Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung nach Eingang einer nicht wirksamen strafbefreienden Erklärung; Tatentdeckung
Leitsatz (amtlich)
1. Will die Finanzbehörde nach Eingang einer wegen des Vorliegens eines Sperrgrunds nicht wirksamen strafbefreienden Erklärung zunächst ergangene Steuerbescheide ändern, dann muss sie nicht zuvor die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG bewirkte Steuerfestsetzung aufheben.
2. I.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG ist eine Tat entdeckt, wenn nach den für den Betroffenen erkennbaren Verdachtsmomenten von der Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung auszugehen ist.
Normenkette
StraBEG § 7 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 8 Abs. 1 S. 1; StrabEG § 10 Abs. 2; StraBEG § 10 Abs. 3; AO § 371 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Streitjahren 2000 und 2001 ein Einzelunternehmen als Ausbeiner. In seinen für die Streitjahre abgegebenen Umsatzsteuererklärungen erklärte er mit 16 v.H. steuerpflichtige Nettoumsätze von 292 538 DM (2000) und 279 646 DM (2001). Diese Einnahmen legte er auch seinen für die Streitjahre abgegebenen Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen zugrunde. Hierdurch ergaben sich nach Abzug der erklärten Betriebsausgaben Gewinne aus Gewerbebetrieb von 132 956 DM (2000) und 156 258 DM (2001). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte in den für die Streitjahre ergangenen ursprünglichen Bescheiden die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge erklärungsgemäß fest.
Am 13. Oktober 2003 erhielt das FA die Kontrollmitteilung des Finanzamts X (FA X) vom 7. Oktober 2003. Nach den vom Finanzgericht (FG) hierzu getroffenen Feststellungen hat der Kläger von der F-GmbH für Aushilfs- und für Ausbein- und Zerlegearbeiten Zahlungen erhalten. Ferner sind in einer Anlage zu der Kontrollmitteilung die in den Streitjahren gegenüber der F-GmbH insgesamt ausgestellten Rechnungen des Klägers im Einzelnen unter Angabe des jeweiligen Rechnungsdatums, des Bruttorechnungsbetrags und der darin enthaltenen, offen ausgewiesenen Umsatzsteuer von 16 v.H. dargestellt. Diesen Bruttorechnungsbeträgen stellte der Sachbearbeiter des FA nach den vom FG hierzu getroffenen Feststellungen mittels auf dieser Anlage angebrachter Vermerke die vom Kläger für die Streitjahre jeweils erklärten Bruttoumsätze gegenüber.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 wies das FA den damaligen Steuerberater des Klägers unter Auflistung der in der Kontrollmitteilung für die Streitjahre jeweils ausgewiesenen Gesamtumsätze auf erhebliche Differenzen zu den erklärten Umsätzen hin. Es bat um Überprüfung und Stellungnahme.
Auf der vom Kläger mit der Antragsschrift im Aussetzungsverfahren 1 V 1903/04 beim FG eingereichten Kopie des Schreibens vom 22. Oktober 2003 sind neben handschriftlich ergänzten Zahlen folgende handschriftliche Vermerke angebracht: "Original am 30.10.2003 9.45 Uhr Hr. H (Kläger) zwecks Klärung + Stellungnahme vorgelegt; hat Schreiben mit nach Hause genommen. Soll sich möglichst bald bei uns diesbezügl. melden" und "Anruf v. Hr. H 30.10.2003 10.15 Uhr: Angaben FA X bzw. F-GmbH stimmen". Beide Vermerke sind jeweils mit einem Unterschriftskürzel versehen.
Mit am 12. Februar 2004 beim FA eingegangenem Schreiben übersandte der Kläger einen unterschriebenen Vordruck "Strafbefreiende Erklärung" nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz --StraBEG-- (vom 23. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2928). In dieser Erklärung wurden aufgrund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben nicht besteuerte Einnahmen der Jahre 1993 bis 2002 angegeben. In einer Anlage wurden u.a. hinsichtlich der Streitjahre nicht versteuerte Bruttobetriebseinnahmen von 80 947,51 DM (2000) und 137 657,80 DM (2001) erklärt.
Das FA erließ für die Streitjahre 2000 und 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide, nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, sowie nach § 35b Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geänderte Gewerbesteuermessbescheide. In den geänderten Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden erhöhte es die gewerblichen Einkünfte des Klägers um den für das jeweilige Jahr in der strafbefreienden Erklärung angegebenen Betrag der nicht besteuerten Einnahmen, gekürzt um die darin enthaltene Umsatzsteuer. Diese Nettoeinnahmen wurden auch in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden angesetzt. In einer Anlage, die jeweils den geänderten Einkommensteuerbescheiden beigefügt war, wies das FA darauf hin, die strafbefreiende Erklärung könne (für das jeweilige Streitjahr) nicht anerkannt werden. Dem FA sei bereits vor dem 1. Januar 2004 bekannt gewesen, dass die Einnahmen nicht in der tatsächlichen Höhe erklärt worden seien.
Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil von ihm eine wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben worden sei. Eine Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG habe nicht vorgelegen. Das FA habe im Streitfall noch keine solch umfassende Kenntnis vom objektiven und subjektiven Tatbestand sowie von der Rechtswidrigkeit und der Schuld einer Steuerstraftat besessen, dass (vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung) eine Anklage hätte erhoben werden können. Die erst zwei Monate nach Abgabe der strafbefreienden Erklärung erfolgte Einleitung eines Strafverfahrens belege, dass das FA entgegen der Intention des Gesetzgebers gerade seine strafbefreiende Erklärung zur Grundlage eines Strafverfahrens gemacht, es ohne diese Erklärung aber nicht den zur Anklageerhebung erforderlichen Kenntnisstand besessen habe.
Die angesetzten gewerblichen Einkünfte seien überdies überhöht. Die zusätzlich angesetzten Einnahmen seien zumindest im Schätzwege um die konkreten, jedenfalls aber um die durchschnittlichen Erwerbsaufwendungen zu mindern.
Das FA ist der Klage entgegengetreten. Die Erklärung des Klägers habe keine Straf- oder Bußgeldfreiheit bewirkt. Seine Tat sei bereits vor Eingang seiner Erklärung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG entdeckt gewesen, als der Sachbearbeiter des FA nach Eingang der Kontrollmitteilung die darin für die einzelnen Streitjahre jeweils genannten Endsummen mit den Zahlen der jeweiligen Steuererklärungen verglichen und dies auch handschriftlich festgehalten habe.
Das FG hat die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1312 veröffentlichten Urteil abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von formellem und materiellem Recht.
Das FG habe entgegen § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht darauf hingewirkt, dass der Kläger statt der Abänderung der angefochtenen Bescheide deren Aufhebung beantragt habe.
Zudem habe das FG seine Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt. Zu Unrecht gehe das FG davon aus, dass in der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 Zahlungen an den Kläger genannt seien. Klärungsbedürftig sei gewesen, ob die in der Kontrollmitteilung genannten Beträge richtig ermittelt worden seien, ob die Rechnungen tatsächlich vom Kläger stammten und ob in Höhe der Rechnungsbeträge in den jeweiligen Jahren auch tatsächlich Zahlungen erfolgt seien. Zudem sei das FG gehalten gewesen, den Sachbearbeiter des FA als Zeugen dazu zu hören, ob er bereits vor dem Eingang der strafbefreienden Erklärung die Tat als entdeckt angesehen habe.
Auch habe das FG unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger in den Streitjahren seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt habe. Zudem habe das FG auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger in diesen Jahren seine Umsätze nach vereinbarten (§ 16 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--) oder nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 Abs. 1 UStG) zu versteuern hatte. Hieraus könnten sich aber erhebliche Unterschiede ergeben.
In materiell-rechtlicher Hinsicht habe das FG nicht berücksichtigt, dass das FA die aufgrund der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung (§ 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG) nicht aufgehoben habe.
Auch seien die für § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO geltenden Grundsätze nicht in vollem Umfang auf § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG übertragbar. Im Gegensatz zur Selbstanzeige erfordere ein Ausschluss der Strafbefreiung nach Nr. 1 Buchst. b, dass die Tat insgesamt und nicht lediglich zum Teil entdeckt sei. Eine solche Tatentdeckung setze voraus, dass der Tatverdacht bereits so weit konkretisiert sein müsse, dass bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben sei.
Im Streitfall habe vor Eingang der strafbefreienden Erklärung bereits der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung nicht festgestanden. Wegen des für den Kläger geltenden Zuflussprinzips sei nicht auszuschließen gewesen, dass die Zahlungszuflüsse in erheblichem Umfang von den in der Kontrollmitteilung genannten Rechnungsbeträgen abgewichen seien. Von einer Tatentdeckung aufgrund der Kontrollmitteilung könne auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil dort Rechnungsbeträge, nicht aber Zahlungszuflüsse genannt seien. In den Dezembermonaten 2000 und 2001 seien vom Kläger auch Rechnungen in erheblichem Umfang an die F-GmbH erteilt worden. Hinsichtlich der Rechnungsbeträge habe es der Aufklärung bedurft, ob diese im jeweiligen Rechnungsjahr zugeflossen seien.
Auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung habe nicht festgestanden. Es sei im Zeitpunkt des Eingangs der Kontrollmitteilung nicht auszuschließen gewesen, dass die nicht erklärten Umsätze auf einen Fehler im Steuerberaterbüro des Klägers zurückzuführen seien oder dass ein Fehler der F-GmbH vorgelegen habe. Aus diesem Grund sei es auch folgerichtig gewesen, dass der Sachbearbeiter des FA den Steuerberater um Aufklärung gebeten habe. Dies belege, dass der Sachbearbeiter sich noch kein abschließendes Bild gemacht habe. Vielmehr sei dieser lediglich von Vorfeldermittlungen nach Nr. 146 Abs. 1 und 2 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) --AStBV-- (BStBl I 1996, 959) ausgegangen. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts wäre das FA hingegen verpflichtet gewesen, umgehend ein Steuerstrafverfahren einzuleiten (Nr. 121 AStBV). Die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung begründe einen Verstoß gegen § 160 Abs. 1 i.V.m. § 136 der Strafprozessordnung (StPO) und damit ein Verwertungsverbot.
Das FG habe bei der Frage der Tatentdeckung auch nicht nach den jeweiligen Steuerarten und Veranlagungszeiten differenziert.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz, die Einspruchsentscheidung des FA vom 8. September 2005 und den Einkommensteuer-, den Umsatzsteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid jeweils für 2000 vom 29. März 2004 sowie den Einkommensteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid für 2001 vom 31. März 2004 und den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 29. März 2004 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. Die Tat sei bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung entdeckt gewesen. Das FA sei bereits aufgrund der Kontrollmitteilung in der Lage gewesen, Folgerungen für das Besteuerungsverfahren zu ziehen. Aufgrund der Differenzen zu den Steuererklärungen habe schon ohne weitere Ermittlungen festgestanden, dass Beträge nicht erklärt und somit hinterzogen seien. Das Schreiben vom 22. Oktober 2003 an den damaligen Steuerberater des Klägers habe lediglich der Gewährung rechtlichen Gehörs gedient. Dem Kläger habe eine sog. "goldene Brücke" gebaut werden sollen, sich selbst näher zu seiner Steuerhinterziehung zu äußern. Auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung habe festgestanden. Dies werde durch den handschriftlichen Vermerk des Steuerbüros auf dem Anschreiben des FA vom 22. Oktober 2003 belegt. In der Rechtsprechung zu § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO sei anerkannt, dass eine Tatentdeckung nicht voraussetze, dass das volle Ausmaß der Steuerverkürzung bekannt sei.
Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 23. April 2008 von dem vorliegenden Verfahren den Rechtsstreit wegen der für das Jahr 1999 ergangenen Änderungsbescheide gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO abgetrennt.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Der erkennende Senat hat den Revisionsantrag des Klägers in dem Sinne ausgelegt, dass dieser die vollständige Aufhebung der für die Streitjahre ergangenen Änderungsbescheide begehrt. Sein hilfsweise gestellter Antrag, die in diesen Bescheiden festgesetzten Steuerbeträge auf die von ihm benannten Beträge herabzusetzen, ist als bloßes Minus von dem Aufhebungsantrag mit umfasst. Keine besondere Bedeutung hat auch der hilfsweise gestellte Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Denn dies bewirkt lediglich die Überführung des Rechtsstreits in den zweiten Rechtsgang und damit noch keine den Rechtsstreit abschließende Entscheidung.
2. Die Revision ist zulässig.
a) Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass der angerufene Senat (angeblich) zu Unrecht die Revision gegen das angefochtene Urteil zugelassen hat. Das Revisionsgericht ist an die von ihm ausgesprochene Zulassung gebunden (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 71).
b) Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Kläger mit seinem Revisionsantrag abweichend von seinem beim FG gestellten Antrag, die angefochtenen Bescheide abzuändern, nunmehr deren Aufhebung beantragt. Zwar darf ein Revisionsantrag nicht über das Klagebegehren hinausgehen. Eine Erweiterung des Klageantrags im Revisionsverfahren ist gemäß § 123 Abs. 1 FGO unzulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Mai 2006 VI R 61/05, BFH/NV 2007, 45). Auch fehlt es insoweit an der erforderlichen formellen Beschwer (Gräber/Ruban, a.a.O., § 123 Rz 2). Es ist indessen anerkannt, dass keine Bindung an den Klageantrag gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO besteht, wenn der BFH zu dem Ergebnis gelangt, der angefochtene Bescheid sei (z.B. wegen eingetretener Festsetzungsverjährung) insgesamt rechtswidrig (Senatsurteil vom 25. April 2006 X R 42/05, BFHE 212, 421, BStBl II 2007, 220). Es kann deshalb einem Revisionskläger nicht verwehrt sein, mit seinem Revisionsantrag geltend zu machen, ein solcher Ausnahmefall liege vor. So ist es im Streitfall. Der Kläger macht geltend, die von ihm abgegebene strafbefreiende Erklärung sei wirksam. Die Ansprüche auf von ihm hinterzogene Steuern seien erloschen und hätten daher gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht festgesetzt werden dürfen (vgl. hierzu Kamps/Wulf, Finanz-Rundschau --FR-- 2004, 121, 131). Nach Auffassung des Klägers hätten die allein wegen der hinterzogenen Steuern ergangenen streitigen Änderungsbescheide deshalb nicht ergehen dürfen.
3. Die gerügten Verfahrensfehler liegen entweder nicht vor oder sie sind für das angefochtene Urteil nicht rechtserheblich.
a) § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO verpflichtet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Diese Vorschrift ist daher dann verletzt, wenn das FG den Inhalt der ihm vorliegenden Akten nicht vollständig und einwandfrei berücksichtigt (ständige BFH-Rechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24. Juli 2007 X B 6/07, BFH/NV 2007, 1921, m.w.N.).
Der Kläger rügt, das FG habe deshalb § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO verletzt, weil es davon ausgegangen sei, in der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 seien (durchgehend) an den Kläger geleistete Zahlungen genannt worden, obwohl in der Anlage zu dieser Kontrollmitteilung Rechnungsbeträge aufgeführt seien. Auch habe das FG unberücksichtigt gelassen, dass in dieser Kontrollmitteilung zwar das Kästchen "Zahlungen" angekreuzt sei, nicht aber die Kästchen "erhalten von" bzw. "getätigt an".
Dieser Verstoß liegt nicht vor. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils (dort S. 3) hat das FG festgestellt, dass in der genannten Anlage (zu dieser Kontrollmitteilung) Rechnungsbeträge genannt sind. Auch hat das FG ausdrücklich ausgeführt, dass als Art der Zahlung für einen Teil der Beträge (gemeint diejenigen, die in der Kontrollmitteilung selbst aufgeführt sind), Zahlung "durch Bank" ausgewiesen ist. Diese Feststellung ist ausweislich des Inhalts dieser Kontrollmitteilung zutreffend. Ohne Belang ist, dass die vom Kläger bezeichneten Kästchen dort nicht ausgefüllt sind. Dass es um an den Kläger geleistete Zahlungen und nicht um Zahlungen geht, die dieser an die F-GmbH erbracht hat, ergibt sich zweifelsfrei bereits aus der in dieser Kontrollmitteilung enthaltenen ausdrücklichen Anfrage des FA X, ob diese Erträge in der Gewinnermittlung des Klägers enthalten sind.
b) Zutreffend ist hingegen die Rüge des Klägers, das FG habe unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger seinen Gewinn in den Streitjahren gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt habe. Sofern das FG übersehen hat, dass der Kläger ausweislich der dem Senat vorliegenden Ersatzakte Gewinnermittlung seinen Gewinn in den Streitjahren gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat, beruht das angefochtene Urteil nicht hierauf. Das Urteil wäre unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des FG bei Nichtvorliegen dieses Verfahrensfehlers nicht abweichend ausgefallen.
Das FG hat den Standpunkt eingenommen, eine Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG erfordere einen hinreichenden Tatverdacht, der bei vorläufiger Tatbewertung eine (strafgerichtliche) Verurteilung des Betroffenen wahrscheinlich mache. Eine Tatentdeckung setze nicht voraus, dass die Finanzbehörde bereits Kenntnis von den jeweiligen konkreten Besteuerungsgrundlagen haben müsse (Rüping in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 371 AO Rz 183 Fn 93; Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 5. April 2000 5 StR 226/99, BFH/NV 2001, Beilage 1, 70, unter IV.1.b bb der Gründe). Hiervon ausgehend hält es das FG für das Vorliegen einer Tatentdeckung für ausreichend, dass ein Vergleich der in einer Kontrollmitteilung ausgewiesenen Umsätze mit den steuerlich erklärten Umsätzen die unvollständige Erklärung von Umsätzen belegt.
Dies ist auch dann der Fall, wenn man die Tatsache der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG berücksichtigt. Das FG hat auf den Inhalt der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 Bezug genommen und diesen daher festgestellt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 37, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Danach ergeben sich im Dezember ausgestellte Rechnungsbeträge für 2000 von netto 30 619,77 DM und für 2001 von netto 47 842,24 DM. Geht man zugunsten des Klägers davon aus, dass alle diese Rechnungen jeweils erst im Folgejahr beglichen worden sind und lässt man auch jeweils Zuflüsse aufgrund von in diesen Jahren beglichenen Rechnungen der Vorjahre außer Acht, dann ergeben sich zugeflossene Nettoerlöse von 339 722,07 DM (2000) und von 345 998,50 DM (2001). Auch diese Beträge übersteigen die steuerlich erklärten Umsätze von 292 538 DM (2000) und von 279 646 DM (2001) nicht unerheblich.
c) Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO deshalb verletzt, weil es in Bezug auf die streitigen Umsatzsteuerbescheide nicht aufgeklärt habe, ob der Kläger in diesen Jahren seine Umsätze nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Beträgen habe versteuern müssen, ist ein solcher Verstoß nicht rechtserheblich. Selbst wenn man unterstellt, dass die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten zu erfolgen hatte, ergibt sich wie vorstehend unter b) dargelegt, ein hinreichender Verdacht, dass in den Umsatzsteuererklärungen zu geringe Umsätze angegeben waren.
d) Es kann offenbleiben, ob der Kläger rechtzeitig und schlüssig gerügt hat, das FG habe dadurch gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es den Sachbearbeiter des FA nicht als Zeugen vernommen hat. Ein solcher Verfahrensfehler liegt jedenfalls nicht vor.
Das FG ist, wenn kein entsprechender Beweisantrag gestellt wird, nur dann zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichtet, wenn sie sich dem FG aufdrängen muss. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn in Bezug auf einen relevanten Geschehensverlauf andere Erkenntnismöglichkeiten nicht vorhanden oder solche zwar vorhanden, aber widersprüchlich sind (Senatsbeschluss vom 22. Mai 2006 X B 190/05, BFH/NV 2006, 1681). Daran fehlt es. Zu der zu klärenden Tatsache, ob der Sachbearbeiter des FA die Tat als entdeckt angesehen hat, lagen dem FA zwei Urkunden vor. Sowohl in dem Schreiben an den Steuerberater des Klägers vom 22. Oktober 2003 als auch im Schreiben an das FA X vom 20. Oktober 2003 hat der Sachbearbeiter zum Ausdruck gebracht, die in der Kontrollmitteilung ausgewiesenen Umsätze wichen erheblich von den erklärten Umsätzen ab.
4. Bezogen auf die Streitjahre 2000 und 2001 ist das angefochtene Urteil auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die durch den Kläger hinsichtlich der Einkommensteuer, der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer der Streitjahre jeweils begangenen Steuerhinterziehungen waren bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG entdeckt.
a) Das FA war zum Erlass der angefochtenen Einkommensteuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide gemäß § 35b GewStG und der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide gemäß § 164 Abs. 2 AO berechtigt, da die in diesen Bescheiden festgesetzten Steuermehrbeträge nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erloschen sind. Diese Steueransprüche erlöschen dann nicht, wenn nach dem ersten Abschnitt des StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt, weil z.B. --wie im Streitfall-- der Ausschlussgrund des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG eingreift.
b) In verfahrensrechtlicher Hinsicht setzt der Erlass von geänderten Bescheiden, die deshalb ergehen, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht vorliegen, nicht voraus, dass zuvor die durch die strafbefreiende Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung (§ 10 Abs. 2 StraBEG) aufgehoben worden ist. Das FG musste daher keine Feststellungen dazu treffen, ob das FA vor Erlass der streitigen Änderungsbescheide diese Steuerfestsetzung aufgehoben hat.
Der Kläger hat eine strafbefreiende Erklärung i.S. des § 1 StraBEG unter Beachtung des § 3 StraBEG abgegeben. Die Erklärung führt nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG zu einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung, und zwar selbst dann, wenn der mit der Abgabe dieser Erklärung beabsichtigte Erfolg des Erlangens von Straf- und Bußgeldfreiheit und des Erlöschens der in § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG genannten Steueransprüche nicht eintritt. § 10 Abs. 2 StraBEG knüpft allein an das Vorliegen einer strafbefreienden Erklärung an, die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG gesetzlich definiert ist (Rüping in HHSp, § 1 StraBEG Rz 3 und § 10 StraBEG Rz 4).
Tritt nach dem StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit ein, ist vorbehaltlich des § 10 Abs. 3 Satz 2 StraBEG die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG greift diese Bestimmung nicht nur ein bei verspäteter Zahlung dieser Steuer, sondern auch dann, wenn die Straf- oder Bußgeldfreiheit wegen § 7 StraBEG ausgeschlossen ist (Kamps/Wulf, FR 2004, 121; Stahl, Die Steuerberatung 2004, 153; Kamps in Streck, Berater-Kommentar zur Steueramnestie, § 10 Rz 55; unklar Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Merkblatt zur Anwendung des StraBEG vom 3. Februar 2004 IV A 4 -S 1928- 18/04, BStBl I 2004, 225, Rz 12.4).
Eine weitergehende Bedeutung hat § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG nicht. Insbesondere besagt die Regelung nicht, dass verfahrensrechtlich der ursprüngliche Steueranspruch so lange in dem durch die strafbefreiende Erklärung bewirkten Umfang als erloschen gilt, bis ein Aufhebungsbescheid ergangen ist (so aber Kamps in Streck, a.a.O., § 10 Rz 51; Striegel/Weger, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 534; wie hier Levedag, FR 2005, 1084; Pfützenreuter, EFG 2007, 332). § 8 Abs. 1 StraBEG macht das Erlöschen der dort genannten Steueransprüche allein davon abhängig, dass nach dem ersten Abschnitt des StraBEG Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt.
Das Erlöschen dieser Ansprüche ist deshalb bereits kraft Gesetzes davon abhängig, dass der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG genannte Betrag rechtzeitig bezahlt wird und auch kein Sperrgrund i.S. von § 7 StraBEG eingreift. Es bedarf daher, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, keines besonderen Verwaltungsakts, um ein Erlöschen der in § 8 Abs. 1 StraBEG genannten Steueransprüche zu verhindern.
Von diesem Verständnis geht auch § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aus. Danach ist der Nichteintritt der Straf- oder Bußgeldfreiheit gesetzliche Voraussetzung für die Befugnis der Finanzbehörde, die Steuerfestsetzung i.S. von § 10 Abs. 2 StraBEG aufzuheben oder zu ändern, nicht aber Regelungsgegenstand.
c) Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG tritt Straf- oder Bußgeldfreiheit dann nicht ein, wenn die Tat bereits entdeckt war und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
aa) Diese Vorschrift entspricht inhaltlich im Wesentlichen derjenigen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die herrschende Meinung geht deshalb zutreffend davon aus, dass die zu dieser Vorschrift vorliegenden Erkenntnisse jedenfalls im Grundsatz auf § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG übertragen werden können (BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, Tz. 9.1; Rüping in HHSp, § 7 StraBEG Rz 8 ff.; Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, 2. Aufl., Rz 678; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 7 StraBEG Rz 1; ebenso BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 99/04, BFHE 218, 1, BStBl II 2008, 7, unter II.2.a und Senatsurteil vom 12. Dezember 2007 X R 31/06, BFHE 219, 498, BStBl II 2008, 344, unter II.2.a aa zu § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG).
Zu § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist anerkannt, dass eine Tatentdeckung dann gegeben ist, wenn der Finanzbehörde tatsächliche Erkenntnisse in einem solchen Ausmaß vorliegen, dass bei vorläufiger Tatbewertung die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung angenommen werden können und deshalb eine strafrechtliche Verurteilung des Betroffenen wahrscheinlich ist (ständige BGH-Rechtsprechung; BGH-Urteil vom 27. April 1988 3 StR 55/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 319; BGH-Beschlüsse vom 6. Juni 1990 3 StR 183/90, HFR 1991, 367, und vom 30. März 1993 5 StR 77/93, HFR 1994, 165, sowie in BFH/NV 2001, Beilage 1, 70). Nach dem zuletzt genannten Beschluss ist es aber nicht erforderlich, dass der Finanzbehörde bereits die genauen Besteuerungsgrundlagen bekannt sind.
bb) Allerdings weicht der Wortlaut des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG von demjenigen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO insoweit ab, als nach der zuletzt genannten Vorschrift eine Selbstanzeige dann keine Straffreiheit bewirkt, wenn die Tat zuvor bereits ganz oder zum Teil entdeckt war. Demgegenüber liegt der Ausschlussgrund des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG (nur) vor, wenn die Tat bereits entdeckt war. Welche Folgerungen hieraus für den Ausschlussgrund des Nr. 1 Buchst. b zu ziehen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird lediglich pauschal auf § 371 Abs. 2 AO verwiesen (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 7 StraBEG Rz 1). Andererseits wird angenommen, an die Wahrnehmung der Tat seien im Vergleich zu § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO höhere Anforderungen zu stellen (Rüping in HHSp, § 7 StraBEG Rz 10). Schließlich wird vertreten, im Rahmen von Nr. 1 Buchst. b sei die entdeckte Tat nicht die abgegebene unrichtige Steuererklärung, sondern der Lebenssachverhalt (i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 StraBEG, so Stahl, a.a.O., Rz 686; im Ergebnis ebenso Wulf in Streck, Berater-Kommentar zur Steueramnestie, § 7 Rz 20).
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG normspezifisch so auszulegen, dass sich die entdeckte Tat im Sinne dieser Vorschrift nach den Verdachtsmomenten bestimmt, welche hinreichend sind, um von der Wahrscheinlichkeit einer (strafgerichtlichen) Verurteilung auszugehen. Im Unterschied zu § 371 Abs. 2 AO umfasst der Begriff der Tat i.S. des § 1 StraBEG deshalb nicht alle in einer unzutreffenden Steuererklärung enthaltenen untrennbaren Besteuerungsgrundlagen (zu Letzterem vgl. z.B. Rüping in HHSp, § 371 AO Rz 169). Diese Auslegung folgt aus dem Sinn der Regelung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG. Mit dem StraBEG verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, "eine Brücke in die Steuerehrlichkeit einzuführen" (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2005 IX B 59/05, BFH/NV 2005, 1498). Dieser Zweck ist insoweit nicht zu erreichen, als für den Betroffenen bereits vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung erkennbar ist, dass die Finanzbehörde auch ohne sein Zutun in der Lage sein wird, die steuerliche Verfehlung zu ahnden. In einem solchen Fall würde die Anerkennung der steuerlichen Abgeltungswirkung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht auf einem Akt tätiger Reue und damit freiwillig, sondern auf einem bloßen Mitnahmeeffekt beruhen, den der Gesetzgeber durch die Ausschlussgründe des § 7 StraBEG verhindern will (Sell, DStR 2003, 1185).
Ausgehend hiervon ist es geboten, den Tatbegriff i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG an dem zur Tatentdeckung führenden Verdachtsmoment auszurichten, wobei die Tatentdeckung gemäß Halbsatz 2 dieser Vorschrift dem Betroffenen bekannt sein muss oder er bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Diese Betrachtungsweise, die sich an den für den Betroffenen erkennbaren Umständen ausrichtet, lässt ihm die Möglichkeit, nicht von dem Verdachtsmoment erfasste andere unzutreffende Besteuerungsgrundlagen (z.B. hinreichender Verdacht zu gering erklärter Betriebseinnahmen, kein Verdacht der Nichtangabe von Einnahmen aus Kapitalvermögen) wirksam in einer strafbefreienden Erklärung aufzudecken. Denn insoweit handelt der Betroffene typisierend betrachtet weiterhin freiwillig. Von einem solchen Verständnis ist der angerufene Senat auch in seinem Urteil in BFHE 219, 498, BStBl II 2008, 344 ausgegangen. Für eine solche Auslegung spricht der Umstand, dass auch § 3 Abs. 1 Satz 3 StraBEG nicht die Angabe aller in der jeweiligen Steuererklärung unrichtig angegebenen Besteuerungsgrundlagen, sondern neben der Angabe der hinterzogenen Steuern die Darlegung des Lebenssachverhalts verlangt. Dieser ist durch Bezeichnung der Einnahmequelle und/oder der Art der Tätigkeit zu konkretisieren (BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, Tz. 5.4).
cc) In subjektiver Hinsicht setzt die Tatentdeckung voraus, dass die der Finanzbehörde bekannten Erkenntnisse den für die strafgerichtliche Verurteilung erforderlichen Hinterziehungsvorsatz (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 StraBEG i.V.m. §§ 370, 370a AO) hinreichend wahrscheinlich machen. Notwendig ist daher, dass der Betroffene die zur Erfüllung des Tatbestands der Steuerhinterziehung erforderlichen Umstände kennt, deren Sinngehalt im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre zutreffend erfasst und den Willen zur Steuerhinterziehung hat (vgl. Hellmann in HHSp, § 370 Rz 216 f., m.w.N.).
dd) In Anwendung der vorgenannten Grundsätze hat das FG zu Recht angenommen, die jeweilige Steuerhinterziehung der Einkommensteuer 2000 und 2001, der Gewerbesteuer 2000 und 2001 sowie der Umsatzsteuer 2000 und 2001 sei in dem Zeitpunkt i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG entdeckt gewesen, als der Sachbearbeiter des FA die in der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 für das jeweilige Jahr ausgewiesene Summe der Rechnungsbeträge mit den Angaben in den Steuererklärungen verglichen und festgestellt hat, dass die in der Kontrollmitteilung genannten Beträge die erklärten Betriebseinnahmen in nicht unerheblichem Umfang überstiegen. Hierdurch ergab sich der hinreichende Tatverdacht, dass die vorstehend genannten Steuern in objektiver Hinsicht hinterzogen waren.
Gegenteiliges kann nicht daraus abgeleitet werden, dass der Kläger seinen Gewinn in diesen Jahren jeweils gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Auch wenn sich deshalb Abweichungen zwischen den in der Kontrollmitteilung ausgewiesenen Rechnungsbeträgen und den (nach dem Zuflussprinzip) anzusetzenden Betriebseinnahmen ergeben, war unter Zugrundelegung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs --wie oben bei II.3.b c dargelegt-- davon auszugehen, dass Betriebseinnahmen bzw. Umsätze in den Steuererklärungen in erheblichem Umfang in zu geringer Höhe steuerlich erklärt worden sind. Die vom Kläger für denkbar gehaltene Konstellation, die Abweichung von den steuerlich erklärten Einnahmen könne darauf beruhen, dass Rechnungsbeträge in erheblichem Umfang (z.B. wegen eines Zurückbehaltungsrechts) nicht beglichen worden seien, ist rein spekulativer Natur. Hinweise hierauf finden sich in der Kontrollmitteilung nicht. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere der Umstand, dass der Kläger ausweislich der in der Kontrollmitteilung genannten zahlreichen Rechnungen zu der F-GmbH in einer Dauerrechtsbeziehung stand. Zwar ist es auch in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen, dass es zu größeren Zahlungsrückständen kommt. Hierbei handelt es sich indessen um Ausnahmefälle. Die Annahme, dass dem Kläger in erheblichem Umfang Rechnungsbeträge in den Streitjahren nicht zugeflossen sind, ist daher nicht wahrscheinlich.
Nichts anderes gilt hinsichtlich der Annahme, es könnte sich bei den in der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 genannten Rechnungen um vorgetäuschte Betriebsausgaben der F-GmbH handeln. Denn aus der Kontrollmitteilung ist jedenfalls hinsichtlich einzelner Rechnungen zu entnehmen, dass diese per Bank tatsächlich auch beglichen worden sind.
Die Feststellung, wonach Betriebseinnahmen in den Steuererklärungen der Streitjahre 2000 und 2001 nicht in vollem Umfang steuerlich erklärt worden sind, bewirkt sowohl für die Einkommensteuer, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer der jeweiligen Streitjahre (zum Vorliegen von Einzeltaten vgl. BGH-Beschluss vom 20. Juni 1994 5 StR 595/93, BStBl II 1994, 673) eine Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG. Die steuerlich anzusetzenden Betriebseinnahmen bestimmen maßgeblich die Höhe des im Rahmen der jeweiligen Einkommensteuererklärung anzugebenden Gewinns aus Gewerbebetrieb. Dieser Gewinn wiederum bildet die Grundlage für die Ermittlung des Gewerbeertrags und damit für die Ermittlung der Gewerbesteuer. Die im Rahmen des § 4 Abs. 3 EStG anzusetzenden Betriebseinnahmen sind zudem identisch mit denen, die in der Umsatzsteuererklärung anzugeben sind, wenn die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) erfolgt. Erfolgt die Besteuerung hingegen nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 UStG), ist erst recht von einer Tatentdeckung auszugehen, weil dann die bei der Umsatzsteuer erklärten Umsätze unmittelbar mit den in der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 für die Streitjahre 2000 und 2001 genannten Bruttorechnungsbeträgen verglichen werden können.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass im Streitfall in dem vorstehend genannten Zeitpunkt ein hinreichender Tatverdacht auch hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen der jeweiligen Steuerhinterziehung gegeben war. Zwar fehlt es an der subjektiven Voraussetzung der Tatentdeckung, wenn objektiv hinreichende Anhaltspunkte für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung vorlagen, die Finanzbehörde diese aber nicht erkannt hat. Hierfür kann im Einzelfall die Tatsache sprechen, dass diese Behörde den Steuerpflichtigen um Aufklärung des Sachverhalts bittet, ohne ihn gemäß § 393 Abs. 1 AO zu belehren (Hoyer in Beermann/Gosch, AO § 371 Rz 46; vgl. auch BGH-Urteil in BFH/NV 2001, Beilage 1, 70, unter II.1.c zur Bedeutung des Verfolgungswillens). Dieses Indiz ist aber dann widerlegt, wenn sich aus einem solchen behördlichen Schreiben mit der erforderlichen Klarheit ergibt, dass die Finanzbehörde erkannt hat, dass objektiv hinreichende Umstände für eine strafgerichtliche Verurteilung vorliegen und Umstände nicht erkennbar sind, aus denen die Behörde auf das Fehlen der subjektiven Voraussetzungen hätte schließen können.
So ist es im Streitfall. Zwar hat das FA in seinem Schreiben an den Steuerberater des Klägers vom 22. Oktober 2003 den Kläger nicht über seine Rechte als Beschuldigter (§ 393 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 136 Abs. 1 und § 163a StPO) belehrt. Es hat aber in dem Scheiben unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die in einer Kontrollmitteilung genannten Umsätze der Streitjahre jeweils erheblich von den erklärten Umsätzen abweichen. Hinzu kommt, dass auch im Schreiben des FA an das FA X vom 20. Oktober 2003 von einer erheblichen Abweichung die Rede ist. Das FA hatte mithin erkannt, dass ein hinreichender Tatverdacht bestand, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen die Betriebseinnahmen nicht in vollständigem Umfang angegeben hat. Die Annahme, die unvollständige Erklärung der jeweiligen Betriebseinnahmen könne auf einem Versehen des Steuerberaters oder einer diesem Berater zuarbeitenden Bürokraft beruhen, lässt die eigene Verantwortlichkeit für die von ihm unterschriebenen und von ihm eingereichten Steuererklärungen nicht entfallen. Zudem besteht jedenfalls dann ein hinreichender Tatverdacht, wenn Anhaltspunkte für ein solches Versehen konkret nicht erkennbar, sondern lediglich theoretisch denkbar sind.
ee) Der Kläger musste bei verständiger Würdigung der Sachlage auch mit der Tatentdeckung rechnen.
§ 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG setzt neben der Tatentdeckung voraus, dass der Erklärende von der Tatentdeckung positive Kenntnis hat oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn der Erklärende die Umstände, die für eine Tatentdeckung sprechen, positiv gekannt hat, gleichwohl hieraus aber nicht den Schluss gezogen hat, die Tat sei entdeckt (Rüping in HHSp, zur insoweit wortgleichen Vorschrift des § 371 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 AO Rz 193).
Im Streitfall kann der erkennende Senat offenlassen, ob sich die positive Kenntnis des Klägers von der Tatentdeckung aus dem handschriftlichen Vermerk ergibt, der auf der Kopie des Schreibens des FA vom 22. Oktober 2003 angebracht ist. Der Senat muss deshalb auch nicht prüfen, ob dieser Vermerk verwertbar ist. Denn der Kläger musste bei verständiger Würdigung der Sachlage jedenfalls damit rechnen, dass die Tat entdeckt war.
Das FG hat festgestellt, dass das FA den durch seinen Steuerberater vertretenen Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 unter Auflistung der sich daraus für die einzelnen Jahre ergebenden Umsätze auf den Inhalt der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 und auf die erhebliche Abweichung von den erklärten Umsätzen hingewiesen hat. Damit war dem Kläger bekannt, dass das FA davon Kenntnis hatte, dass er in seinen Steuererklärungen Umsätze erklärt hatte, die erheblich unter denen lagen, die in dem dem FA vorliegenden Kontrollmaterial ausgewiesen waren. Bei diesem Kenntnisstand des FA musste er von einer Tatentdeckung ausgehen. Bei einer solchen Sachlage kommt der vom FA in dem Schreiben geäußerten Bitte um Aufklärung keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Ein etwaiger Irrtum des Klägers, das FA habe die Tat nicht entdeckt, weil der Sachverhalt noch aufzuklären sei, ist unbeachtlich.
5. Die angefochtenen Steuerbescheide 2000 und 2001 sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Dass die bei der Berechnung des Gewinns und bei der Umsatzsteuer anzusetzenden Einnahmen in zutreffender Höhe angesetzt sind, steht nicht im Streit.
Zutreffend hat das FA auch entschieden, dass keine zusätzlichen Betriebsausgaben anzuerkennen sind. Betriebsausgaben sind betrieblich veranlasste Aufwendungen. Sie sind zu berücksichtigen, wenn feststeht, dass und in welcher Höhe solche Aufwendungen angefallen sind. Im Wege der Schätzung sind (zusätzliche) Betriebsausgaben dann anzuerkennen, wenn feststeht, dass dem Grunde nach solche Aufwendungen angefallen sind, aber deren Höhe nicht bekannt ist (BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51). Das FG hat festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner jeweiligen Gewinnermittlung Betriebsausgaben in erheblichem Umfang berücksichtigt hat. Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG hieraus den Schluss gezogen hat, es stehe nicht fest, dass dem Grunde nach weitere Betriebsausgaben angefallen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 2113086 |
BFH/NV 2009, 510 |
BFH/PR 2009, 199 |
BStBl II 2009, 388 |
BFHE 2008, 330 |
BFHE 223, 330 |
BB 2009, 355 |
BB 2009, 764 |
DB 2009, 438 |
DStRE 2009, 379 |
HFR 2009, 504 |