Leitsatz (amtlich)
Wird eine Grundstücksfläche in einen Flächennutzungsplan einbezogen, steht aber am Bewertungsstichtag noch nicht fest, ob sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird, so ist diese Grundstücksfläche noch nicht gemäß § 69 Abs. 1 BewG 1965 als Grundvermögen (Bauerwartungsland) zu bewerten.
Normenkette
BewG 1965 § 69 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung eines der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) gehörenden Grundstücks als Grundvermögen.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flur Nr... in der Gemarkung B. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) hat dieses Grundstück als Grundvermögen bewertet und den Einheitswert auf ... DM festgestellt. Der Einspruch, mit dem Bewertung als landwirtschaftliches Vermögen begehrt wurde, führte nur zu einer Ermäßigung des Einheitswerts auf ... DM.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG sah nur eine geschätzte Teilfläche von 40 x 45 m = 1 800 qm als Grundvermögen an und bewertete diesen Teil mit ... DM je qm = ... DM. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das FG vertrat die Meinung, daß im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung und die Lage und Gestaltung des Grundstücks der größte Teil der Grundstücksfläche noch dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen sei. Für diese Fläche müsse das FA einen Einheitswert noch feststellen. Hinsichtlich der Restfläche von rd. 1 800 qm dagegen sah es die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 BewG als gegeben an und bewertete diese Fläche als Grundvermögen (Bauerwartungsland). Es stützte seine Meinung u. a. darauf, daß die Gemeinde einen Flächennutzungsplan aufgestellt habe, in dem das streitige Grundstück insgesamt als Bauland vorgesehen sei. Damit habe das Grundstück am 1. Januar 1964 eine andere als land- und forstwirtschaftliche Zweckbestimmung erhalten. Das Grundstück sei auch nach seiner tatsächlichen Nutzung hinsichtlich der hier maßgebenden Teilfläche bebaubar. Daß das Grundstück noch nicht voll erschlossen sei und es insbesondere an einer entsprechenden Zufahrtsstraße ermangele, spreche zwar gegen die Baulandeigenschaft. Die Bewertung der nördlichen Grundstücksfläche als Bauland ergebe sich aber aus § 68 Abs. 1, § 33 Abs. 1 BewG, weil eine dauernde landwirtschaftliche Zweckbestimmung hinsichtlich der nach dem Flächennutzungsplan als Baugelände vorgesehenen nördlichen Grundstücksteilfläche nicht mehr gegeben sei. Die Einstufung als Bauerwartungsland oder als Rohbauland sei für die Behandlung als Grundvermögen nicht entscheidend. Im Hinblick auf wertmindernde Umstände (schlechte Zufahrtsmöglichkeiten, Geländeneigung, teilweise spitzwinkeliger Zuschnitt) hielt das FG einen qm-Preis von ... DM für angemessen.
Das FG hat die Revision zugelassen.
Die Revision des FA begehrt die Bewertung der Gesamtfläche als Grundvermögen unter Ermäßigung des Einheitswerts auf ... DM.
Das FA wehrt sich dagegen, daß rd. 2/3 der Gesamtfläche des Grundstücks als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet werden soll. Eine solche Bewertung scheitere daran, daß es an einer tatsächlichen nachhaltigen Ausübung der Land- und Forstwirtschaft fehle. Das Grundstück werde zu einem kleinen Teil als Gemüse-, Blumen- und Ziergarten, im übrigen als Erholungsgelände genutzt. Im Flächennutzungsplan sei das gesamte Grundstück als Bauland ausgewiesen. Daß das Grundstück nur teilweise bebaut werden könne, sei insoweit unbeachtlich.
Die Klägerin beantragt kostenpflichtige Zurückweisung der Revision. Sie ist der Meinung, daß das Grundstück zu keinem Teil als Gartenland für Zwecke der Erholung angesehen werden könne. Das Grundstück könne auch nicht als teilweise bebaut beurteilt werden, weil es sich bei der Bebauung nur um ein kleines Holzhaus handle, das zur Einstellung der Geräte und als Unterstellmöglichkeit diene. Entgegen der Einstufung als Bauland im Flächennutzungsplan seien bis jetzt keinerlei Erschließungsmaßnahmen durchgeführt worden, die eine Bebauung ermöglichen könnten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Der erkennende Senat hat im Beschluß vom 3. März 1967 III B 20/66 (BFHE 88, 280, BStBl III 1967, 370) ausgeführt, daß die Frage der Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Grundvermögen im wesentlichen von den im einzelnen Fall vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen abhängt. Diese Entscheidung ist zwar zu § 51 Abs. 2 BewG i. d. F. vor BewG 1965 ergangen, sie ist jedoch auch für den Fall des § 69 Abs. 1 BewG 1965 anwendbar, da letztere Vorschrift weitgehend mit der alten Fassung übereinstimmt. Das FA hat die Voraussetzungen für die Bewertung als Grundvermögen für 1/3 der Gesamtfläche als gegeben angesehen. Es hat seine Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, daß das streitige Grundstück im Flächennutzungsplan der Gemeinde als Bauland ausgewiesen sei. Diese Auffassung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Der Flächennutzungsplan ist nur ein vorbereitender Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 des Bundesbaugesetzes - BBauG -). Nach § 5 BBauG ist im Flächennutzungsplan für das gesamte Gemeindegebiet die sich aus der tatsächlichen städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung an den Grundstücken nach den vorhersehbaren Bedürfnissen der Gemeinde darzustellen. Diese "Darstellung" entspricht aber nicht einer "Festsetzung", da diese erst durch den Bebauungsplan festgelegt wird. Die Aufstellung eines Flächennutzungsplanes bewirkt noch keine die Rechtslage der erfaßten Grundstücksflächen gestaltende Regelung (Brügelmann/Grauvogel, Bundesbaugesetz, § 5 Anm. I 2 b); sie löst noch keinerlei unmittelbare Rechtswirkung nach außen aus (vgl. Heitzer/Oestreicher, Bundesbaugesetz, 4. Aufl. 1970, § 5 Anm. 1), insbesondere folgt aus dem Flächennutzungsplan selbst noch kein Recht zum Bauen (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 15. April 1970 138 II 68, Bayerische Verwaltungsblätter 1971 S. 63; s. auch Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bundesbaugesetz, Kommentar, § 6 Anm. 2, 3). Der Flächennutzungsplan selbst läßt hiernach noch keinen incidenten Schluß auf die Planungsabsichten zu. Zwar ist die Gemeinde bei der Aufstellung des endgültigen Bebauungsplanes an den Flächennutzungsplan gebunden, solange sie diesen nicht geändert hat. Doch kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Aussage des Flächennutzungsplanes auch dadurch aufgehoben werden, daß die Entwicklung in einem Gebiet tatsächlich anders verläuft als die Zielsetzung des Flächennutzungsplanes. Daraus folgt, daß der Flächennutzungsplan keinen Rechtsnormcharakter hat (vgl. Heitzer/Oestreicher, a. a. O., 6. Aufl., § 5 Anm. 2 b Abs. 3). Kann sonach der Flächennutzungsplan in seiner Bedeutung dem Bebauungsplan i. S. des § 69 Abs. 3 BewG 1965 nicht gleichgestellt werden, so folgt daraus weiter, daß aus dem Flächennutzungsplan allein keine Rechtsfolgerungen für die Anwendung des § 69 Abs. 1 BewG 1965 hergeleitet werden können. Bei zutreffender Rechtsauslegung der Wirkungen eines Flächennutzungsplanes hätte daher die Vorinstanz die Auskunft der Gemeinde B, nach welcher mit einer Bebauung innerhalb eines Zeitraumes von sechs Jahren - vom Stichtag 1. Januar 1964 aus gesehen - auch für eine Teilfläche nicht zu rechnen war, nicht unbeachtet lassen dürfen.
2. Bei dieser Sach- und Rechtslage erweist sich das Begehren des FA in der Revision, die gesamte Grundstücksfläche als Grundvermögen zu bewerten, als unbegründet. Ob die Bewertung der 1/3-Teilfläche als Grundvermögen durch das FG zutreffend bewertet ist, kann der Senat nicht prüfen, da die Klägerin keine Revision eingelegt hat.
Das FG hat im übrigen die Klage abgewiesen. Dies steht im Widerspruch zu den Urteilsgründen, nach denen das FA die Restfläche als land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten hat. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung war dementsprechend zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 72705 |
BStBl II 1978, 292 |
BFHE 1978, 367 |