Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von ,,Hagebuttenfeinschnitt"
Leitsatz (NV)
1. Herstellungsart als Tarifierungsmerkmal bei ,,Mehl".
2. Feinschnitt von Hagebutten ist selbst bei mehlartiger Beschaffenheit kein Mehl (von Früchten).
3. Getrocknete Hagebutten sind aufgrund ihrer allgemeinen Verwendung zolltariflich Früchte der hauptsächlich zu Zwecken der Medizin verwendeten Art.
Normenkette
KN Unterpos. 1211 9090, 1106 3090; KN Pos. 0813; KN Pos. 1104
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) - Nr. . . . vom . . . 1989 - über ,,Hagebuttenfeinschnitt", fein zerkleinertes, getrocknetes Material von Hagebutten mit zurücktretendem Gehalt an Hagebuttenfrüchten (,,Kernen"), laut Warenbeschreibung mit der Beschaffenheit eines Mehles aus getrockneten Hagebutten, unter Zuweisung der Ware zu Unterposition 1106 3090 der Kombinierten Nomenklatur - KN - (Mehl von Erzeugnissen des Kapitels 8). Der Einspruch der Klägerin, mit dem diese die Einreihung in Position 0813 (getrocknete Früchte) bzw. Position 1211 (Früchte der hauptsächlich zu Zwecken der Medizin verwendeten Art) anstrebte, wurde zurückgewiesen. Es liege - so die OFD - nach der Zerkleinerungsform Mehl vor; da in Position 1104 geschnittene Erzeugnisse aufgeführt seien, ständen Schneideprozesse einer Einreihung des Feinschnitts als Mehl der Position 1106 nicht entgegen.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung ausgeführt wird, die Ware gehöre zu Unterposition 1211 9090; ihr medizinischer Verwendungszweck werde durch das Schrifttum belegt. Hilfsweise komme auch eine Zuordnung zu Position 0813 in Betracht. Die Position 1106 scheide aus, da der Feinschnitt durch Schneiden, nicht durch ein Mahlverfahren gewonnen werde. Auf den Wortlaut der Position 1104 dürfe die Tarifierung nicht gestützt werden. Im übrigen beruft die Klägerin sich auf ein von ihr eingeholtes Gutachten.
Die OFD trägt vor, Hagebutten seien zolltariflich keine Früchte der hauptsächlich zu Zwecken der Medizin verwendeten Art. Da der Hagebuttenfeinschnitt durch Schneiden, eine für Kapitel 11 zulässige Bearbeitung, gewonnen worden sei, dürfe die Einreihung in die Position 1106 auf den Wortlaut der Position 1104 gestützt werden. Für ein ,,Mehl" von Hagebutten sei nicht der hohe Feinheitsgrad von Getreidemehlen zu fordern; es genüge, daß es sich um eine feine Schnittdroge handele.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide und, entsprechend dem als Verpflichtungsbegehren zu verstehenden Klageantrag, zur Verpflichtung der OFD, die Ware in einer neu zu erteilenden vZTA in die Unterposition 1211 9090 KN einzureihen.
Entgegen der Auffassung der OFD liegt kein Erzeugnis der Position 1106 vor. Hagebutten sind zwar Erzeugnisse des Kapitels 8 (genießbare Früchte); sie gehören frisch zu Position 0810 (Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu Position 0810 Rdziff. 07.0), getrocknet zu Position 0813 (vgl. ErlHS zu Position 0813 Rdziff. 02.0). Die Ware ist jedoch kein ,,Mehl". Wie die ErlHS (zu Kapitel 11 Rdziff. 02.0 für Getreide usw.) bestätigen, ist Mehl ein aus der Vermahlung gewonnenes Produkt. Die Art und Weise der Herstellung ist bei Mehl ein tarifierungsbestimmendes objektives Merkmal (zu diesem Merkmal allgemein Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Mai 1989 Rs. 40/88, EuGHE 1989, 1395, 1418, und vom 8. Dezember 1987 Rs. 42/86, EuGHE 1987, 4817, 4831). Der ,,Feinschnitt" ist kein Mehl, weil er, was unstreitig ist, durch Schneiden hergestellt worden ist. Daraus, daß Kapitel 11 auch anders bearbeitetes Getreide erfaßt (z. B. geschnittene Getreidekörner; Position 1104), läßt sich nicht herleiten, daß genügend feingeschnittene Früchte Mehl seien. Soweit nach den ErlHS (a.a.O., Rdziff. 05.0) hinsichtlich anderer Rohstoffe als Getreide auf die in den einzelnen Positionen des Kapitels 11 vorgesehenen Herstellungsverfahren abgestellt wird, ist darin nur ein Hinweis auf die nach den einschlägigen Positionen jeweils zulässige Verarbeitung zu sehen. Der Tarifbegriff ,,Mehl von Früchten", der auf die Gewinnungsart hinweist - ebenso wie die Warenansprache ,,Mehl von Getreide" -, soll (und kann) nicht erweitert werden. Da im Hinblick auf die Herstellung hier kein Mehl vorliegt, braucht nicht entschieden zu werden, welche Anforderungen an ein (durch Vermahlung gewonnenes) Mehl von Früchten zu stellen wären. Eine Beschaffenheit ,,wie ein Mehl", die nicht durch Vermahlen erzielt wird, rechtfertigt nicht die Einreihung in die Position 1106.
Die Ware gehört nach ihrer Beschaffenheit (Feinschnitt) zwar nicht zu Position 0813, wohl aber zu Position 1211 und dort zur Unterposition 1211 9090. Bei ihr handelt es sich um zerkleinerte (andere) Früchte der hauptsächlich zu Zwecken der Medizin verwendeten Art. Die ErlHS (zu Position 1211 Rdziff. 15.0) nennen von der Rose (als Pflanzenteile) zwar nur die Blüte, doch kann diese Aufzählung, wie übrigens auch nicht beansprucht wird (a.a.O., Rdziff. 16.0), nicht erschöpfend sein. Wie sich aus dem einschlägigen Schrifttum (Hoppe, Drogenkunde, Bd. 1 8. Aufl. 1975, S. 937; Deutsche Apothekerzeitung, 129. Jahrgang Nr. 2 S. 72) ergibt, ist Pseudofructus rosae caninae L. (hier: cum semine)/Cynosbati fructus als für verschiedene medizinische Zwecke geeignete Droge anerkannt (von einer Droge spricht im übrigen auch die OFD). Getrocknet dient die Droge zur Herstellung von Beruhigungs-, Blasen-, Nieren-, Husten-, Bronchial- und Erkältungstee, frisch werden Hagebutten zu Süßmost, Marmeladen und Fruchtweinen verarbeitet. Daraus folgt, daß die getrocknete Hagebutte, die hier zu beurteilen ist, nach ihrer Art hauptsächlich zu medizinischen Zwecken verwendet wird (ebenso das von der Klägerin vorgelegte Gutachten). Ob ihre tatsächliche Bestimmung im Einzelfall damit durchweg übereinstimmt, ist nicht maßgebend. Nicht die konkrete, sondern die durch die Art vorgegebene (hauptsächliche) Verwendung ist entscheidend. Der Begriff ,,Medizin" im Sinne von Position 1211 KN ist weit gefaßt; zu Zwecken der Medizin werden auch Erzeugnisse verwendet, die nicht als Therapeutica oder Prophylaktica dienen (ErlHS zu Position 1211 Rdziff. 11.0). Früchte als Drogen zur Herstellung von Medizinaltees fallen darunter; in welcher Form sie vorliegen, zerkleinert oder nicht, ist nach dem Tarifwortlaut ohne Bedeutung.
Gegen die zolltarifliche Beurteilung läßt sich nicht anführen, daß Früchte des Kapitels 8, damit auch Hagebutten, keine Früchte der hauptsächlich zu Zwecken der Medizin verwendeten Art sein könnten. Die ErlHS (zu Kapitel 8 Rdziff. 09.0), auf die die OFD sich in diesem Zusammenhang beruft, bringen - richtig - nur zum Ausdruck, daß Früchte der Position 1211 nicht (mehr) von Kapitel 8 erfaßt werden; sie deuten auf den Vorrang hin, den diese Zweckposition (mit abstrakter Zweckbestimmung) vor reinen Stoffpositionen des Kapitels 8 genießt. Wenn zu diesem Kapitel, wie ausgeführt, auch Hagebutten gehören, so bezieht sich das auf Früchte, die nicht hauptsächlich zu medizinischen Zwecken verwendet werden (frische Hagebutten).
Fundstellen
Haufe-Index 417712 |
BFH/NV 1992, 212 |