Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaß von Hypothekengewinnabgabe

 

Leitsatz (NV)

Zu den Voraussetzungen eines Erlasses von Hypothekengewinnabgabe wegen ungünstiger Ertragslage

 

Normenkette

LAG § 129; 17. Abgaben-DV LA § 4 Abs. 3 S. 1, § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) einen Anspruch auf Erlaß von Hypothekengewinnabgabe (HGA) gemäß § 129 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) für den Erlaßzeitraum 1968 mit 1970 hat.

Die Klägerin, eine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft, ist unter anderem Eigentümerin der 1936 errichteten, einfachst ausgestatteten Wohnanlagen A und B (künftig als Grundstück G I bezeichnet) sowie der ebenfalls 1936 errichteten und einfachst ausgestatteten Wohnanlage C und D (künftig G II), jeweils in der Gemarkung X. Im Erlaßzeitraum 1968 mit 1970 ruhte auf G I eine HGA von 11 252,10 DM und auf G II eine von 8 321,88 DM.

Mit Anträgen vom 7. September 1971 begehrte die Klägerin den Erlaß der HGA wegen ungünstiger Ertragslage. Nach den Berechnungen der Klägerin ergab sich für G I ein Verlust von rd. . . . DM und für G II ein solcher von . . . DM. Der Berechnung liegt eine durchschnittliche Quadratmetermiete einschließlich Umlagen von 1,43 DM für G I und 1,44 DM für G II zugrunde. Demgegenüber ermittelte die Oberfinanzdirektion (OFD) M. für G I einen Überschuß von rd. 28 500 DM und für G II einen Überschuß von rd. 7 400 DM. Dementsprechend lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) mit Bescheiden vom 25. April 1974 für G I den beantragten Erlaß in vollem Umfang ab, für G II sprach er den Erlaß nur insoweit aus, als die im Erlaßzeitraum fällige HGA den Überschuß überstieg.

Im Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin vor allem dagegen, daß das FA bei der Berechnung der Erlaßgrundlagen nicht die tatsächlich erzielten Einnahmen zugrunde gelegt hatte, sondern zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß sie, die Klägerin, entgegen den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung Grundstückserträge nicht gezogen habe.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 1977 wies das FA den G I betreffenden Einspruch als unbegründet zurück. Dabei errechnete es einen Überschuß von nunmehr . . . DM. Dem liegt eine Quadratmetermiete einschließlich Umlagen von 1,80 DM zugrunde.

Mit weiterer Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 1977, die G II betraf, erließ das FA unter Änderung des Erlaßbescheides vom 25. Mai 1974 die HGA insoweit, als sie den Betrag von rd. 3 300 DM überstieg. In dieser Höhe hatte sich seiner Ansicht nach auf der Grundlage eines Quadratmeterpreises einschließlich Umlagen von 1,67 DM ein Grundstücksüberschuß ergeben.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und das FA verpflichtet, die HGA im Erlaßzeitraum 1968 bis 1970 für die fraglichen Grundstücke in vollem Umfang zu erlassen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Abs. 3 Satz 1 der Siebzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (17. AbgabenDV-LA). Mit der Festsetzung der niedrigen Mieten habe die Klägerin deshalb gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Bewirtschaftung (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 der 17. AbgabenDV-LA) verstoßen, weil sie zur Erhaltung des Wohnwerts der Mietobjekte eine höhere Quadratmetermiete hätte fordern müssen. Bei der für die Ermittlung der Sollmieten maßgeblichen Wirtschaftlichkeitsberechnung habe sie einen zu niedrigen Betrag für Instandhaltungskosten angesetzt.

Die Klägerin habe auch nicht den Nachweis erbracht, daß die höhere Kostenmiete marktmäßig nicht durchsetzbar gewesen sei. Sie habe nicht einmal versucht, ihren Mietern diese Miete in Rechnung zu stellen. Entsprechende Versuche wären nicht ohne Erfolgsaussichten gewesen. Die von der Klägerin eingereichten Mietspiegel seien kein Beleg für die Undurchsetzbarkeit der Kostenmiete, zumal sie nicht erkennen ließen, nach welchen Kriterien sie berechnet sind, und ob sie selbst das Ergebnis vergeblicher Bemühungen um die Erhebung der Kostenmiete darstellen. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen die vom FA vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung, die zu einer zutreffenden Kostenmiete führe, nicht richtig sei. Die Auffassung des FG werde auch nicht durch den Zusatzerlaß zur AbgabenDV-LA (Erlaß des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 26. März 1962, BStBl II 1962, 778) gedeckt. Einer der unter Tz. 5 Abs. 1 zu § 5 dieses Erlasses angeführten Ausnahmefälle liegen im Streitfall nicht vor. Ein Unterschreiten der üblichen Miete im Umfang von bis zu 20 % sei nicht möglich. § 4 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA enthalte ebensowenig wie die Berechnungsverordnung eine Bagatellgrenze.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin hat sich zur Revision nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 129 Abs. 1 LAG können fällige Leistungen aus einer Abgabeschuld auf Antrag erlassen werden, soweit sie nach Maßgabe der Ertragsberechnung aus den Erträgen des Grundstücks nach Abzug der Bewirtschaftungskosten und der nach Abs. 2 zu berücksichtigenden Zinsen für vorgehende Rechte Dritter nicht aufgebracht werden können. Grundlage für die Erlaßentscheidung ist die Ertragsberechnung, die in der 17. AbgabenDV-LA entsprechend der Ermächtigungsbestimmung in § 129 Abs. 3 LAG nach dem Vorbild der Verordnung über die Wirtschaftlichkeits- und Wohnflächenberechnung für neugeschaffenen Wohnraum (Berechnungsverordnung) vom 20. November 1950 (BGBl I 1950, 753) geregelt worden ist.

a) Die Ertragsberechnung ist im Grundsatz eine Geldrechnung als Ist-Rechnung (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 und § 8 der 17. AbgabenDV-LA). Es sind demnach die tatsächlich zugeflossenen Erträge in der Ertragsberechnung einzusetzen.

Nach § 5 der 17. AbgabenDV-LA sind Grundstückserträge in Höhe der tatsächlich erzielten Einnahmen anzusetzen. Wird deshalb ein Grundstück durch Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten genutzt, so ist grundsätzlich die tatsächliche Mieteinnahme der maßgebliche Grundstücksertrag im Sinne des § 129 LAG.

b) Die Besonderheit und das Kennzeichen der Geldrechnung liegen in dem Zufließen. Das Zufließen kann rein tatsächlicher Art sein. Regelmäßig hat es seinen Grund in rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorgängen. Aus dieser grundsätzlichen Regelung folgt umgekehrt, daß das, was dem Eigentümer des Grundstücks nicht zugeflossen ist, auch nicht in die Ertragsberechnung aufgenommen wird. Dieser Grundsatz wird jedoch in zweierlei Hinsicht durchbrochen. Neben der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 der 17. AbgabenDV-LA, die im Streitfall nicht einschlägig ist, sind nach Abs. 3 des § 4 der 17. AbgabenDV-LA Erträge, die entgegen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung des Grundstücks nicht gezogen worden sind, in der Ertragsberechnung anzusetzen. Unter dem Begriff ,,Grundsätze einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung eines Grundstücks" ist das zu verstehen, was ein ordentlicher, sparsam wirtschaftender und auf die fristgerechte Tilgung der auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen Lasten und anderer Grundpfandrechte bedachter Grundstückseigentümer für richtig hält. Ob ein Ertrag entgegen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nicht gezogen worden ist, kann nur nach zeitlich und auch örtlich oft der Veränderung unterliegenden wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. August 1965 III 272/62 U, BFHE 83, 592, BStBl III 1965, 714).

Der Grundsatz der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung kann zur Folge haben, daß nicht zugeflossene Einnahmen, gleichgültig, ob es sich dabei um Geldeinnahmen oder um einen diesen gleichgeachteten Sachnutzen handelt, trotzdem als Soll-Einnahmen in die Ertragsberechnung aufzunehmen sind. Dazu rechnen grundsätzlich z. B. auch die aufgrund der wohnungs- und preisrechtlichen Vorschriften erhebbaren Mehrmieten (vgl. Kühne/Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Anm. 4 zu § 5 der 17. AbgabenDV-LA). Der Grundstückseigentümer soll aber keinesfalls durch allzu strenge Auslegung des Begriffs ,,ordnungsgemäße Bewirtschaftung" zu jeder Ausschöpfung der Erträge aufgrund der ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Möglichkeiten gezwungen werden. Dies kommt auch in dem Zusatzerlaß zur 17. AbgabenDV-LA (abgedruckt bei Harmening, Lastenausgleich, Kommentar, Anlage 4 zu § 129 LAG) zum Ausdruck. Danach widerspricht nicht jeder Verzicht auf Erträge, die erzielt werden können, den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bewirtschaftung des Grundstücks. Vielmehr bleibt auch im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung häufig ein Spielraum für die Entschließung des Grundstückseigentümers, ob er die ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Erzielung aller erzielbaren Erträge voll ausschöpfen will. So müssen beispielsweise zulässige Mieterhöhungen besonderer Art, wie sie in den § 8 und § 43 des Ersten Bundesmietengesetzes (BMietG) vom 27. Juli 1955 (BGBl I 1955, 458) geregelt sind (Anhebung auf die Kostenvergleichsmiete, Ausgleich von Krisenmieten), sowie eine zulässige Mietvereinbarung nach § 3 BMietG unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks nicht notwendig durchgeführt werden (Zusatzerlaß, a.a.O., S. 45 ff.). Andererseits ist es nach dem BMF-Erlaß mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung nicht vereinbar, wenn bei dem hier nur in Betracht kommenden ertragsschwachen Grundbesitz auch die zulässigen Mieterhöhungen allgemeiner Art unausgeschöpft bleiben würden. Ferner soll der Verzicht auf Erträge, der auf dem persönlichen Verhältnis zwischen dem Grundstückseigentümer und einem Mieter oder sonstigen bewirtschaftungsfremden Erwägungen beruht, nicht zu einem HGA-Erlaß führen können, da es nicht angeht, daß der Grundstückseigentümer auf Kosten der HGA großzügig ist (vgl. BTDrucks 282/55, Begründung zur 17. AbgabenDV-LA, zu § 4, abgedruckt bei Harmening, a.a.O., Anlage 3 zu § 129 LAG, S. 24 ff.). Der Grundstückseigentümer hat jedoch die Möglichkeit, für den einzelnen Fall nachzuweisen, daß das Absehen von einer Mieterhöhung im Rahmen der ordnungsgemäßen Grundstücksbewirtschaftung gelegen hat (vgl. dazu Harmening, a.a.O., Anlage 4 zu § 129 LAG, S. 47).

2. Danach hat das FG zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen eines HGA-Erlasses angenommen. Dabei kann der Senat unerörtert lassen, ob die Klägerin von einer allgemein zulässigen Mieterhöhung Abstand genommen hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, so wäre dies gleichwohl mit einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung vereinbar. Das FA trägt selbst vor, daß die Klägerin die Mieterhöhung nicht unterlassen habe, um einen HGA-Erlaß zu erreichen. Es ist darüber hinaus revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen zum Ergebnis gelangt, daß im Erlaßzeitraum eine höhere als die von der Klägerin in Rechnung gestellte Miete nicht erzielbar gewesen sei. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung ist aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Bestätigungen von drei weiteren Wohnungsgesellschaften, wonach für in X gelegene, vergleichbar ausgestattete Wohnanlagen Quadratmetermieten von nicht über 1,30 DM erzielt worden seien, möglich. An sie ist der Senat gebunden. Demgegenüber ist der Einwand des FA, die Klägerin hätte versuchen müssen, die höhere Kostenmiete durchzusetzen, nicht begründet. Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß die Kostenmiete nicht erzielbar ist, und daß sich der tatsächlich in Rechnung gestellte Mietzins am vorhandenen Markt orientiert, so ist es nicht erforderlich, gegen Mieter einen Rechtsstreit zu führen. Der Zusatzerlaß des BMF selbst trägt dem Rechnung, indem er beispielsweise aufführt, daß selbst das Absehen von einer Mieterhöhung aufgrund von Kosten-Nutzen-Überlegungen mit einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks vereinbar sein kann (vgl. zu § 5 Nr. 5 des Erlasses). Wie hoch die Kostenmiete tatsächlich wäre, ist bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht mehr entscheidungserheblich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413892

BFH/NV 1986, 50

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