Leitsatz (amtlich)
Bei einer Betriebsübertragung zwischen Eltern und Kindern besteht keine Vermutung für das Vorliegen einer außerbetrieblichen Versorgungsrente, wenn Leistung und Gegenleistung einander gleichwertig sind. Dies gilt auch für den Fall, daß die Zahlungen dem Versorgungsbedürfnis der Eltern angepaßt sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1; StAnpG § 1 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb Anfang 1962 das Lebensmittelgeschäft seiner damals 58 Jahre alten Mutter und ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude, das ihm die Mutter aufgrund des von ihr vorbehaltenen Nießbrauchs zur Nutzung überließ. Der Kaufpreis für das Grundstück betrug nach dem notariellen Kaufvertrag 30 000 DM und war in monatlichen Raten bis zum Jahre 1980 zahlbar. Der Kläger war nicht berechtigt, die geschuldeten Leistungen vor Fälligkeit zu bewirken. Im Falle des Todes der Mutter sollten die Zahlungen an ihre noch nicht 24jährigen Kinder bis zum 31. Januar 1974 weiterentrichtet werden. Zu diesem Zeitpunkt vollendete ihr letztes Kind das 24. Lebensjahr. Die bis dahin zu entrichtenden Raten waren degressiv gestaffelt. Die Vertragsparteien berücksichtigten hierbei den jeweiligen Umfang der der Mutter obliegenden Unterhaltsverpflichtung.
Für die Übernahme des Geschäfts war nach einem daneben privatschriftlich abgeschlossenen Vertrag ein dem Kapitalkonto der Mutter entsprechender weiterer Betrag zu zahlen. Er war in gleicher Weise gestaffelt wie der Kaufpreis für das Grundstück. Für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks durch die nießbrauchsberechtigte Mutter hatte der Kläger auf die Dauer von 30 Jahren als Pachtzinsen bezeichnete zunächst ebenfalls degressiv gestaffelte Zahlungen zu entrichten und die mit dem Haus verbundenen Lasten und öffentlichen Abgaben zu tragen. - Weiterhin war für die "Kaufpreis- und Pachtzahlungen" eine Wertsicherungsklausel vereinbart.
In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1962 passivierte der Kläger die durch die Verträge übernommenen Verpflichtungen als sonstige Verbindlichkeiten und bildete entsprechende Aktivposten. Dabei wies er das Grundstück, das bei der Mutter wegen der nur geringfügigen betrieblichen Nutzung zum notwendigen Privatvermögen gehörte, zu 30 v. H. als Betriebsvermögen aus. Die Pachtzinsen behandelte der Kläger als Betriebsausgaben.
Nach einer Betriebsprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, daß die Zahlungen des Klägers an seine Mutter außerbetriebliche Versorgungsleistungen seien, die den gewerblichen Gewinn des Klägers nicht mindern dürften, sondern lediglich als Leibrente mit einem Ertragsanteil von 26 v. H. als Sonderausgaben abgezogen werden könnten. Es berichtigte die Einkommensteuerbescheide 1962 bis 1964 und veranlagte den Kläger für 1965 erstmalig.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage teilweise statt. Es hob die geänderten Einkommensteuerbescheide 1962 und 1963 auf, weil eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) mangels neuer Tatsachen nicht zulässig gewesen sei. Hinsichtlich der Streitjahre 1964 und 1965 wies es die Klage als unbegründet ab, weil die Leistungen des Klägers an seine Mutter private Leibrentenzahlungen gewesen seien. Die Verträge seien Teile einer vorweggenommenen Erbauseinandersetzung und der außerbetrieblichen Sphäre zuzurechnen. Selbst wenn sich Leistung und Gegenleistung objektiv entsprechen sollten, könne nicht davon ausgegangen werden, daß für die Verträge hauptsächlich kaufmännische Gesichtspunkte maßgebend gewesen seien. Nach den in den Verträgen zum Ausdruck kommenden Vorstellungen der Beteiligten habe der Versorgungsgedanke im Vordergrund gestanden. Dies ergebe sich auch aus den abgestuften Zahlungen, die nicht in erster Linie der Stundung des Kaufpreises im Interesse des Erwerbers, sondern der Versorgung der Mutter und Ausbildung der Geschwister bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres gedient hätten.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 4 Abs. 1, § 5, § 6, § 22 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -).
Er vertritt die Ansicht, die Pachtzahlungen, die Zinsanteile der Kaufpreisraten und die Mehraufwendungen aufgrund des gestiegenen Wohlfahrtssatzes seien, soweit sie auf das Betriebsvermögen entfielen, als Betriebsausgaben, im übrigen als Werbungskosten oder Sonderausgaben zu berücksichtigen. Die Verträge seien auch steuerrechtlich als Kauf- und als Pachtvertrag zu beurteilen. Leistung und Gegenleistung seien nach kaufmännischen Grundsätzen abgewogen worden und einander gleichwertig. Wegen der übrigen Geschwister sei darauf geachtet worden, daß er nicht bevorzugt werde. Das FG habe den Sachverhalt insoweit ungenügend aufgeklärt. Die der Versorgung der Mutter dienende degressive Gestaltung der Raten rechtfertige noch nicht die Annahme einer außerbetrieblichen Versorgungsrente. Selbst bei Annahme einer vorweggenommenen Erbfolge sei die Verpachtung eines Grundstücks an den Erwerber aufgrund eines vom Veräußerer vorbehaltenen Nießbrauchs grundsätzlich anzuerkennen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. August 1969 VI R 299/67, BFHE 96, 473, BStBl II 1969, 683, und vom 17. Januar 1975 III R 114/73, BFHE 114, 573, BStBl II 1975, 402). Gehe man mit dem FG von einer außerbetrieblichen Versorgungsrente aus, so müßten alle Zahlungen als dauernde Last in vollem Umfang einkommensmindernd berücksichtigt werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Merkmale einer Leibrente seien nicht gegeben, weil die Zahlungen für einen bestimmten Zeitraum zu entrichten und nicht auf das Leben der Mutter abgestellt seien.
Der Kläger beantragt, in Abänderung der Vorentscheidung den berichtigten Einkommensteuerbescheid 1964 i. d. F. der Einspruchsentscheidung aufzuheben und bei der Veranlagung für 1965 die Zahlungen an die Mutter in Höhe von 8 300 DM einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die von der Vorentscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen die Klageabweisung nicht.
1. Zu Recht rügt der Kläger, daß das FG eine private Versorgungsrente angenommen hat, ohne zu prüfen, ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig waren.
a) Dem FG ist zwar darin zu folgen, daß Vermögensübertragungen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge im allgemeinen auf außerbetrieblichem Gebiet liegen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1977 I R 52/76, BFHE 124, 432, BStBl II 1978, 332). Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Es ist im Einzelfall auch möglich, daß Leistung und Gegenleistung wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen worden sind (BFH-Urteil vom 16. Juli 1969 I R 186/66, BFHE 97, 63, BStBl II 1970, 56). Wird dies vom Steuerpflichtigen substantiiert dargetan, so muß das Gericht einem solchen Vortrag nachgehen und das Leistungsverhältnis auf seine Angemessenheit hin überprüfen. Es darf insoweit an die steuerliche Anerkennung ernstlich gewollter und bürgerlich-rechtlich einwandfrei zustande gekommener Vereinbarungen keine strengeren Voraussetzungen knüpfen als an die Beurteilung entsprechender Verträge unter einander fremden Personen. Ergibt die Überprüfung der getroffenen Vereinbarungen die Verhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung, so ist darin im allgemeinen auch bei nahestehenden Personen ein Indiz für die Abwägung der Leistungen nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu erblicken, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine solche Annahme ausschließen.
b) Im Streitfall sind solche Gründe nach den bisherigen Feststellungen des FG nicht gegeben.
Die Umdeutung der Kaufverträge und die Pachtvereinbarung in eine einheitliche Versorgungsrente ist nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil für die Festlegung der einzelnen Raten auch Versorgungsüberlegungen maßgebend waren. Der Senat schließt sich insoweit der neueren BFH-Rechtsprechung an, die zu Fällen des Nießbrauchsvorbehalts unter gleichzeitiger Verpachtung des übertragenen Grundbesitzes ergangen ist (Urteile VIR 299/67 und III R 114/73 sowie Urteil vom 24. März 1976 I R 138/73, BFHE 119, 44, BStBl II 1976, 537). Aus ihr ergibt sich, daß besondere der Versorgung des Verpächters dienende Regelungen, wie z. B. die Vereinbarung der Vertragsdauer auf Lebenszeit, die Einfügung einer Wertsicherungsklausel für den Pachtzins und die Abwälzung der Reparatur- und Instandhaltungskosten auf den Pächter, der steuerlichen Anerkennung des Pachtvertrags nicht entgegenstehen. Auch die zunächst degressive Staffelung der Raten im Streitfall gebietet nicht ohne weiteres eine hiervon abweichende Beurteilung. Die Vertragsparteien berücksichtigten zwar mit ihr den jeweiligen Umfang der der Mutter obliegenden Unterhaltsverpflichtung. Die Vereinbarung fallender und später wiederum steigender Raten schließt jedoch nicht aus, daß Kaufpreis und Pachtzins auf die Laufzeit der Verträge bezogen nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen worden sind.
2. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Sie geht deshalb gem. § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an die Vorinstanz zurück. Um die Verhältnismäßigkeit der vereinbarten Leistungen beurteilen zu können, wird das FG den gemeinen Wert des übertragenen Grund- und Betriebsvermögens und den Kapitalwert der Kaufpreisraten und der übernommenen Nießbrauchslast zu ermitteln und zu berücksichtigen haben. Weiterhin wird aufzuklären sein, ob die Beteiligten von einem angemessenen Pachtzins ausgegangen sind. Hierzu kann es erforderlich sein, aus dem kapitalisierten Pachtzins einen Durchschnittspachtzins zu errechnen und diesen mit der ortsüblichen Pacht zu vergleichen.
Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die Vereinbarungen als außerbetriebliche Versorgungsrente auszulegen sind, wird es weiter zu prüfen haben, ob die Zahlungen des Klägers als dauernde Last (Zeitrente) oder als Leibrente zu beurteilen sind. Im ersteren Fall sind sie voll, im zweiten Fall nur mit dem Ertragsanteil als Sonderausgaben abzugsfähig (zur Abgrenzung vgl. näher BFH-Urteile vom 30. November 1967 IV R 12/67, BFHE 91, 79, BStBl II 1968, 262, und vom 29. Oktober 1974 VIII R 131/ 70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173, sowie Urteil des Reichsgerichts vom 23. September 1932 VII 94/32. RGZ 137, 259).
Die zeitliche Festlegung der Raten steht der Annahme einer Leibrente nicht entgegen. Sie schließt nicht aus, daß die Zahlungen auf die Lebenszeit der Mutter abgestellt sind. Dies gilt auch für die Laufzeit des Pachtvertrags. Denn der Pachtvertrag ist in seiner zeitlichen Geltung durch die Dauer des auf Lebenszeit bestellten Nießbrauchs beschränkt. Erlischt dieser, so endet aufgrund der sich in der Person des Klägers vollziehenden Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit auch der Pachtvertrag (§ 1056, § 1061 Abs. 2, § 571 BGB).
Da hiernach bereits die Rüge der Verletzung materiellen Rechts zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, war auf die gleichfalls erhobene Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung nicht mehr einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 72995 |
BStBl II 1979, 135 |
BFHE 1979, 282 |