Leitsatz (amtlich)
1. Verletzt ein Arbeitnehmer, der sein Kraftfahrzeug nicht mehr oder in wesentlich geringerem Umfang zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt, seine Verpflichtung, die Berichtigung der Lohnsteuerkarte zu beantragen (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz LStDV 1965), so kann das FA Lohnsteuer nach § 223 AO nachfordern.
2. Im Nachforderungsverfahren muß das FA steuerermäßigende Besteuerungsgrundlagen auch insoweit berücksichtigen, als der Arbeitnehmer die Ermäßigungsgründe im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren hätte vorbringen könne, auch wenn die Frist für den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch das FA bereits verstrichen ist.
2. Im Rahmen des Nachforderungsverfahrens kann der Arbeitnehmer mit nachträglich geltend gemachten Ermäßigungsgründen eine Erstattung einbehaltener Lohnsteuer jedoch nicht verlangen.
Normenkette
AO §§ 96, 223; EStG § 51 Abs. 1 Nr. 1; LStDV 1965 § 20 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz, § 28a Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Bei der Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für 1966 hatte der Beklagte und Revisionskläger (FA) u. a. Werbungskosten in Höhe von 5 000 DM für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigt. Am 1. September 1966 wechselte der Kläger seine Arbeitsstelle. Hierdurch ergab sich eine Ermäßigung seiner Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf 4 000 DM. Von diesem Sachverhalt erfuhr das FA im Juni 1967 durch eine Kontrollmitteilung. Bevor es einen Nachforderungsbescheid erließ, reichte der Kläger eine Übersicht aller Werbungskosten und Sonderausgaben des Jahres 1966 ein. Diese Übersicht enthält über die im Lohnsteuerermäßigungsverfahren angegebenen Beträge hinaus höhere Werbungskosten und Sonderausgaben. Die Erhöhungsbeträge sind insgesamt höher als die 1 000 DM, um die die Fahrtkosten nach dem Wechsel der Arbeitsstätte zu hoch berücksichtigt waren.
Das FA lehnte es ab, die bei den Fahrtkosten entstandene Differenz durch die nachträglich dargelegten Werbungskosten und Sonderausgaben als ausgeglichen zu betrachten mit der Begründung, daß die Frist für einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich abgelaufen sei. Es forderte nach § 28a LStDV 190 DM Lohnsteuer nach.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage des Klägers statt und hob den Lohnsteuernachforderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Es führte aus, beim Steuerabzug vom Arbeitslohn sei nicht zu wenig Lohnsteuer einbehalten worden. Die Vorschrift des § 28a LStDV wolle und könne nicht die Bestimmungen des EStG über die Einkommensermittlung und damit auch nicht den Abzug von Werbungskosten und Sonderausgaben in der Weise einschränken oder ersetzen, daß Lohnsteuer nachgefordert werden könnte, obwohl nach der materiellen Rechtslage des Einkommensteuergesetzes eine Steuerforderung nicht bestehe. Es komme auch nicht der Grundsatz der Rechtssicherheit zum Zuge. Im vorliegenden Falle habe ein Steuerfestsetzungsverfahren, das zu schützen wäre, noch nicht stattgefunden. Die Nachforderung nach § 28a LStDV 1965 sei innerhalb der Verjährungsfrist ohne zeitliche Begrenzung möglich. Wenn aber in diesem unbefristeten Verfahren ohnehin eine Ermittlung der zutreffenden Lohnsteuer stattfinden müsse, sei es nicht gerechtfertigt, Steuerermäßigungsgründe bewußt außer Betracht zu lassen, nur weil diese wegen Fristablaufs das besondere, befristete Erstattungsverfahren des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nicht mehr auslösen könnten. Diese Auffassung bedeute keine Aushöhlung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahrens; denn sie könne nicht dazu führen, daß dem Kläger trotz Ablaufs der Antragsfrist für den Lohnsteuer-Jahresausgleich Steuerbeträge erstattet würden. Die erstmalig zutage tretenden Steuerermäßigungsgründe seien im Rahmen des Nachforderungsverfahrens vielmehr nur insoweit von Bedeutung, als sich durch ihre Mitberücksichtigung ergebe, daß nicht zu wenig Einkommensteuer gezahlt wurde und daß mithin auch ein Nachforderungsrecht nicht bestehe. Unabhängig von diesen Überlegungen fehle es aber auch an einer gesetzlichen Ermächtigung, soweit angenommen werde, daß § 28a LStDV 1965 das nachträgliche Vorbringen von Ermäßigungsgründen ausschließe. Die allein in Betracht kommende Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG decke unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zwar das Nachforderungsrecht als solches ab. Ein Ausschluß von Steuerermäßigungsgründen würde jedoch bedeuten, daß sowohl von den einkommensteuerlichen Grundsätzen über die Ermittlung der Einkünfte abgewichen als auch gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen würde. Eine solche Regelung wäre mithin durch die Ermächtigung des Gesetzgebers nicht gedeckt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 38 Abs. 3 Nr. 3, § 46 Abs. 4 EStG, des § 46 Abs. 2 Nr. 4 und § 28a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 LStDV 1965. Das FA führt aus: Es werde nicht bestritten, daß der Kläger nach materiellem Steuerrecht nicht zu wenig Lohnsteuer gezahlt habe. Dieser Umstand sei aber wegen Ablaufs der Frist für die Beantragung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs aus formellen Gründen ohne Bedeutung. Das FG berücksichtige nicht hinreichend die Besonderheiten, die dem Lohnsteuerabzugsverfahren eigen seien. Es setze sich auch in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BFH (z. B. Urteile vom 3. Juli 1959 VI 220/57 S, BFHE 69, 235, BStBl III 1959, 351, und vom 20. Dezember 1957 VI 105/55 U, BFHE 66, 217, BStBl III 1958, 84). Im Lohnsteuerrecht gelte das Steuerkartenprinzip, d. h. daß für die Berechnung und Einbehaltung der Lohnsteuer die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers maßgebend seien. Das Lohnsteuerverfahren und auch die Maßgeblichkeit der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte hätten nicht nur vorläufigen Charakter. Lediglich für wenige bestimmte Sonderfälle werde die Endgültigkeit der Eintragungen gesetzlich durchbrochen. Dazu gehöre der Fall, daß ein Fahrzeug, für dessen Benutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einem Arbeitnehmer ein erhöhter Werbungskostenfreibetrag eingetragen worden sei, nicht oder nicht mehr in dem ursprünglich angegebenen Umfang für diese Fahrten verwendet werde. Verletze der Arbeitnehmer seine Anzeigepflicht (§ 28a Abs. 1 Nr. 2 LStDV 1965), so habe das FA den sich insoweit ergebenden Lohnsteuermehrbetrag nach § 46 LStDV 1965 nachzufordern. Diese Regelung bedeute, daß ausnahmsweise ein bewilligter steuerfreier Betrag rückwirkend geändert oder zurückgenommen werde. Die Nachforderung beschränke sich aber jeweils punktuell nur auf den Teil des insgesamt eingetragenen oder bei dem Lohnsteuer-Jahresausgleich berücksichtigten steuerfreien Betrages, auf den sich die Änderung oder Zurücknahme beziehe. Unbenommen bleibe dem Arbeitnehmer das Recht, im Rahmen der gesetzlichen Fristen im Ermäßigungsverfahren oder beim Lohnsteuer-Jahresausgleich erneut steuerfreie Beträge geltend zu machen. Seien diese Fristen abgelaufen, so sei ein Arbeitnehmer mit allen Einwendungen, die rückwirkend noch zu einer Erhöhung oder auch nur Egalisierung des steuerfreien Betrages der Lohnsteuerkarte bzw. des Steuerfreibetrages im Lohnsteuer-Jahresausgleich führen würden, im Nachforderungsverfahren nach § 28a LStDV 1965 ausgeschlossen. § 232 AO sei hier nicht, auch nicht entsprechend anwendbar (BFH-Urteil VI 220/57 S).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Zwar war das FA an sich zu einer Nachforderung von Lohnsteuer berechtigt, nachdem es von der geringeren Nutzung des Kraftahrzeugs durch den Kläger zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Kenntnis erlangt hatte. Wegen anderer von Kläger bisher nicht geltend gemachter Freibeträge ergibt sich hierdurch aber kein niedrigerer steuerfreier Betrag, als er bisher auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war.
Die Berechtigung zur Nachforderung von Lohnsteuer ergibt sich für das FA aus § 223 AO. § 28a LStDV 1965 wiederholt lediglich den in § 223 AO niedergelegten Rechtsgrundsatz und hat insoweit keine rechtsbegründende Bedeutung. Nach § 223 AO sind Nachforderungen von Steuern bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig, soweit nicht die Vorschriften des § 222 AO Platz greifen oder sonst etwas Abweichendes vorgeschrieben ist. § 222 AO greift nicht ein, weil über die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte kein förmlicher schriftlicher Bescheid erteilt worden ist. Eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder ein Lohnsteuer-Jahresausgleich sind nicht durchgeführt worden.
§ 96 AO steht der Zulässigkeit einer Nachforderung gleichfalls nicht entgegen. Wie der BFH im Urteil vom 12. Mai 1955 IV 69/55 U (BFHE 61, 39, BStBl III 1955, 213) ausgeführt hat, ist die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte eine Vergünstigung im Sinne des § 96 AO. Diese Vergünstigung konnte indessen nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 AO zurückgenommen werden, weil der Kläger eine Bedingung oder Verpflichtung, die ihm bei Gewährung der Vergünstigung auferlegt worden war, nicht erfüllt hat. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz LStDV 1965 war der Kläger nämlich verpflichtet, unverzüglich die Berichtigung seiner Lohnsteuerkarte zu beantragen, als sich herausstellte, daß er das Kraftfahrzeug in wesentlich geringerem Umfang als bei der Eintragung des steuerfreien Betrags angenommen, für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verwendete. Diese Verpflichtung ist dem Kläger zwar nicht ausdrücklich bei der Bewilligung des steuerfreien Betrages auferlegt worden. Der Verordnungsgeber war aber aufgrund der Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Buchst. c EStG berechtigt, den Arbeitnehmern ganz allgemein eine solche Verpflichtung aufzuerlegen. Nach dieser Ermächtigung dürfen Rechtsverordnungen u. a. zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens erlassen werden auch über die Regelung der Steuerabzüge. Bei Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit eigenem Kraftfahrzeug sind die Arbeitnehmer oft zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht in der Lage, genau zu übersehen, in welcher Höhe derartige Aufwendungen bei ihnen anfallen werden. Die FÄ wären deshalb an sich berechtigt, in derartigen Fällen nach § 27 Abs. 3 LStDV 1965 vorläufige Eintragungen vorzunehmen, die dann aber zum Schluß des Kalenderjahres in jedem Falle überprüft werden müßten. Es dient der Vereinfachung des Verfahrens, wenn in diesen Fällen grundsätzlich von einer vorläufigen Eintragung abgesehen und stattdessen der Arbeitnehmer verpflichtet wird, bei Änderungen von sich aus die Berichtigung seiner Lohnsteuerkarte zu beantragen. Dieses Verfahren bedeutet, daß das FA nur diejenigen Eintragungsfälle noch einmal behandeln muß, in denen sich tatsächlich Änderungen ergeben haben. Es ist eine zwingende Folge dieses vereinfachenden Verfahrens, daß das Zurücknahmeverbot des § 96 AO dann nicht zum Zuge kommen kann, wenn ein Arbeitnehmer gegen seine Verpflichtung, die Berichtigung der Lohnsteuerkarte zu beantragen, verstoßen hat. In § 38 Abs. 3 Nr. 3 EStG 1965 geht auch der Gesetzgeber von der Wirksamkeit derartiger, dem Arbeitnehmer auferlegter Verpflichtungen aus, wenn er für den Fall der Verletzung einer solchen Verpflichtung ausdrücklich die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers statt des Arbeitgebers zuläßt.
Nach § 223 AO sind unter den dort genannten Voraussetzungen "Nachforderungen von Steuern" zulässig. Diese Bestimmung sagt über die Höhe der Nachforderung und ihre Berechnung im einzelnen nichts aus. Sie knüpft also insoweit an die allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften an und setzt diese voraus. Aus § 28a LStDV 1965 kann, wie das FG ebenfalls zutreffend dargelegt hat, schon deshalb keine Abweichung von den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften hergeleitet werden, weil die Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG dies nicht decken würde. Nachgefordert kann demnach, worauf das FG zutreffend hinweist, nur eine Steuer werden, die nach der materiellen, sich aus dem Einkommensteuerrecht ergebenden Rechtslage geschuldet wird.
Wird bei einem Arbeitnehmer, der keinen fristgerechten Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch das FA gestellt hat, Lohnsteuer nachgefordert, so darf das FA solche Ermäßigungsgründe, die der Arbeitnehmer im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren hätte geltend machen können, bei der Errechnung der Nachforderung nicht unberücksichtigt lassen. Der Lohnsteuer-Jahresausgleich kennt nur eine Erstattung zuvor einbehaltener Steuern, nicht aber eine Nachforderung von Lohnsteuer. Die Folgen einer Fristversäumnis können deshalb auch nur darin bestehen, daß der Arbeitnehmer nunmehr keine Erstattung zuvor einbehaltener Steuern mehr verlangen kann. Der Grundsatz, daß im Nachforderungsverfahren von der materiell richtigen Steuer auszugehen ist, wird, wie das FG zutreffend hervorhebt, nur in dem Sinne berührt, daß das Nachforderungsverfahren nicht zu einer - dem Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren vorbehaltenen - Erstattung von Lohnsteuer führen darf. Die genannten Entscheidungen des Senats VI 105/55 U und VI 220/57 S befassen sich mit der Frage, inwieweit der Arbeitgeber im Haftungsverfahren Einwendungen des Arbeitnehmers vorbringen kann. Die in diesem Verfahren anzuwendenden Grundsätze können schon deshalb nicht ohne weiteres auf das Nachforderungsverfahren gegenüber dem Arbeitnehmer übertragen werden, weil der Arbeitgeber bei der Einbehaltung der Lohnsteuer grundsätzlich an die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte gebunden ist, während im Nachforderungsverfahren gegenüber dem Arbeitnehmer grundsätzlich nur die nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften geschuldete Steuer eingefordert werden kann. Soweit der Senat in den genannten Entscheidungen Ausführungen auch darüber gemacht hat, welche Einwendungen dem Arbeitnehmer im Nachforderungsverfahren nach Ablauf der Frist für die Beantragung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zustehen, hält er hieran nicht fest.
Die Auffassung des Senats, daß im Nachforderungsverfahren Ermäßigungsgründe nachgeschoben werden können, steht in Einklang mit der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 Gr. S. 1/66 (BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344) zum Begriff des Streitgegenstandes im steuergerichtlichen Verfahren. Streitgegenstand ist hiernach nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Bescheids. Ein Nachforderungsbescheid ist demnach nur rechtmäßig, wenn die nachgeforderte Steuer unter Berücksichtigung der bereits entrichteten Steuer von der Gesamtheit der Besteuerungsmerkmale getragen wird. Die Bestandskraft etwa vorher ergangener Entscheidungen (z. B. im Lohnsteuer-Jahresausgleich) bezieht sich nicht auf die Besteuerungsmerkmale und steht daher auch deren späterer Berücksichtigung nicht im Wege.
Die Auffassung des Senats vermeidet schließlich auch eine unterschiedliche Behandlung von Lohnsteuerpflichtigen und Veranlagten. Das BVerfG hat in mehreren Entscheidungen (z. B. vom 13. Dezember 1967 1 BvR 679/64, BVerfGE 23, 1, BStBl II 1968, 70, HFR 1968, 90; vom 25. April 1972 1 BvL 38/69 u. a. , HFR 1972, 437, und vom 25. April 1972 1 BvL 30/70, HFR 1972, 439, zur unterschiedlichen Kinderfreibetragsregelung) betont, daß abweichende Regelungen nur dann nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn sie durch die Besonderheiten des Veranlagungs- oder des Lohnsteuerabzugsverfahrens hinreichend gerechtfertigt sind. Veranlagte Steuerpflichtige können nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO bei Bekanntwerden neuer Tatsachen oder Beweismittel im Zuge der Wiederaufrollung des Steuerfalles alle steuerermäßigenden Gesichtspunkte, auch soweit sie im Veranlagungsverfahren nicht vorgebracht waren, geltend machen. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtskraft der früheren Veranlagung dem Nachschieben von Ermäßigungsgründen nicht entgegengehalten werden kann, dann erscheint es auch nicht gerechtfertigt, einen nichtveranlagten Arbeitnehmer im Lohnsteuernachforderungsverfahren mit Rücksicht auf den Ablauf der Frist für den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs (oder auch mit dem Hinweis auf einen durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleich, in dem er die Gründe nicht vorgebracht hatte) mit nachgeschobenen Ermäßigungsgründen auszuschließen. Dem Rechtsgedanken des § 232 AO, nach dem Berichtigungsbescheide nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht, entspricht es, daß, wie oben ausgeführt, der Lohnsteuerpflichtige im Nachforderungsverfahren keine Erstattung von Lohnsteuern verlangen kann.
Der Kläger konnte hiernach die bisher nicht berücksichtigten Aufwendungen noch nachträglich im Nachforderungsverfahren bis zur Höhe der nicht berücksichtigungsfähigen Aufwendungen geltend machen. Ein Nachforderungsanspruch des FA besteht daher nicht, wie die Vorentscheidung im Ergebnis zutreffend festgestellt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 70389 |
BStBl II 1973, 423 |
BFHE 1973, 338 |