Leitsatz (amtlich)
1. Eine noch offene Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Urlaubsentgelt (Arbeitslohn, Arbeitgeberanteil zur Sozlalversicherung und Urlaubsgeld) kann bei Unternehmen mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (Bilanzstichtag: 30. Juni) nur insoweit als Verbindlichkeit bilanziert werden, als sie Urlaub betrifft, der auf den vor dem Bilanzstichtag liegenden Teil des Urlaubsjahres entfällt.
2. Auch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Weihnachtsgeld (Weihnachtsgratifikation) kann bei abweichendem Wirtschaftsjahr nur in einer Höhe bilanziert werden, die bei zeitproportionaler Aufteilung des Weihnachtsgeldes auf die Zeit vor dem Bilanzstichtag entfällt.
Normenkette
EStG 1967 und 1969 § 5
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe Verbindlichkeiten eines Arbeitgebers zur Zahlung von Urlaubsentgelt sowie von Weihnachtsgeld bei einem Unternehmen mit abweichendem Wirtschaftsjahr zu bilanzieren sind.
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die in den Streitjahren (1967 und 1970) die Herstellung von .... betrieb. Ihr Wirtschaftsjahr läuft vom 1. Juli bis 30. Juni.
Für Verbindlichkeiten, die die Klägerin im Zusammenhang mit dem Urlaub ihrer Arbeitnehmer zu erfüllen hatte (Verpflichtung zur Zahlung von Arbeitslohn, Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung und Urlaubsgeld) bildete sie in ihren Bilanzen zum 30. Juni 1967 und an den folgenden Bilanzstichtagen Rückstellungen in Höhe der gesamten noch offenen Verbindlichkeiten des mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Urlaubsjahres. Außerdem bildete sie Rückstellungen für ihre Verpflichtung zur Zahlung von Weihnachtsgeld in Höhe des vollen Weihnachtsgeldes.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Rückstellungen der Höhe nach nicht an. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen für die Streitjahre die Auffassung, daß die am 30. Juni noch bestehenden Urlaubsverbindlichkeiten nur insoweit zur Bildung einer Rückstellung führen könnten, als diese Verbindlichkeiten bei zeitanteiliger Verteilung des Jahresurlaubs auf die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni entfielen. In gleicher Weise könne auch die Verpflichtung zur Zahlung des Weihnachtsgeldes nur zu einer Rückstellung in Höhe von 6/12 des gesamten Betrages führen. Auf dieser Grundlage stellte das FA den Gewinn der Klägerin durch Änderungsbescheide vom 11. April 1972 und vom 5. Dezember 1972 für die Streitjahre fest.
Die Einsprüche und die Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, bei der Bemessung der Rückstellungen für Urlaubsverbindlichkeiten sei davon auszugehen, daß Urlaubsvergütungen zusätzliches Arbeitsentgelt für die im gesamten Kalenderjahr geleistete Arbeit seien (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. April 1952 I 13/52 U, BFHE 56, 365, BStBl III 1952, 143, und vom 7. November 1963 IV 396/60 S, BFHE 78, 311, BStBl III 1964, 123). Bei abweichendem Wirtschaftsjahr zerfalle das Kalenderjahr in zwei Wirtschaftsperioden, in denen die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung erbrächten. Deshalb werde der Aufwand für die Urlaubsvergütung anteilig in beiden Perioden verursacht. Dementsprechend dürften Rückstellungen für Urlaubsverbindlichkeiten nur insoweit gebildet werden, als der am Bilanzstichtag noch nicht in Anspruch genommene (Jahres-)Urlaub auf die Zeit vor Ablauf des Wirtschaftsjahres entfalle. - Die gleichen Grundsätze gälten auch für die das Weihnachtsgeld betreffenden Rückstellungen. Denn das Weihnachtsgeld sei ebenfalls zusätzlicher Arbeitslohn für die im gesamten Kalenderjahr erbrachten Arbeitsleistungen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1964 VI 289/63 U, BFHE 80, 220, BStBl III 1964, 554).
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie trägt u. a. vor: Die Rechtsprechung des BFH, auf die das FG seine Entscheidung gestützt habe, sei noch zu der früheren Fassung des § 5 EStG ergangen. An die Stelle der damals geltenden "dynamischen" Bilanzauffassung sei nach der Neufassung des § 5 EStG durch das Einkommensteuer-Änderungsgesetz (EStÄndG) vom 16. Mai 1969 (BGBl I, 421, BStBl I 1969, 320) eine "schuldrechtliche" Betrachtung getreten. Hiernach sei die Verpflichtung zur Gewährung eines bezahlten Urlaubs in die Bilanz als Verbindlichkeit aufzunehmen. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gewährung bezahlter Freizeit entstehe bereits zu Beginn des Kalenderjahres. Der Urlaub sei kein zeitraumbezogener Aufwand; denn die Inanspruchnahme des Urlaubs setze keine zeitproportionalen Dienstleistungen der Arbeitnehmer voraus. - Das gleiche gelte auch für die Verpflichtung zur Zahlung des Weihnachtsgeldes.
Die Klägerin beantragt, gem. § 11 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Entscheidung des Großen Senats des BFH herbeizuführen. In der Sache beantragt sie, die Einspruchsentscheidungen sowie das Urteil des FG aufzuheben und die Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre dahin zu ändern, daß die von ihr begehrten Rückstellungen für Urlaubsaufwendungen und Weihnachtsgeld passiviert werden, hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Anrufung des Großen Senats des BFH hält es nicht für erforderlich.
Entscheidungsgründe
I. Entscheidung zur Sache
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Urlaubsvergütungen und Weihnachtsgeld in dem von ihr begehrten Umfang zu berücksichtigen.
Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen, ist für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 EStG in den für die Streitjahre geltenden Fassungen). Nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ist bei der Ermittlung des Betriebsvermögens eine Verbindlichkeit anzusetzen, wenn am Bilanzstichtag die Verpflichtung zu einer der Höhe nach bestimmten Leistung gegenüber einem Dritten besteht. Eine Ausnahme von diesem handelsrechtlichen Bilanzierungsgebot für Verbindlichkeiten besteht bei schwebenden Geschäften. Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen werden nicht bilanziert, solange und soweit sie sich einander ausgleichend gegenüberstehen, auch wenn sie am Bilanzstichtag bereits rechtlich entstanden sind. Solange das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen nicht durch schuldrechtliche Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände gestört ist, sind die Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis nicht bilanzierungsfähig (BFH-Urteil vom 26. Mai 1976 I R 80/74, BFHE 119, 261, BStBl II 1976, 622). Diese Regeln gelten auch für schwebende Arbeitsverträge.
1. Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubsvergütungen
a) Nach der früher in der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung stellte der Urlaub eine Form des Arbeits entgelts für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste dar (Entgeltstheorie; vgl. Urteil des Reichsarbeitsgerichts - RAG - vom 24. November 1937 RAG 169/37, Arbeitsrechts-Sammlung - ARS - Bd. 31 S. 273); hiernach war die Länge des vom Arbeitnehmer jeweils zu beanspruchenden Urlaubs (und damit die Höhe des Urlaubsentgelts) abhängig von der Dauer der bisher im Kalenderjahr geleisteten Arbeit (zur Entgeltstheorie vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., Bd. I S. 520 ff.). Dagegen ist nach heute herrschender Ansicht der Urlaubsanspruch ein aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleiteter selbständiger Anspruch, der den Arbeitnehmern - jedenfalls in der Regel - ein einheitliches Recht auf Freizeitgewährung und Fortzahlung des Arbeitsentgelts unabhängig von der Dauer der im Kalenderjahr bisher geleisteten Arbeit gewährt (Einheitstheorie; vgl. Boldt/Röhsler, Bundesurlaubsgesetz, 2. Aufl., Anm. 5 zu § 1; Stahlhacke, Kommentar zum Bundesurlaubsgesetz, 3. Aufl., § 1 Rdnrn. 2, 5-7). Diese Auffassung liegt auch dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) vom 8. Januar 1963 (BGBl I, 2) zugrunde.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz wird der Urlaubsanspruch erstmals nach Erfüllung einer Wartezeit von sechs Monaten erworben (§ 4 BUrlG). In den folgenden Urlaubsjahren entsteht er jeweils am ersten Tage des Urlaubsjahres. Er kann von diesem Zeitpunkt an jeweils in vollem Umfang geltend gemacht werden (Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 16. Juni 1966 5 AZR 521/65, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts, Arbeitsrechtliche Praxis - AP - Nr. 4 zu § 5 BUrlG). Von dieser Regelung kann in gewissem Umfang in Tarifverträgen abgewichen werden (vgl. § 13 BUrlG).
Die Urlaubsregelung im Betrieb der Klägerin richtete sich in den Streitjahren für die Angestellten nach den Normen des Bundesurlaubsgesetzes und für die Arbeiter nach diesem Gesetz i. V. m. den Manteltarifverträgen für Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 4. März 1965 und vom 3. Dezember 1969. Die genannten Tarifverträge sahen u. a. vor, daß Urlaubsjahr das Kalenderjahr ist (§ 6 Nr. 1) und daß der Urlaubsanspruch (soweit kein betrieblicher Urlaubsplan besteht) ab 1. April in voller Höhe geltend gemacht werden kann; lediglich für das Eintrittsjahr war eine andere Regelung vorgesehen (§ 7 Nr. 2).
b) Nach der dem Bundesurlaubsgesetz und den hier einschlägigen Tarifverträgen zugrunde liegenden Auffassung über die Entstehung und das Wesen des Urlaubsanspruchs ergibt sich - jedenfalls in der Regel - bereits zu Beginn des Jahres oder wenige Monate danach eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gewährung des Urlaubs und des entsprechenden Urlaubsentgelts in voller Höhe (zu den Ausnahmen vgl. § 5 BUrlG). Für den Ausweis einer derartigen Verpflichtung in der Bilanz sind die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung maßgebend (§ 5 EStG). Hiernach ist davon auszugehen, daß die genannte Verpflichtung eng mit den übrigen Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verbunden ist und sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht von dem gegenseitigen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung lösen läßt. Sie kann deshalb nur nach den für schwebende Verträge geltenden Regeln gesondert bilanziert werden.
Rechte und Pflichten aus schwebenden Geschäften sind grundsätzlich nicht bilanzierungsfähig. Das gilt insbesondere für Dauerschuldverhältnisse wie Arbeits- und sonstige Dienstverhältnisse, bei denen ein fortdauerndes Leistungsverhalten gegen eine fortlaufende Entlohnung geschuldet wird. Im Zweifel sind solche Vertragsverhältnisse in der Weise ausgeglichen, daß sich die nach dem Vertrag innerhalb eines Zeitabschnitts entstehenden Verpflichtungen und die in dieser Periode erbrachten Leistungen gleichwertig gegenüberstehen (BFH-Urteile vom 25. September 1956 I 122/56 U, BFHE 63, 354, BStBl III 1956, 333, und vom 19. Juli 1960 I 160/59 U, BFHE 71, 264, BStBl III 1960, 347).
Bei der Frage der Ausgeglichenheit von Dauerschuldverhältnissen sind diejenigen Leistungen, die aufgewendet werden müssen, um die Gegenleistung der anderen Partei zu erhalten, einander gegenüberzustellen. In diesen Vergleich sind bei Arbeitsverhältnissen auch die vom Arbeitgeber zu erbringenden Nebenleistungen einzubeziehen (wie etwa Jubiläumsgeschenke, Sozialleistungen, Verpflichtungen aus dem Kündigungsschutzgesetz, Urlaub und dgl.; vgl. BFH-Urteile I 122/56 U, betreffend künftige Sozialleistungen; I 160/59 U, betreffend künftige Jubiläumszuwendungen; vom 7. September 1954 I 50/54 U, BFHE 59, 311, BStBl III 1954, 330, betreffend Kündigungsschutz). Auch wenn nach arbeitsrechtlichen Vorschriften eine eigenständige und von dem Stand der jeweils erbrachten Arbeitsleistungen unabhängige Verpflichtung zur Gewährung von Urlaub besteht, so ist dies dennoch kein Grund, sie als selbständige Schuld zu bilanzieren. Hier wie auch bei sonstigen Nebenverpflichtungen aus schwebenden Arbeitsverhältnissen käme eine Bilanzierung nur dann in Betracht, wenn das bei gegenseitigen Verträgen bestehende Gleichgewicht durch Leistungsrückstände oder durch Vorleistungen gestört wäre. Eine solche Störung hat das FG - rechtlich zutreffend - nur insoweit angenommen, als noch offene Urlaubsverpflichtungen auf das vor dem Bilanzstichtag liegende Urlaubsjahr (bzw. bei abweichendem Wirtschaftsjahr auf den vor dem Bilanzstichtag liegenden Teil des Urlaubsjahres) entfallen; nur diese Urlaubsverpflichtungen sind als Schuld zu bilanzieren.
Gründe, die eine Bilanzierung von Urlaubsverpflichtungen in einem weiteren Umfang rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Denn insoweit besteht ein Gleichgewicht zwischen den bis zum Ende des Wirtschaftsjahres noch zu erbringenden Arbeitsleistungen und den Urlaubsverpflichtungen. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, z. B. die Wahrscheinlichkeit. daß bestimmte Arbeitnehmer nach dem Bilanzstichtag noch vor Ende des Urlaubsjahres ausscheiden werden sind weder festgestellt noch vorgetragen. Schließlich läßt sich bei Unternehmen, die ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr haben, auch kein passiver Rechnungsabgrenzungsposten für den Teil der Urlaubsverpflichtungen bilden, der anteilmäßig auf den nach dem Bilanzstichtag liegenden Teil des Urlaubs-(Kalender-)Jahres entfällt. Nach der Rechtslage seit Inkrafttreten des Aktiengesetzes vom 6. September 1965 (AktG 1965) dürfen als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite nur "Einnahmen vor dem Abschlußstichtag" angesetzt werden, "soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen" (§ 152 Abs. 9 AktG 1965). In gleicher Weise wird auch durch § 5 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1969 die Zulässigkeit von passiven Rechnungsabgrenzungsposten eingegrenzt.
2. Weihnachtsgeldverbindlichkeiten
a) Die Zahlung eines Weihnachtsgeldes (Weihnachtsgratifikation) ist grundsätzlich als zusätzliches Entgelt für die das ganze Jahr über geleistete Arbeit des Arbeitnehmers anzusehen (BAG-Urteile vom 4. Oktober 1956 2 AZR 213/54, AP Nr. 4 zu § 611 BGB - Gratifikation -, und vom 18. Januar 1978 5 AZR 685/77, AP Nr. 93 zu § 611 BGB - Gratifikation -; BFH-Urteil vom 16. Juni 1972 III R 94/71, BFHE 106, 460, BStBl II 1972, 821). Zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes ist der Arbeitgeber u. a. verpflichtet, wenn er in den vergangenen Jahren seinen Arbeitnehmern regelmäßig Weihnachtsgeld gezahlt hat, ohne dabei auf die Freiwilligkeit der Leistung hinzuweisen. In einem solchen Fall ist die Verpflichtung zur alljährlichen Gewährung der Gratifikation fester Bestandteil der Arbeitsverhältnisse (BAG-Urteil vom 26. Juni 1975 5 AZR 412/74, AP Nr. 86 zu § 611 BGB - Gratifikation -).
Hiernach war - wie das FG auf Grund seiner tatsächlichen Feststellungen zu Recht angenommen hat - die Klägerin zur Zahlung einer Gratifikation verpflichtet.
b) Nach den oben dargestellten Grundsätzen für die Bilanzierung schwebender Verträge kann auch die Verpflichtung zur Gewährung des Weihnachtsgeldes nur insoweit bilanziert werden, als das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung durch Leistungsrückstände gestört ist. Geht man davon aus, daß die Verpflichtung zur Zahlung des Weihnachtsgeldes eine Abgeltung der im Kalenderjahr insgesamt geleisteten Arbeit darstellt, dann haben Arbeitnehmer bis zum 30. Juni eines jeden Jahres durch die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Arbeitsleistungen einen Weihnachtsgeldanteil nur in einer entsprechenden Höhe "verdient". Deshalb können Unternehmen, die abweichend vom Kalenderjahr zum 30. Juni eines Jahres bilanzieren, als Weihnachtsgeldverbindlichkeit nur den Betrag ansetzen, der bei zeitproportionaler Aufteilung des Weihnachtsgeldes auf die Zeit vor dem Bilanzstichtag entfällt. Eine darüber hinausgehende Passivierung ist nicht gerechtfertigt.
Mit dieser Rechtsauffassung weicht der Senat nicht von einer anderen Entscheidung des BFH ab. Der III. Senat des BFH hat zwar ausgesprochen, daß die Verpflichtung zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes bei Betrieben mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens in vollem Umfang als Schuld abgezogen werden kann, wenn sie im abweichenden Abschlußzeitpunkt schon besteht (BFHE 106, 460, BStBl II 1972, 821). Die Frage, ob ein Schuldposten in die - der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zugrunde zu legende - Vermögensaufstellung aufzunehmen ist, wird jedoch nach anderen Rechtsnormen beurteilt (vgl. hierzu §§ 95 ff. des Bewertungsgesetzes) als die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage (vgl. hierzu Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz/Vermögenssteuergesetz, 7. Aufl., vor § 95 Anm. 4 ff.).
II. Anrufung des Großen Senats
Nach § 11 Abs. 4 FGO kann der erkennende Senat in einer grundsätzlichen Rechtsfrage die Entscheidung des Großen Senats des BFH herbeiführen, wenn nach seiner Auffassung die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung es fordern. Die Anrufung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Senats (Gräber, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, § 11 Rdnr. 11); im Streitfall erschien sie nicht geboten.
Fundstellen
Haufe-Index 73555 |
BStBl II 1980, 506 |
BFHE 1980, 533 |