Entscheidungsstichwort (Thema)
Hilfeleistung in Steuersachen durch Arbeitnehmer
Leitsatz (NV)
Ein Mißbrauch der Arbeitnehmertätigkeit zur Umgehung des Verbots der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5 StBerG), der gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG die Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen rechtfertigt, ist nur dann gegeben, wenn es sich nicht um ernstgemeinte, sondern um vorgeschobene Arbeitsverhältnisse handelt. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein "Arbeitnehmer" mehrere Beschäftigungsverhältnisse eingeht und das Gesamtbild seiner Berufstätigkeit in Anbetracht der Vielzahl der "Arbeitsverhältnisse" dem Berufsbild eines freiberuflich Hilfe in Steuersachen Leistenden entspricht.
Normenkette
StBerG § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Bilanzbuchhalterin, die auch die Ausbildung als Beamtin des gehobenen Dienstes in der Finanzverwaltung mit Erfolg absolviert hat, ist seit 1986 als Angestellte bei dem Unternehmer E tätig. Sie bearbeitete dort u. a. die laufende Buchführung und erstellte die Bilanz. Ferner fertigte sie die persönliche Einkommensteuererklärung ihres Arbeitgebers. Mit einem Schreiben aus dem Jahre 1989 erhob sie Einspruch gegen den an E gerichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid 1989 und beantragte Aussetzung der Vollziehung; im Jahre 1991 legte sie für E Einspruch gegen einen Zinsfestsetzungsbescheid ein. Außerdem übte die Klägerin für ihren Arbeitgeber Tätigkeiten aus, die in keinem Zusammenhang mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten standen. Ausweislich der Lohnsteuerkarten erhielt die Klägerin im Jahre 1991 einen Arbeitslohn in Höhe von 6000 DM und im Jahre 1992 von 6900 DM. Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer wurden einbehalten und abgeführt; nach den Lohnsteuerkarten handelt es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) untersagte der Klägerin mit Bescheid vom 4. Februar 1992 unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) die Hilfeleistung in Steuersachen, insbesondere mündliche und schriftliche Beratungen, das Vorbereiten und Erstellen von Steuererklärungen, die Einlegung von Rechtsbehelfen, Anträge auf Stundung, Erlaß, Vollstreckungsaufschub und Aussetzung der Vollziehung und -- soweit mehr als nur mechanische Tätigkeiten vorzunehmen sind -- das Erstellen von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen. Die Beschwerde der Klägerin blieb im wesentlichen erfolglos.
Die Klage gegen die Untersagungsverfügung, mit der die Klägerin vortrug, eine Umgehung des Verbots der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen liege nicht vor, weil sie die untersagten Tätigkeiten im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses nach den Weisungen ihres Arbeitgebers ausübe, wurde abgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Untersagungsverfügung sei gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG zu Recht ergangen, da die Tätigkeit der Klägerin als Arbeitnehmerin zur Umgehung des Verbots der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5 Abs. 1 StBerG) mißbraucht werde. Geschäftsmäßigkeit der Hilfeleistung liege dann vor, wenn jemand ausdrücklich oder erkennbar die Absicht verfolge, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner selbständigen Beschäftigung zu machen. Nach dem Ergebnis der Anhörung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung habe diese für zwei Unternehmer, nämlich E und R, über einen Zeitraum von vielen Jahren die laufende Buchführung und die Bilanzen erstellt. Das Erstellen von Abschlüssen, Bilanzen und Überschußrechnungen (§ 4 Abs. 1 und § 5 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- bzw. § 4 Abs. 3 EStG) zähle jedoch zu dem Bereich der Buchhaltung, der den Angehörigen der steuerberatenden Berufe vorbehalten sei. Hinzu komme, daß die Klägerin eine Lehrtätigkeit an der Volkshochschule und für die Deutsche Angestellten Akademie für den Bereich der Buchführung ausübe und als Leiterin der Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins tätig sei. Diese Tätigkeiten stellten zwar keine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen dar, gleichwohl sei von Bedeutung, daß die Klägerin durch sie einem größeren Personenkreis, insbesondere wegen ihrer Spezialkenntnisse auf dem Gebiet der Besteuerung im Bereich des ... wesens, gegenüber trete. Hierdurch werde der Eindruck der Geschäftsmäßigkeit ihrer Tätigkeit verstärkt.
Der Mißbrauch ihrer Stellung als Arbeitnehmerin zur Umgehung des Verbots nach § 5 StBerG ergebe sich daraus, daß die Klägerin durch die Erstellung der Jahresabschlüsse und durch die Fertigung von Einkommensteuererklärungen für E und durch ihre mindestens teilweise Mitwirkung an der Steuererklärung des R den Bereich des § 6 Nr. 4 StBerG, wonach das Verbuchen laufender Geschäftsvorfälle vom Verbot der Hilfeleistung in Steuersachen ausgenommen sei, in beträchtlichem Umfang überschritten habe. Ein Ermessensfehlgebrauch des FA bei der Untersagung sei nicht erkennbar.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Eine Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen nach dieser Vorschrift wegen Umgehung des Verbots nach § 5 StBerG sei dann nicht gerechtfertigt, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen echter Arbeitsverhältnisse tätig sei, weil diese die Annahme von Umgehungen begrifflich ausschlössen. Sie sei für ihre Arbeitgeber E und R -- wie auch das FG nicht in Abrede stellt -- im Rahmen echter und nicht nur vorgeschobener Arbeitsverhältnisse nach deren Weisungen tätig geworden. Für E habe sie den Schriftverkehr mit dem FA mit dessen Vollmacht nur dann abgewickelt, wenn E für längere Zeit abwesend gewesen sei. Ihre Mithilfe bei der Anfertigung der Steuererklärung des R beschränke sich auf die Zusammenstellung der erforderlichen Zahlen aus der Buchführung. Die Arbeitsverhältnisse seien daher nicht von der Erledigung steuerlicher Angelegenheiten geprägt, sondern es handele sich um die typische Berufstätigkeit einer angestellten Bilanzbuchhalterin; die Erledigung der privaten steuerlichen Angelegenheiten des E sei im Verhältnis zu ihren anderen Tätigkeiten von völlig untergeordneter Bedeutung.
Eine Aufspaltung des einheitlichen Arbeitsverhältnisses in eine (erlaubte) echte Arbeitnehmertätigkeit und in eine teilweise der Umgehung des § 5 StBerG dienende scheinbare Arbeitnehmertätigkeit, die untersagt werden könne, sei nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG nicht zulässig. Da sie insgesamt den Weisungen ihres Arbeitgebers unterlegen und ihnen Folge geleistet habe, könne sie nicht teilweise geschäftsmäßig und freiberuflich -- wie das FG unterstellt habe -- Hilfe in Steuersachen geleistet haben. Denn die Geschäftsmäßigkeit setze ein selbständiges Handeln voraus.
Soweit in der Rechtsprechung und in Verwaltungsanweisungen bisher ein Mißbrauch der Arbeitnehmertätigkeit zur Umgehung des Verbots der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG angenommen worden sei, habe es sich jeweils um Fälle gehandelt, in denen die betroffene Person für eine größere Anzahl von Unternehmen tätig gewesen sei. Sie (die Klägerin) habe aber allenfalls im Rahmen von zwei Arbeitsverhältnissen Hilfe in Steuersachen geleistet. Es könne deshalb nicht -- wie bei einer Vielzahl von Arbeitsverhältnissen -- unterstellt werden, daß ihre Arbeitnehmer-Tätigkeit zu einem Teil dem Berufsbild eines Freiberuflers entspreche.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der angefochtenen Untersagungsverfügung des FA in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Voraussetzungen für eine Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen gegenüber der Klägerin gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG lagen -- entgegen der Auffassung der Finanzbehörden und des FG -- nicht vor.
1. Nach § 5 Abs. 1 StBerG dürfen andere als die in den §§ 3 und 4 des Gesetzes bezeichneten Personen und Vereinigungen nicht geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, insbesondere nicht geschäftsmäßig Rat in Steuersachen erteilen. Von dem Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen sind in § 6 StBerG bestimmte Ausnahmen zugelassen, die das FA und die OFD im Streitfall im Hinblick auf die Buchführungstätigkeit der Klägerin (vgl. § 6 Nrn. 3 und 4 StBerG) beachtet haben. Das Verbot des § 5 StBerG betrifft aber nur die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen. "Geschäftsmäßig" kann nur eine Tätigkeit sein, die selbständig ausgeübt wird. Wer in unselbständiger Tätigkeit -- also weisungsgebunden -- Hilfe in Steuersachen leistet, handelt nicht geschäftsmäßig (vgl. Gehre, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl., § 2 Anm. 3, m. w. N.; Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 5 StBerG Kommentar, B 85; Verfügung der OFD Köln in Felix/Carlé, Steuererlasse in Karteiform -- StEK --, Steuerberatungsgesetz 1975, § 5 Nr. 5 Tz. 1.2). Die steuerliche Hilfeleistung des Arbeitnehmers für seinen Arbeitgeber fällt also grundsätzlich nicht unter das Verbot des § 5 StBerG.
Dieses Ergebnis folgte bereits aus § 107 a Abs. 2 Nr. 9 der Reichsabgabenordnung (AO) i. d. F. des StBerG vom 16. August 1961 (BGBl I, 1301), wonach zur (geschäftsmäßigen) Hilfeleistung in Steuersachen u. a. Angestellte befugt waren, soweit sie Steuersachen ihres Dienstherren erledigten. Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juli 1975 (BGBl I, 1509) wurden die Vorschriften des § 107 a AO in das StBerG übernommen, um für sämtliche Personen und Vereinigungen, die zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sind, sowohl die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht als auch die notwendigen Ausübungsregelungen in einem Gesetz zusammenzufassen; dadurch sollten Inhalt und Aufbau der Vorschriften über die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen nicht verändert werden (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 7/2852, S. 29, zu 1.). Die jetzt durch die §§ 2 bis 6, 11, 12 StBerG geregelten Vorschriften über die Befugnis zu unbeschränkter und beschränkter Hilfe in Steuersachen (bisher § 107 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AO) entsprechen -- wenn auch nicht wörtlich -- im wesentlichen dem seitherigen Rechtszustand (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77, BStBl II 1980, 706, 707).
Nach den tatsächlichen Feststellungen und der fehlerfreien rechtlichen Würdigung des FG ist die Klägerin im Rahmen eines echten Arbeitsverhältnisses als Angestellte für ihren Arbeitgeber E tätig geworden. Dasselbe gilt für das vom FG angeführte Arbeitsverhältnis zu R. Auch das FA hat hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin für E, auf die sich die Untersagungsverfügung bezieht, das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht in Abrede gestellt. Nach den vorstehenden Ausführungen liegt demnach, da die Klägerin als weisungsgebundene Angestellte für E tätig ist, mangels Geschäftsmäßigkeit (Selbständigkeit) ihrer Tätigkeit eine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 5 Abs. 1 StBerG nicht vor. Das gilt für den gesamten Bereich des unselbständigen Beschäftigungsverhältnisses. Da dem Angestellten die Hilfeleistung in Steuersachen für seinen Arbeitgeber grundsätzlich nicht verboten ist, kann nicht nach der Art der steuerlichen Hilfeleistung unterschieden werden. Wenn sich -- wie im Streitfall -- das Beschäftigungsverhältnis nicht nur auf die Bearbeitung der betrieblichen, sondern auch auf die der privaten Steuerangelegenheiten des Arbeitgebers (Unternehmers) erstreckt, ist der Angestellte im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses auch zur steuerlichen Hilfeleistung hinsichtlich der Personensteuern seines Arbeitgebers befugt.
Der Arbeitgeber, der sich zur Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten eines Arbeitnehmers bedient, dessen steuerrechtliche Kenntnisse und Fähigkeiten er sowohl vor der Einstellung als auch im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses überprüfen bzw. überwachen kann, bedarf nicht in gleichem Maß des staatlichen Schutzes vor unsachgemäßer Beratung wie in den Fällen der (gelegentlichen) Inanspruchnahme steuerlicher Hilfeleistungen durch einen selbständig Tätigen. Entsprechend dazu sind etwaige fehlerhafte steuerliche Beratungsleistungen eines Angestellten -- ebenso wie Fehler des Arbeitgebers selbst -- auch für die Finanzverwaltung, da sie jeweils nur ein bestimmtes Steuerrechtsverhältnis betreffen, eher hinnehmbar als eine geschäftsmäßig (selbständig) ausgeübte unerlaubte Hilfeleistung in Steuersachen durch einen hierzu nicht Befugten, die regelmäßig die Angelegenheiten mehrerer Steuerpflichtigen betrifft.
2. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG kann aber das FA die Hilfeleistung in Steuersachen untersagen, wenn eine Tätigkeit nach den §§ 4 und 6 oder eine Tätigkeit als Arbeitnehmer zur Umgehung des Verbots nach § 5 StBerG mißbraucht wird.
a) Da im Rahmen eines echten Arbeitsverhältnisses grundsätzlich jegliche Hilfeleistung in Steuersachen erlaubt ist, kann die Frage, ob ein Mißbrauch der Arbeitnehmertätigkeit zur Umgehung des Verbots des § 5 StBerG vorliegt, nicht nach der Art der steuerlichen Hilfeleistung beurteilt werden. So hat im Streitfall -- entgegen der Auffassung des FG -- die Klägerin ihre Stellung als Arbeitnehmerin nicht bereits deshalb mißbraucht, weil sie für die Arbeitgeber E und R auch Jahresabschlüsse gefertigt und damit u. a. eine Tätigkeit ausgeübt hat, die den steuerberatenden Berufen vorbehalten ist (vgl. § 6 Nrn. 3 und 4 und § 33 StBerG). Wäre die Auffassung des FG zutreffend, so würde es angestellten Bilanzbuchhaltern unmöglich gemacht, ihren Beruf, für den sie ausgebildet und geprüft worden sind, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auszuüben. Diese Betrachtungsweise wäre mit der durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierten Berufsfreiheit nicht zu vereinbaren. Auch die Fertigung der Einkommensteuererklärungen für E und das gelegentliche Tätigwerden der Klägerin gegenüber dem FA als Bevollmächtigte des E (Einspruchsschreiben, Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) erfüllt für sich allein gesehen nicht den Mißbrauchstatbestand i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG, soweit die Klägerin diese Tätigkeiten im Rahmen eines echten Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat.
b) Von einem Mißbrauch der Arbeitnehmertätigkeit zur Umgehung des Verbots nach § 5 StBerG, der gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG die Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen rechtfertigt, ist nach Rechtsprechung und herrschender Meinung dann auszugehen, wenn es sich nicht um ernstgemeinte, sondern um vorgeschobene Arbeitsverhältnisse handelt. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein "Arbeitnehmer" mehrere Beschäftigungsverhältnisse eingeht und das Gesamtbild seiner Berufstätigkeit in Anbetracht der Vielzahl der "Arbeitsverhältnisse" dem Berufsbild eines freiberuflich Hilfe in Steuersachen Leistenden entspricht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. Juli 1955 II 154/53 U, BFHE 61, 147, BStBl III 1955, 256; BFH-Urteil vom 9. Juni 1970 VII R 20/67, BFHE 99, 344, BStBl II 1970, 642; Niedersächsisches FG, Urteil vom 21. Februar 1961 V 50/60, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1961, 419; Späth, a. a. O., § 5 StBerG Kommentar B 89; Gehre, a. a. O., § 5 Anm. 5; OFD Köln in StEK, a. a. O., Tz. 7.2).
Im Streitfall sind Anhaltspunkte dafür, daß die Tätigkeit der Klägerin für E, auf die sich die Untersagungsverfügung des FA bezieht, nicht im Rahmen eines echten Arbeitsverhältnisses nach den Weisungen des Arbeitgebers ausgeübt wird, nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen des FG haben die Beteiligten die lohnsteuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen aus dem Arbeitsverhältnis gezogen; vom FA und vom FG ist die Ernsthaftigkeit dieses Arbeitsverhältnisses nicht in Zweifel gezogen worden. Auch aus dem Gesamtbild der beruflichen Tätigkeit der Klägerin kann nicht gefolgert werden, daß diese unter dem Rechtsschein lediglich formal abgeschlossener Arbeitsverhältnisse wie eine Selbständige und damit unbefugt (§ 5 StBerG) Hilfe in Steuersachen leistet.
Im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Berufstätigkeit der Klägerin muß deren Lehrtätigkeit auf dem Gebiet der Buchführung an der Volkshochschule und für die Deutsche Angestellten Akademie außer Betracht bleiben, da sie für einen Mißbrauch der Arbeitnehmertätigkeit zur Umgehung des Verbots nach § 5 StBerG nichts hergibt. Die Lehrtätigkeit beinhaltet keine Hilfeleistung in Steuersachen. Sie ist deshalb nach dem StBerG nicht verboten, wobei es gleichgültig ist, ob sie in selbständiger oder unselbständiger Form ausgeübt wird und welche andere -- selbständige und unselbständige -- Tätigkeit neben ihr betrieben wird. Dasselbe gilt für die Tätigkeit der Klägerin als Beratungsstellenleiterin eines Lohnsteuerhilfevereins. Der Beratungsstellenleiter, der im Angestelltenverhältnis oder selbständig als freier Mitarbeiter für den Lohnsteuerhilfeverein tätig werden kann, übt als Hilfsperson des Vereins eine diesem erlaubte Hilfeleistung in Steuersachen aus (§ 4 Nr. 11 StBerG; BFH-Urteil vom 10. Dezember 1987 IV R 176/85, BFHE 152, 120, BStBl II 1988, 273).
Ein Mißbrauch der Arbeitnehmertätigkeit zur Umgehung des Verbots nach § 5 StBerG könnte demnach allein aufgrund der Arbeitsverhältnisse der Klägerin zu E und R angenommen werden. Nach den oben zitierten Rechtsprechungs- und Schrifttumsnachweisen ist der Mißbrauchstatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG nur dann gegeben, wenn der Hilfe in Steuersachen leistende "Arbeitnehmer" eine größere Zahl ("Vielzahl", "mehrere") von Beschäftigungsverhältnissen eingegangen ist. Die OFD Köln (Verfügung in StEK, a. a. O., § 5 Nr. 5, Tz. 7.2) hält bei Stundenbuchhaltern einen Mißbrauch im allgemeinen dann für gegeben, wenn mehr als fünf Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig bestehen. Bei nur zwei Arbeitsverhältnissen -- wie im Streitfall -- dürfte aber eine Umgehung des Verbots der unerlaubten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nicht in Betracht kommen.
Der Senat braucht aber auch diese Frage nicht abschließend zu entscheiden. Denn das FA hat seine Untersagungsverfügung allein auf das Arbeitsverhältnis zu E gestützt und insoweit der Klägerin die Hilfeleistung in Steuersachen verboten. Auch in der Beschwerdeentscheidung der OFD wird allein der Arbeitsvertrag der Klägerin mit E und die im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses ausgeübte steuerliche Hilfeleistung erwähnt und in bestimmtem Umfang untersagt. Da die Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG eine Ermessensentscheidung darstellt, deren Rechtmäßigkeit allein aufgrund des Sachverhalts zu beurteilen ist, den die Verwaltung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, muß das erst vom FG festgestellte zweite Arbeitsverhältnis der Klägerin zu R bei der gerichtlichen Überprüfung des Verwaltungsermessens außer Betracht bleiben. Denn die Gerichte dürfen die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen der behördlichen Ermessensbetätigung nicht erweitern. Allein aufgrund des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zu E, an dessen Echtheit und Ernsthaftigkeit -- wie oben ausgeführt -- keine Zweifel bestehen, kann aber ein Mißbrauch i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG zur Umgehung des Verbots der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen nicht angenommen werden.
3. Da das Urteil des FG auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Untersagungsverfügung i. d. F. der Beschwerdeentscheidung war ebenfalls aufzuheben, da die Klägerin ihre Tätigkeit als Arbeitnehmerin des E nicht zur Umgehung des Verbots nach § 5 StBerG mißbraucht.
Fundstellen
Haufe-Index 420707 |
BFH/NV 1996, 81 |