Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwischenvermietung als Gestaltungsmißbrauch
Leitsatz (NV)
1. Die Vermeidung von Arbeitsbelastung rechtfertigt die Einschaltung eines Zwischenvermieters nur, wenn bei vernünftiger Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ernsthaft mit Belastungen gerechnet werden muß, die der Eigentümer bei Anlegung normaler Maßstäbe durch Überlassung der Mietsache an einen Zwischenvermieter und nicht durch Beauftragung einer fachkundigen Person von sich abwälzt (wie BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1987 V B 109/86, BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96).
2. Dem Gesichtspunkt der Sicherung des Mietertrages durch Zwischenvermietung kommt nur dann Bedeutung zu, wenn der Eigentümer ernsthaft mit einem Mietausfallrisiko hat rechnen müssen. Es müssen konkrete Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Vorausschau einen Mietausfall erwarten lassen.
Normenkette
UStG 1967/1973 § 15; StAnpG § 6 Abs. 1; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Einzelhändler. In den Jahren 1972/73 errichtete er auf seinem Grundstück in A ein Geschäfts- und Wohnhaus. In einem Teil des Gebäudes betrieb er eines seiner Geschäfte, der andere Teil enthält acht Wohnungen. Diesen Gebäudeteil vermietete er mit Vertrag vom 20. Februar 1973 an seine Ehefrau. Als Mietpreis wurden monatlich 1 800 DM zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart; daneben sollte die Ehefrau des Klägers die Nebenkosten tragen. Der Mietvertrag wurde bis zum 31. Dezember 1974 geschlossen und sollte sich jeweils um ein Jahr verlängern, sofern nicht fristgerecht gekündigt wurde. Im übrigen verwiesen die Vertragsparteien auf die ,,Ausführungen des Deutschen Einheitsmietvertrages".
In der Folgezeit vermietete die Ehefrau des Klägers die Wohnungen zu einem Mietpreis von insgesamt 2 300 DM monatlich weiter. Eine Wohnung mit einer Fläche von 39,71 qm wurde von dem Mieter als Praxisraum genutzt.
Der Kläger verzichtete auf die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 a des Umsatzsteuergesetzes 1967/73 (UStG) und machte die auf die Errichtung des Wohnteils entfallenden Vorsteuerbeträge in Höhe von 38 284,87 DM geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) verneinte die Abziehbarkeit der auf die Errichtung des Wohnteils entfallenden Vorsteuern und setzte mit der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer auf ./. 20 811,50 DM fest. Das FA vertrat die Auffassung, in dem Mietvertrag vom 20. Februar 1973 liege ein Gestaltungsmißbrauch i. S. von § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG).
Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit folgender Begründung statt: Der Mietvertrag vom 20. Februar 1973 sei ernsthaft gewollt und durchgeführt worden. Die Mietzahlungen an den Kläger sowie an seine Ehefrau seien regelmäßig und auf getrennte Konten erfolgt. Auch unter Fremden wäre ein Mietvertrag gleichen Inhalts abgeschlossen worden. Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten sei zu verneinen, weil überwiegend wirtschaftliche Gründe den Kläger zur Zwischenvermietung an seine Ehefrau veranlaßt hätten. Der Kläger habe seine Arbeitskraft ausschließlich auf seine Einzelhandelsgeschäfte richten und sich von der Verwaltung der Wohnungen vollständig freihalten wollen. Bei Einschaltung eines Hausverwalters hätte er sich selbst um die Vermietung kümmern und etwaige Prozesse selber führen müssen. Durch Vermietung an einen Zwischenmieter habe er ferner das Mietausfallrisiko auf diesen verlagern können. Die Ehefrau des Klägers sei insofern ein geeigneter Vertragspartner gewesen, weil sie neben ihrem Ehegattengehalt (7 200 DM jährlich) über eigene Mieteinkünfte von mindestens 18 000 DM im Streitjahr und über eigenes Vermögen verfügt habe. Der Betriebsprüfer habe noch im Mai 1974 in seinem Bericht ausgeführt, ein fremder Dritter hätte wegen des Überangebots an Neubauwohnungen in A das Vermietungsrisiko nicht übernommen. Daraus sei zu entnehmen, daß die (in der Zwischenvermietung liegende) Mietgarantie ihren Preis (die Differenz zwischen der End- und der Zwischenmiete) wert gewesen sei. Hilfsweise führt das FG aus, das FA trage die objektive Beweislast für das Vorliegen eines Gestaltungsmißbrauchs. Diesen Nachweis habe das FA jedenfalls nicht erbracht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Das FA hält allerdings den Abzug der auf die zu unternehmerischen Zwecken genutzte Wohnung entfallenden Vorsteuerbeträge für gerechtfertigt. Entsprechend dem Verhältnis der Wohnungsgröße (39,71 qm) zur Gesamtfläche der Wohnungen (475,72 qm) könne der Kläger 8,35 v. H. (3 196,79 DM) der von ihm geltend gemachten Vorsteuerbeträge (38 284,87 DM) abziehen. Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage im übrigen die Umsatzsteuer von ./. 20 811,50 DM um 3 196,79 DM auf ./. 24 008,29 DM herabzusetzen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Festsetzung der Umsatzsteuer entsprechend dem Revisionsantrag des FA.
Das Urteil des FG verletzt § 6 StAnpG. Es steht nicht im Einklang mit der zu dieser Vorschrift (bzw. § 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) entwickelten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
1. Die bei dem Kläger aus Anlaß der Gebäudeerrichtung angefallenen und in diesem Verfahren streitigen Umsatzsteuern sind keine nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge. Dem Abzugsbegehren des Klägers steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der errichteten Räumlichkeiten durch eine nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreie Vermietung erfolgte (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG).
Zum Bereich der sog. Zwischenvermietungen hat der V. Senat des BFH erkannt, bei Errichtung von Gebäuden richte sich die Abziehbarkeit der in diesem Zusammenhang beim Eigentümer angefallenen Vorsteuerbeträge im Falle der Einschaltung einer Mittelsperson in den Vermietungsvorgang danach, ob die (im eigenen Namen auftretende) Mittelsperson steuerpflichtige oder (zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führende) steuerfreie Vermietungsumsätze bewirke. Hierauf komme es nämlich an, wenn zwischen Eigentümer und Mittelsperson kein Mietverhältnis (mit steuerpflichtigen Mietumsätzen des Eigentümers), sondern ein Geschäftsbesorgungsverhältnis bestehe oder wenn wegen § 6 StAnpG (jetzt § 42 AO 1977) einem derartigen Mietvertrag die angestrebten steuerlichen Folgen zu versagen und damit die Mittelsperson lediglich als Geschäftsbesorger tätig geworden sei (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388).
2. Zur Abgrenzung einer zulässigen gegen eine von § 6 Abs. 1 StAnpG (§ 42 AO 1977) mißbilligte Gestaltung im Bereich der sog. Zwischenvermietung hat der V. Senat des BFH ausgeführt, die Einschaltung von Mietern, die die gemieteten Wohnräume nicht selbst nutzen, sondern an Dritte zur Nutzung weitervermieten wollten (sog. Zwischenvermieter), sei grundsätzlich eine ungewöhnliche Rechtsgestaltung. Diese sei unangemessen und erfülle den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i. S. des § 6 Abs. 1 StAnpG (§ 42 AO 1977), wenn für die Einschaltung eines Zwischenvermieters - abgesehen von dem Ziel der Vorsteuererstattung - wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten. Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer habe solche Gründe substantiiert darzulegen (BFH-Urteile in BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388; vom 17. Mai 1984 V R 118/82, BFHE 141, 339, BStBl II 1984, 678; vom 29. November 1984 V R 38/78, BFHE 142, 519, BStBl II 1985, 269; Beschlüsse vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756; vom 29. Oktober 1987 V B 109/86, BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif; der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die vom Kläger vorgetragenen (wirtschaftlichen) Ziele für die Einschaltung seiner Ehefrau als Zwischenmieterin sind nicht überzeugend. Da sonstige Gründe, die die Gestaltung als angemessen erscheinen lassen könnten, nicht dargetan oder ersichtlich sind, ist vom Vorliegen eines Gestaltungsmißbrauchs i. S. des § 6 StAnpG auszugehen, so daß aus den unter Nrn. 1 und 2 dargestellten Gründen der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
a) Das Ziel des Klägers, sich von der mit der Hausverwaltung verbundenen Arbeitsbelastung zu befreien, kann für sich allein die Zwischenvermietung an die Ehefrau nicht rechtfertigen. Wie der V. Senat in seinem Beschluß in BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96 zur Rechtfertigung der Zwischenvermietung unter dem Aspekt der Arbeitsentlastung ausgeführt hat, wäre hierzu erforderlich, daß bei vernünftiger Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ernsthaft mit Belastungen gerechnet werden müßte, die der Eigentümer bei Anlegung üblicher Maßstäbe durch Überlassung der Mietsache an einen Zwischenvermieter und nicht durch Beauftragung einer fachkundigen Person von sich abwälzt. Verhandlungen mit den Mietern, Abnahme und Zuweisung der Wohnung bei Mieterwechsel, Mietinkasso, Durchführung von Reparaturen usw. sind Aufgaben, die üblicherweise durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag auf Dritte übertragen werden. Die Bevollmächtigung eines Hausverwalters kann allumfassend sein, sie kann insbesondere auch die Vertretungsmacht zur Führung von Rechtsstreiten einschließen. Ein Mietvertrag ist hingegen auf die Überlassung einer Sache zum Gebrauch gerichtet (§ 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Dem Wesen dieses Vertrages entspricht es regelmäßig nicht, durch ihn Aufgaben der Hausverwaltung auf Dritte zu übertragen. Der Kläger hat nicht dargetan und es ist auch sonst nicht ersichtlich, welche besonderen Gründe im Streitfall vorliegen könnten, die ein mietvertragliches Überwälzen der Arbeitsbelastung als sinnvoll erscheinen lassen könnten.
b) Der Kläger hat zwar die Zwischenvermietung an seine Ehefrau mit der Sicherung des Mietzinseingangs begründet; aufgrund der Verpflichtung seiner Ehefrau zur Zahlung des Mietzinses gehe der Mietausfall infolge Leerstehens von Wohnungen oder infolge Nichtzahlung des Mietzinses durch die Endmieter zu Lasten des Zwischenmieters. Der Sicherung des Mietertrages durch eine solche Garantenstellung im wirtschaftlichen Sinne kommt aber nur dann Bedeutung zu, wenn der Eigentümer ernsthaft mit einem Mietausfallrisiko hat rechnen müssen. Es müssen konkrete Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Vorausschau einen Mietausfall erwarten lassen (Beschluß in BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96; vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 112/76, BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 398, zu Ziff. 3 der Gründe).
Der Kläger und ihm folgend das FG haben hierzu auf die schriftliche Äußerung des Betriebsprüfers verwiesen, es habe seinerzeit in A ein Überangebot an Neubauwohnungen gegeben. Der Schluß von dieser Meinungsäußerung auf das Vorliegen eines konkreten Mietausfallrisikos ist nicht gerechtfertigt. Die Meinungsäußerung des Betriebsprüfers war nicht durch Fakten belegt. Ein konkreter Bezug zum Mietobjekt des Klägers fehlt. Nach dem Vortrag des Klägers sind auch tatsächlich nahezu keine Mietausfälle eingetreten. Der Kläger führt dies zwar auf die besondere Befähigung seiner Ehefrau zurück. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wieso der Kläger bei Abschluß des Vertrages begründeterweise davon ausgehen konnte, daß zum einen Mietausfälle entstehen konnten und zum anderen diese Mietausfälle sich nur durch das erfolgreiche Wirken seiner Ehefrau im Rahmen eines Zwischenmietverhältnisses hätten vermeiden lassen.
4. Der Senat kann offenlassen, ob der Vorsteuerabzug des Klägers auch insoweit ausgeschlossen ist, als die bezogenen Leistungen für die Vermietung der zu unternehmerischen Zwecken genutzten Wohnung verwendet worden sind (vgl. § 15 Abs. 3 UStG). Der Senat verweist hierzu auf das Urteil des V. Senats vom 16. Mai 1984 V R 10/77 (BFHE 141, 68, BStBl II 1984, 537). Danach könnte der Kläger die Vorsteuerbeträge nur abziehen, wenn seine Ehefrau auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 UStG verzichtet hätte. Einer weiteren Erörterung bedarf es nicht, weil das FA das Urteil des FG nur im eingeschränkten Rahmen seines Revisionsantrags angegriffen hat. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen. In entsprechender Anwendung gemäß § 121 FGO bedeutet dies, daß der BFH als Revisionsgericht auch nicht über den Revisionsantrag hinausgehen darf. Die Umsatzsteuer war demnach auf den vom FA beantragten Betrag festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 415639 |
BFH/NV 1988, 530 |