Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Pächter (Unterpächter) auf der von ihm gepachteten Parzelle eines Kleingartengebiets ein Wohngebäude errichtet, so ist diese mit einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§ 94 BewG) bebaute Fläche als Grundvermögen zu bewerten und dem Eigentümer (= Verpächter) des Grund und Bodens zuzurechnen.
2. Die Größe der als Grundvermögen zu bewertenden Fläche hängt von den Verhältnissen des einzelnen Falles ab; sie kann auch die ganze Parzelle umfassen. Fehlen äußerlich erkennbare Abgrenzungsmerkmale, so kann das Fünffache der überbauten Fläche ein geeigneter Abgrenzungsmaßstab sein.
Normenkette
BewG 1965: §§ 2, 34 Abs. 4, §§ 69, 82 Abs. 2 Nr. 1, § 94
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung und Zurechnung einer Teilfläche einer verpachteten Kleingartenparzelle, auf der ein Unterpächter ein Gebäude errichtet hat.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebes. Teilflächen dieses Betriebes wurden in den Jahren 1939 bis 1942 an die damalige Bezirksgruppe X im Reichsbund deutscher Kleingärtner eV zur kleingärtnerischen Nutzung verpachtet. An die Stelle dieses ersten Pächters ist inzwischen der Beigeladene zu 1 (= B 1) getreten. Eine Teilfläche war an den Beigeladenen zu 2 (= B 2) als Unterpächter verpachtet. Letzterer hatte hierauf im Jahre 1941 ein Gebäude mit einer Wohnfläche von 22 qm errichtet.
Das Finanzamt - FA - (Beklagter und Revisionsbeklagter), bewertete dieses Gebäude als Gebäude auf fremdem Grund und Boden und rechnete es B 2 zu. Für eine Teilfläche von 110 qm stellte es dagegen einen Einheitswert als Grundvermögen in Höhe von 600 DM fest. Diese Teilfläche rechnete es in einem Änderungsbescheid vom 29. August 1973 der Klägerin allein zu, die diesen Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens machte.
Die Klage, mit welcher sich die Klägerin sowohl gegen die Bewertung als Grundvermögen als auch gegen die Zurechnung dieser Grundfläche an sie wandte, blieb ohne Erfolg.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision wird Verletzung der §§ 2, 70 Abs. 3, 82 Abs. 2 Nr. 1 und 94 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG) sowie der §§ 5 und 11 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) gerügt. Die Klägerin verweist zur Begründung auf die in Abschn. 2 Abs. 8 Nr. 1 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) getroffene Regelung, nach welcher Kleingartenland grundsätzlich als land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten sei. Die Bewertung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen als Grundvermögen komme nach § 69 Abs. 3 BewG nur in Betracht, wenn diese Flächen in einem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt seien, ihre sofortige Bebauung möglich sei und die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen bereits begonnen habe oder schon durchgeführt sei. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Damit sei die Bewertung der Grundfläche als Grundvermögen und ihre Zurechnung an die Klägerin nicht möglich.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision. Es ist der Meinung, daß bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden sowohl für die Bewertung der Grundstücksfläche als Grundvermögen als auch für die Bewertung des Gebäudes § 94 Abs. 1 und Abs. 2 BewG eine Sonderregelung gegenüber der Vorschrift des § 69 BewG enthalte. Die Anwendung des § 94 BewG könne auf den vorliegenden Sachverhalt nicht von der Überlegung bestimmt werden, daß dadurch höhere steuerliche Belastungen folgten und die Mehrsteuern möglicherweise durch die Einnahmen nicht gedeckt seien. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hätte eine unrechtmäßige Bebauung abgewendet werden und eine besondere Vergütung erhoben werden können, wenn das in einem Kleingarten stehende Haus bewohnt werde. Im übrigen schließe eine unrechtmäßige Bebauung die Anwendung des § 94 BewG nicht aus. Durch die Errichtung des Gebäudes sei der Grund und Boden zweckentfremdet, so daß die Bestimmungen des Abschn. 2 Abs. 8 BewRGr nicht anzuwenden seien. Da weder Pächter noch Unterpächter über das Grundstück wie ein bürgerlich-rechtlicher Eigentümer verfügen könnten, könne das Grundstück auch nicht dem Pächter oder dem Unterpächter zugerechnet werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Grundstücksflächen, die als Kleingartenland verpachtet und genutzt werden, sind in der Regel wegen des weitgehenden Pachtschutzes als land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten Die in Abschn. 2 Abs. 8 BewRGr vorgesehene Regelung entspricht insoweit der Rechtslage. Dagegen sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen nach § 69 Abs. 3 BewG dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn die Flächen in einem Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen sind, die sofortige Bebauung möglich ist und die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen bereits begonnen hat. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
2. Im Streitfall hat B 2 als Unterpächter auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Wohngebäude errichtet, das als Grundvermögen anzusehen ist. Denn die Wohnlage ist nicht durch die gärtnerische Tätigkeit vorgegeben (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juni 1978 III R 112/76, BFHE 125, 459, BStBl II 1978, 642, unter II, 2). B 2 ist wirtschaftlicher Eigentümer dieses Gebäudes. Damit wurde es ihm zu Recht als selbständige wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 BewG zugerechnet.
Diese Bewertung steht nicht im Widerspruch zu § 34 Abs. 4 BewG, wonach Gebäude, die ein Dritter errichtet hat, in die Bewertung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft einbezogen werden können. Diese Vorschrift betrifft nur zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehörende Gebäude, die ein Pächter auf gepachtetem Grund und Boden zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines Rechts an dem Grund und Boden errichtet hat (§ 94 Abs. 1 BGB). Hierunter fallen nach der Systematik des Bewertungsrechts bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft nur Gebäude, die im Rahmen der Ermittlung des Wirtschaftswerts berücksichtigt werden können, wie z. B. Schuppen, Feldscheunen usw. (vgl. Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 11. Aufl., § 34 BewG Anm. 14). Einer Einbeziehung von als Grundvermögen zu bewertenden Wohngebäuden und Flächen, die der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen sind, würde § 2 BewG entgegenstehen.
In den Fällen des § 94 BewG (Gebäude auf fremdem Grund und Boden) ist gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 BewG der Bodenwert dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen. Dabei gilt der Grund und Boden, auf dem das Gebäude errichtet ist, als bebautes Grundstück und ist nach derselben Grundstücksart wie das Gebäude zu bewerten (§ 94 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz BewG). In diesen Fällen ist davon auszugehen, daß die Grundstücksfläche selbst insoweit zweckentfremdet ist und nicht mehr als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet werden kann, weil sie nicht mehr dazu bestimmt ist, dauernd einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BewG). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
3. Eine Zurechnung der bebauten Fläche an B 1 oder B 2 als Haupt- bzw. Unterpächter ist nicht möglich, da beide nach den Feststellungen des FG nicht als wirtschaftliche Eigentümer in Betracht kommen. B 1 und B 2 nutzen das Grundstück aufgrund eines Pachtvertrages. Sie zahlen der Klägerin den Pachztins und sind verpflichtet, zu jeder Veränderung am Pachtobjekt, beispielsweise zur Stromversorgung, die Erlaubnis der Klägerin einzuholen. Die einzelnen Kleingartenparzellen werden außerdem nach der Satzung des B 1 beim Tode eines Kleingärtners frei und ohne Berücksichtigung der Erbfolge neu vergeben.
Die Tatsache, daß das Gebäude, wie von der Klägerin vorgetragen, ohne ihre Einwilligung und entgegen öffentlich-rechtlicher Bauvorschriften errichtet wurde, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Auch für ein verbotswidrig errichtetes Gebäude ist ein Einheitswert festzustellen, solange der objektive Tatbestand gegeben ist. Die kleingartenrechtlichen Beschränkungen stehen einer Bewertung ebenfalls nicht entgegen, da selbst ein gesetzliches Veräußerungsverbot dem Grundstück nicht die Verkehrs- und Bewertungsfähigkeit nehmen würde (vgl. BFH-Entscheidung vom 5. Juli 1957 III 187/55 S, BFHE 65, 157, BStBl III 1957, 295).
4. Das FA hat die als Grundvermögen zu bewertende Grundstücksfläche mit dem Fünffachen der bebauten Fläche (5 x 22 = 110 qm) und dem Kaufpreis für Gartenland angesetzt. Hierzu ist zunächst davon auszugehen, daß durch die Bebauung mit einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden nicht nur die bebaute Fläche, sondern darüber hinausgehende Teile, unter Umständen auch die ganze vermietete oder verpachtete Teilfläche, als zweckentfremdet angesehen werden muß. Ob letzteres der Fall ist, richtet sich nach Lage des einzelnen Falles.
Handelt es sich bei der wirtschaftlichen Einheit, auf der das Gebäude errichtet wurde, um eine verhältnismäßig kleine Fläche, wird die Beeinträchtigung durch den Bau des Hauses unter Umständen die Nutzung der ganzen Fläche beeinträchtigen mit der Folge, daß die ganze Fläche als unbebautes Grundstück zu bewerten ist. Ergeben sich keine äußerlich erkennbaren Abgrenzungsmerkmale, so erscheint es dem Senat vertretbar, die in § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG getroffene Regelung über einen Zuschlag wegen übergroßer Fläche sinngemäß anzuwenden. Im Streitfall hat das Gebäude nur eine Wohnfläche von 22 qm. In solchen Fällen kann die als Grundvermögen zu bewertende Fläche mit dem Fünffachen der überbauten Fläche angesetzt werden (vgl. hierzu z. B. Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 82 BewG Anm. 11 Abs. 1). Die vom FA vorgenommene Abgrenzung ist jedenfalls nicht willkürlich getroffen worden. Der Senat braucht aber diese Frage - ebenso wie das FG - nicht endgültig zu entscheiden, da die Berücksichtigung einer größeren Fläche im Streitfall zu einer unzulässigen Verböserung führen würde.
5. Was den Bodenwert betrifft, so ist er nach § 94 Abs. 2 Halbsatz 1 BewG nach den für unbebaute Grundstücke geltenden Grundsätzen zu ermitteln, d. h. gemäß § 9 BewG mit dem gemeinen Wert. Das FA hat demgegenüber der Bewertung den Verkaufspreis für Gartenland zugrunde gelegt. Der Senat ist der Auffassung, daß damit dem Vorbringen der Klägerin über die Beschränkung der Verfügungsmacht über das Grundstück hinreichend Rechnung getragen ist.
Nach alledem kann die Revision keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 73100 |
BStBl II 1979, 398 |
BFHE 1979, 220 |