Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Erbbauberechtigten übernommene Erschließungskosten als --vorab gezahlte-- Anschaffungskosten des Erbbaugrundstücks - Kapitaleinnahmen bei Verzinsung vorab bezahlter Erschließungskosten
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Erbbauberechtigter in Ausübung eines bei Bestellung des Erbbaurechts vereinbarten Ankaufsrechts das Erbbaugrundstück und werden die von ihm übernommen Erschließungskosten vereinbarungsgemäß auf den Kaufpreis angerechnet, so stellen die Erschließungskosten unabhängig davon, wie sie im Jahre ihrer Zahlung bei dem Erbbauberechtigten steuerrechtlich behandelt worden sind, --vorab gezahlte-- Anschaffungskosten des Grundstücks dar.
Orientierungssatz
Einnahmen aus Kapitalvermögen liegen auch dann vor, wenn die Vertragsparteien die Verzinsung vorab gezahlter Erschließungskosten erst im nachhinein, nämlich im Zusammenhang mit der Veräußerung des erschlossenen Grundstücks, auf dessen Kaufpreis die Erschließungskosten anzurechnen waren, vereinbart haben.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) --zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute-- erwarben mit Erbbaurechtsvertrag vom 16. Dezember 1982 von einer Versorgungskasse als Eigentümerin das Erbbaurecht an einem in einem Baugebiet gelegenen, unbebauten Grundstück mit einer Laufzeit von 99 Jahren. Die Versorgungskasse hatte sich im Jahre 1979 gegenüber der Gemeinde vertraglich verpflichtet, das Baugebiet zu erschließen.
In der "Vorbemerkung" des Erbbaurechtsvertrages heißt es u.a.: "Der vorgenannte Grundbesitz wird vom Eigentümer erschlossen. Der Eigentümer wird den Erschließungsaufwand einschließlich der Zinsen und aller Nebenkosten anteilig auf die einzelnen Baugrundstücke umlegen und für ca. 200 Häuser Erbbaurechte ausgeben. Bei der Erbbaurechtsausgabe sind die errechneten Erschließungskosten dem Eigentümer zu erstatten. Das Erbbaurecht und der Erbbauzins bezieht sich somit auf das Baugrundstück im unerschlossenen Zustand." Darüber hinaus räumte die Versorgungskasse den Erbbauberechtigten ein Ankaufsrecht nach Ablauf von 30 Jahren ein. Bei der Ermittlung des zwischen den Beteiligten zu vereinbarenden Kaufpreises sollte berücksichtigt werden, daß die Erschließungskosten bereits von den Erbbauberechtigten und nicht von der Eigentümerin bezahlt wurden.
Die Kläger, die im Jahre 1983 auf dem Erbbaugrundstück ein fortan selbst genutztes Einfamilienhaus errichteten, zahlten im August 1983 ihren Erschließungskostenanteil in Höhe von 35 750 DM an die Versorgungskasse; ferner hatten sie an diese einen einmaligen Betrag von 7 800 DM und einen laufenden Erbbauzins von vierteljährlich 724,10 DM zu zahlen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1983 die Zahlung der Erschließungskosten zunächst nicht. Nach Unanfechtbarkeit des Bescheides beantragten die Kläger im September 1984, 1/99 der im Jahre 1983 gezahlten Erschließungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen und die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs.1 Satz 1 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern. Das FA ließ die Erschließungskosten in vollem Umfang als Werbungskosten zum Abzug zu und berücksichtigte sie, da die Einkommensteuer 1983 bereits auf 0 DM festgesetzt worden war, im Wege des Verlustrücktrages (1981 und 1982) sowie des Verlustvortrages (1985 und 1986).
Mit Kaufvertrag vom 20. Oktober 1987 verkaufte die Versorgungskasse das Grundstück an die Kläger. In dem Grundstückskaufvertrag ist bezüglich des Kaufpreises vereinbart: "Der Kaufpreis beträgt 88 460 DM. Hierauf werden angerechnet die von den Käufern geleisteten Zahlungen aufgrund des Erbbaurechtsvertrages vom 16. Dezember 1982 in Höhe von 35 750 DM sowie ein Betrag in Höhe von 1 331,69 DM anteilige Guthabenzinsen für vorausgezahlte Erschließungskosten."
Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1987 (Streitjahr) erfaßte das FA die auf den Kaufpreis angerechneten Erschließungskosten von 35 750 DM als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Auf den Einspruch der Kläger verböserte das FA --nach Hinweis-- die Steuerfestsetzung insoweit, als es mit der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 1988 nunmehr auch die "Guthabenzinsen" in Höhe von 1 331 DM als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, das FA habe zu Unrecht die von den Klägern im Jahre 1983 gezahlten Erschließungskosten und die darauf entfallenden "Guthabenzinsen" im Streitjahr als Einnahmen der Kläger aus Vermietung und Verpachtung erfaßt. Die Erschließungskosten seien ursprünglich nicht als sofort abziehbare Werbungskosten, sondern als Anschaffungskosten des Erbbaurechts zu behandeln gewesen. Die in der späteren Anrechnung auf den Kaufpreis des Grundstücks liegende Rückzahlung von Anschaffungskosten gehöre in den nicht steuerbaren Vermögensbereich. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, daß im Streitfall die Erschließungskosten zu Unrecht als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt worden seien; denn die Erfassung der Rückerstattung der Erschließungskosten als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung stelle einen Verstoß gegen den den Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO 1977 zugrunde liegenden Gedanken dar. Auch die angerechneten "Guthabenzinsen" stellten keine Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dar; ihre Berücksichtigung als Einnahmen aus Kapitalvermögen scheitere daran, daß eine Kapitalüberlassung gegen Entgelt nicht vereinbart worden sei. Im übrigen sei die Klage auch deshalb begründet, weil die Kläger ab dem Streitjahr die sog. kleine Übergangsregelung des § 52 Abs.21 Sätze 4 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewählt hätten und damit keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Einfamilienhaus hätten erfaßt werden können.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung der §§ 21, 8 Abs.1 und 2 sowie des § 20 Abs.3 EStG. Unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 21. November 1989 IX R 170/85 (BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310) vertritt das FA die Auffassung, mit dem Erwerb des Grundstücks sei den Klägern der durch die Erschließung bedingte Wertzuwachs des Grundstücks zugeflossen. Mithin seien die Erschließungskosten einschließlich der angerechneten "Guthabenzinsen" im Streitjahr als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Dem stehe auch nicht entgegen, daß die Kläger ab dem Streitjahr die sog. kleine Übergangsregelung des § 52 Abs.21 Sätze 4 ff. EStG gewählt hätten; im Streitfall werde nämlich der geldwerte Vorteil "Wertzuwachs des Grundstücks" auf der Rechtsgrundlage des § 21 Abs.1 Nr.1 EStG und nicht die Nutzung des Einfamilienhauses versteuert.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Zutreffend hat es das FG allerdings abgelehnt, die von den Klägern im Jahre 1983 gezahlten Erschließungskosten im Streitjahr als Einnahmen der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen.
a) Die Anrechnung der von den Klägern (bei der Bestellung des Erbbaurechts) übernommenen Erschließungskosten auf den Kaufpreis des Grundstücks kann zunächst nicht als eine --nachträgliche-- Erstattung von Werbungskosten angesehen werden, die nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Senatsentscheidung vom 3. Dezember 1990 IX B 136/89, BFH/NV 1991, 316 m.w.N.) zu Einnahmen bei der Einkunftsart führen würde, bei der die Aufwendungen zuvor abgezogen worden sind. Nach der vorliegenden vertraglichen Gestaltung, zu deren Auslegung der Senat mangels einer entsprechenden Würdigung durch das FG selbst befugt ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 1991 IX R 43/89, BFHE 165, 245, 248, BStBl II 1991, 918), sind nämlich den Klägern die --von ihnen ursprünglich getragenen-- Erschließungskosten nicht erstattet worden; vielmehr ist davon auszugehen, daß nach der Vorstellung der Vertragsparteien der auf die Erschließung des Grundstücks entfallende Anteil des Kaufpreises für das erschlossene Grundstück bereits vorab im Jahre 1983 gezahlt worden ist: Dies folgt zum einen aus der Regelung, die im Zusammenhang mit dem bereits bei der Bestellung des Erbbaurechts eingeräumten Ankaufsrecht getroffen worden war. Hiernach sollte bei der Ermittlung des Kaufpreises berücksichtigt werden, daß die Kläger bereits die Erschließungskosten bezahlt hatten. Dementsprechend sind dann die Erschließungskosten im Grundstückskaufvertrag auch "angerechnet" worden.
Zum anderen spricht auch der Umstand, daß ferner sog. "Guthabenzinsen" auf den vereinbarten Kaufpreis angerechnet worden sind, dafür, die Erschließungskosten als vorab gezahlten Teil des Kaufpreises für das erschlossene Grundstück zu betrachten; denn nur wenn die Vertragsparteien von einer entsprechenden Vorleistung der Kläger ausgegangen sind, bestand Anlaß, diesen Betrag zu verzinsen.
Mithin stellen sich die von den Klägern im Jahre 1983 gezahlten Erschließungskosten, die ursprünglich (lediglich) mit dem durch das Erbbaurecht begründeten Nutzungsverhältnis im Zusammenhang standen, aus der für die Beurteilung des Streitfalls maßgebenden Sicht des Streitjahres als Teil des Kaufpreises, und damit als Anschaffungskosten des erschlossenen Grundstücks dar.
b) Unmaßgeblich ist auch, daß das FA die von den Klägern übernommenen Erschließungskosten in früheren Jahren --in vollem Umfang-- als Werbungskosten berücksichtigt hatte. Hierbei kann die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterschiedlich beurteilte Frage nach der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten (Nachweise in der Senatsentscheidung vom 23. April 1991 IX R 86/89, BFHE 164, 275, BStBl II 1991, 712) dahingestellt bleiben; selbst wenn sie früher als Werbungskosten zu beurteilen gewesen sein sollten, wurden sie mit Ausübung des Ankaufsrechts zu Anschaffungskosten (vgl. zur Umwandlung BFH-Urteil vom 13. November 1986 IV R 211/83, BFHE 148, 306, 308, BStBl II 1987, 374). Ob und inwieweit sich hieraus nachträglich noch Folgerungen für die Steuerfestsetzungen früherer Jahre ergeben, hat der Senat nicht zu ent- scheiden.
c) Die Kläger haben mit der Anrechnung der Erschließungskosten auf den Kaufpreis des Grundstücks im Streitjahr schließlich --entgegen der Auffassung des FA-- auch keinen als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassenden Wertzuwachs realisiert. Das Senatsurteil in BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310 ist auf den Streitfall bereits deshalb nicht anwendbar, weil sich nach der oben dargelegten Beurteilung aus der maßgeblichen Sicht des Streitjahres der Grund für die Zahlung der Erschließungskosten durch die Kläger nicht aus dem Nutzungsverhältnis, sondern aus dem Grundstückskaufvertrag ergibt.
d) Da hiernach eine Berücksichtigung der Erschließungskosten als Einnahmen der Kläger aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr ausscheidet, bedarf die weitere Streitfrage, ob die Anwendung der sog. kleinen Übergangsregelung des § 52 Abs.21 Sätze 4 ff. EStG der Erfassung der betreffenden Einnahmen entgegensteht, keiner Erörterung.
2. Allerdings hat das FG zu Unrecht die "Guthabenzinsen" nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs.1 Nr.7 EStG berücksichtigt.
Zwar haben die Vertragsparteien eine Verzinsung der Erschließungskosten erst im nachhinein, nämlich im Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks an die Kläger vereinbart. Dieser Umstand steht jedoch der Erfassung der "Guthabenzinsen" als wirtschaftliches Nutzungsentgelt und damit als Zinsen i.S. des § 20 Abs.1 Nr.7 EStG nicht entgegen; entscheidend ist allein, daß nach der Vorstellung der Vertragsparteien wegen der vorab gezahlten Erschließungskosten eine Verzinsung in Höhe des auf den Grundstückskaufpreis anzurechnenden Betrages von 1 331 DM vorzunehmen war (vgl. BFH-Urteil vom 6. April 1993 VIII R 68/90, BFHE 172, 25, BStBl II 1993, 825).
3. Die Sache ist spruchreif. Unter Berücksichtigung des Sparerfreibetrages in Höhe von 600 DM (§ 20 Abs.4 Satz 2 EStG), des Werbungskostenpauschbetrages in Höhe von 200 DM (§ 9a Satz 1 Nr.2 EStG) sowie der --vom FG bei seiner Berechnung übersehenen-- Ermäßigung nach § 34f EStG ist die Einkommensteuer für das Streitjahr wie folgt festzusetzen: (... wird ausgeführt)
Fundstellen
Haufe-Index 64884 |
BStBl II 1994, 348 |
BFHE 173, 103 |
BFHE 1994, 103 |
BB 1994, 636 |
BB 1994, 636 (L) |
DB 1994, 660-661 (LT) |
DStR 1994, 501-502 (KT) |
HFR 1994, 327-329 (LT) |
StE 1994, 188 (K) |