslage, d.h. Steuerberatungskosten sind grundsätzlich in Werbungskosten/Betriebsausgaben und Sonderausgaben aufzuteilen. In der Mehrzahl der Fälle beeinflußt die Aufteilung das steuerliche Ergebnis allerdings nicht; denn sowohl Werbungskosten/Betriebsausgaben als auch Sonderausgaben sind unbeschränkt abziehbar. Im Streitfall jedoch benachteiligt eine Zuordnung der streitigen Aufwendungen zu den Werbungskosten den Kläger, weil er bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit keine Werbungskosten geltend gemacht hat und sich die Aufwendungen für die Steuerfachliteratur somit in Höhe des Werbungskostenpauschbetrags von 564 DM steuerlich nicht auswirken.
Während Honorare für Steuerberater im allgemeinen nach den vom Steuerberater erbrachten Leistungen aufgeteilt werden können, kann die Aufteilung von Aufwendungen für Steuerfachliteratur im Einzelfall schwierig oder sogar unmöglich sein. Vor allem bei Aufwendungen für Werke, die Beiträge zu steuerrechtlichen Fragen unterschiedlicher Art enthalten, läßt sich ein praktikabler Maßstab für die Aufteilung nach Werbungskosten/Betriebsausgaben und Sonderausgaben kaum finden. Eine Aufteilung wäre von Zufälligkeiten abhängig, im Ergebnis nicht nachvollziehbar und garantierte deshalb keine zutreffende Besteuerung. In solchen Fällen ist daher eine schwerpunktmäßige Zuordnung erforderlich, die in der Regel zum einheitlichen Sonderausgabenabzug führt.
2. Die Vorentscheidung war aufzuheben, da sie auf einer anderen Rechtsauffassung beruht. Die Sache ist spruchreif.
Nach den vom FA nicht angegriffenen Feststellungen des FG behandeln die Loseblattsammlungen in großem Umfang wirtschaftliche Fragen und "die gesamte Palette des Steuerrechts". Sie enthalten damit auch den Kläger interessierende Fragen (z.B. zur Abziehbarkeit von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen), geben Hinweise auf steuerbegünstigte Kapitalanlagen und informieren über Gesetzesänderungen und geplante Gesetzesvorhaben. Werke dieser Art sollen möglichst umfassend und für alle Berufssparten informieren. Daher sind für den einzelnen Bezieher häufig nur bestimmte Teile des Gesamtwerks von Interesse, ohne daß dadurch die Eigenschaft als Steuerratgeber verloren geht. Da Fragen zur Einkünfteermittlung nur einen geringen Teil der behandelten Themen ausmachen, kommt unter diesem Gesichtspunkt eine Zuordnung der Anschaffungskosten zu den Werbungskosten nicht in Betracht. Eine zutreffende Aufteilung ist nicht möglich. Nach den oben dargelegten Grundsätzen sind die Aufwendungen daher insgesamt als Sonderausgaben abziehbar. Die gleichen Grundsätze gelten für die Anschaffungskosten des steuerrechtlichen Wörterbuchs.
Die streitigen Aufwendungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt der beruflichen Fortbildung den Werbungskosten zugeordnet werden. Zwar ist nicht auszuschließen, daß die behandelten wirtschaftlichen Fragen auch für die berufliche Fortbildung des Klägers von Interesse sein können. Der Schwerpunkt dieser Werke liegt jedoch in der Behandlung steuerrechtlicher Fragen, so daß die Aufwendungen insgesamt als Sonderausgaben abziehbar sind.
3. Über die geltend gemachten Verfahrensmängel war nicht zu entscheiden, da das Urteil des FG aus anderen Gründen aufzuheben war.
Fundstellen
Haufe-Index 62843 |
BFH/NV 1989, 42 |
BStBl II 1989, 865 |
BFHE 157, 512 |
BFHE 1990, 512 |
BB 1989, 2093-2094 (LT1) |
DB 1989, 2208-2209 (ST) |
DStR 1989, 639 (KT) |
HFR 1990, 79 (LT) |