Leitsatz (amtlich)
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks, das mehreren gehört, sind, wenn auf das Rechtsverhältnis zwischen den Miteigentümern die Vorschriften über die Gemeinschaft Anwendung finden, den Teilhabern grundsätzlich nach dem Verhältnis ihrer Anteile zuzurechnen. Eine davon abweichende Gestaltung durch die Teilhaber ist auch steuerrechtlich zu beachten, soweit sie ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis hat.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1; AO § 215 Abs. 2 Nr. 4, § 216 Abs. 1 Nr. 2; BGB §§ 743, 745, 748
Tatbestand
Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) sind Erbinnen ihres im Jahre 1970 verstorbenen Vaters O W. Dieser und sein zum Verfahren beigeladener Bruder F W waren in ungeteilter Erbengemeinschaft Miteigentümer zweier Mietwohngrundstücke in B. Das Grundstück M verwaltete O W, das Grundstück T F W. Über die Höhe und die Verteilung der Mietüberschüsse gab es Streitigkeiten. Deshalb behielt jeder die Mietüberschüsse des von ihm verwalteten Grundstücks. Schließlich schlossen die Brüder am 14. November 1967 einen Auseinandersetzungsvertrag, in dem auch bestimmt war, daß Nutzungen und Lasten des Grundstücks M, um deren steuerliche Behandlung es in diesem Rechtsstreit geht, mit Wirkung vom 31. Dezember 1967 auf O W übergehen sollten. Der Vertrag wurde nicht vollzogen, da O W starb. Am 29. Juni 1971 vereinbarten die Klägerinnen als seine Erbinnen und der Beigeladene, daß das Grundstück alleiniges Eigentum der Klägerinnen werden sollte und daß alle Ansprüche ausgeglichen sein sollten.
Die Einkünfte des Grundstücks M waren bis zum Jahre 1967 vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) entsprechend den von dem verstorbenen O W abgegebenen Steuererklärungen je zur Hälfte den Brüdern zugerechnet worden. Gleiches geschah zunächst auch für das Streitjahr 1968. Danach änderte das FA jedoch auf Einspruch des F W gegen den Willen der im Einspruchsverfahren hinzugezogenen Klägerinnen den Feststellungsbescheid für 1968 durch Einspruchsbescheid hinsichtlich der Zurechnung der Einkünfte ab. Dem verstorbenen O W rechnete es einen Überschuß in Höhe von 9 646 DM und dem Miteigentümer F W einen Verlust in Höhe von 505 DM, das ist der halbe AfA-Anteil, zu.
Mit der Klage begehrten die Klägerinnen demgegenüber wie zuvor die hälftige Zurechnung des Überschusses. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im wesentlichen aus: Die Einkünfte eines im Miteigentum stehenden Hauses seien grundsätzlich nach dem Verhältnis der Beteiligungsquoten aufzuteilen. Das gelte jedoch nicht, wenn die Miteigentümer vertraglich eine abweichende Aufteilung der Grundstückserträge vereinbarten und vornähmen, und ebenfalls nicht, wenn ein Gemeinschafter sich kurzerhand einen den Beteiligungsquoten nicht entsprechenden Anteil an den Grundstückserträgen zueigne und es ungewiß sei, ob die übrigen Gemeinschafter gegen ihn Ausgleichsansprüche geltend machen und durchsetzen würden (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Februar 1965 VI 234/63 U, BFHE 82, 25, BStBl III 1965, 256, und vom 1. August 1968 IV R 177/66, BFHE 93, 239, BStBl II 1968, 740). Im Streitfall müßten die Überschüsse dem O W zugerechnet werden, weil er sie nicht mit F W geteilt und sie endgültig für sich behalten habe. Die später geschlossenen Vereinbarungen stünden dem nicht entgegen, da nach ihnen die Erträge des Jahres 1968 dem O W bzw. dessen Erbinnen verbleiben sollten. Es könne dahinstehen, ob die Überschüsse möglicherweise nach der letzten Vereinbarung steuerlich den Brüdern je zur Hälfte zugerechnet werden sollten, da eine solche Vereinbarung auf die steuerliche Behandlung keine Auswirkung habe.
Mit der Revision rügen die Klägerinnen sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts. Sie bringen im wesentlichen vor: Aus der Vereinbarung zwischen den Klägerinnen und dem Beigeladenen, daß durch die Überlassung des Grundstücks alle Ansprüche abgegolten sein sollten, folge, daß es auch bei der bisherigen steuerlichen Behandlung verbleiben solle. Die Entscheidung des FG weiche von den Urteilen des BFH IV R 177/66 und VI 234/63 U ab.
Die Klägerinnen beantragen die Zurechnung des Überschusses statt zu 1/1 nur zu 1/2.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Der Beigeladene F W beantragt ebenfalls die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks M sind, abgesehen von der AfA, ganz dem verstorbenen Miteigentümer O W zuzurechnen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 215 Abs. 2 Nr. 4, § 216 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -).
1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks, das mehreren gehört, sind, wenn - wie im Streitfall - auf das Rechtsverhältnis zwischen den Miteigentümern die Vorschriften über die Verteilung der Aufwendungen und Erträge in einer Gemeinschaft Anwendung finden (§§ 2038, 743, 748 BGB), grundsätzlich den Teilhabern nach dem Verhältnis ihrer Anteile zuzurechnen. Denn nach §§ 743, 748 BGB steht jedem Teilhaber ein seinem Anteil entsprechender Teil der Früchte zu und ist jeder Teilhaber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstandes sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen Benützung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.
Die Teilhaber können jedoch etwas anderes vereinbaren (vgl. §§ 305, 745, 2038 BGB). Eine solche Vereinbarung ist auch steuerrechtlich bei der Zurechnung der Einkünfte zu beachten, soweit in ihr keine Verwendung des Einkommens liegt, z. B. durch Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 EStG. Hat die Vereinbarung ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis, z. B. eine vom Gesetz abweichende Verteilung der Einnahmen wegen unterschiedlicher Beteiligung der Teilhaber an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes, fällt sie nicht in den Bereich der Einkommensverwendung. Gleiches gilt, wenn einem Teilhaber tatsächlich höhere Einnahmen zufließen oder er höhere Ausgaben trägt, als es der gesetzlichen Regel entspricht. Auch dann sind es Einnahmen oder Ausgaben "aus Vermietung und Verpachtung", die bei ihm anfallen und die ihm zuzurechnen sind, soweit die tatsächliche Gestaltung ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis hat.
Danach sind im Streitfall die Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks M, soweit sie dem verstorbenen O W zugeflossen sind, und die damit verbundenen Ausgaben, soweit sie der verstorbene O W getragen hat, mit Ausnahme der AfA (s. unten Nr. 2) dem verstorbenen O W zuzurechnen. Denn der Zufluß dieser Einnahmen und der Abfluß der Ausgaben hatten ihren Grund darin, daß O W auf die Mietüberschüsse des Grundstücks M Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis erhob. Mag dieser Anspruch auch von dem Beigeladenen bestritten worden sein, die tatsächliche Gestaltung hatte gleichwohl ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis und nicht in anderen tatsächlichen oder rechtlichen Beziehungen zwischen den Teilhabern.
Andererseits könnten der Zufluß der Einnahmen und der Abfluß der Ausgaben bei O W nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß O W möglicherweise damit rechnen mußte, daß er einen Teil der vereinnahmten Überschüsse an den Beigeladenen werde herausgeben müssen (vgl. BFH-Urteil vom 1. März 1977 VIII R 106/74, BFHE 122, 60, BStBl II 1977, 545). Soweit der VI. Senat des BFH in dem Urteil VI 234/63 U, auf das sich die Klägerinnen berufen, für Ausgaben eine andere Auffassung vertreten hat, kann ihm der Senat nicht folgen, weil Zufluß von Einnahmen und Abfluß von Ausgaben in dieser Beziehung gleichzubehandeln sind.
Ohne Erfolg berufen sich die Klägerinnen darauf, daß durch ihre Vereinbarung mit dem Beigeladenen die vorherige steuerrechtliche Behandlung (Zurechnung der Mietüberschüsse des Grundstücks M je zur Hälfte an O W und F W) bestätigt werden sollte. Denn durch eine zivilrechtliche Vereinbarung können die öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Besteuerung nicht geändert werden. Allenfalls bestehen zivilrechtliche Ausgleichsansprüche.
2. Zum Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens gehört auch die Verteilung der AfA, weil diese bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Die AfA sind weder ein zuwendbarer Gegenstand i. S. des BGB (eine Sache oder ein Recht) noch ein zuwendbares Wirtschaftsgut, sondern die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts auf seine Nutzungsdauer in der besonderen gesetzlichen Form. Die AfA können von demjenigen geltend gemacht werden, der den Wertverzehr des zur Erzielung der Einkünfte eingesetzten Gegenstandes wirtschaftlich trägt (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1974 VIII R 210/72, BFHE 112, 165, BStBl II 1975, 6). Sie stehen demnach grundsätzlich demjenigen zu, der die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten getragen hat oder dem die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers zuzurechnen sind. Da im Streitjahr 1968 eine Erbauseinandersetzung hinsichtlich des Eigentums an dem Grundstück M noch nicht erfolgt war, verbleibt es für die AfA bei der gesetzlichen Regel, nach der sie den Teilhabern nach dem Verhältnis ihrer Anteile am gemeinschaftlichen Grundstück zuzurechnen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 72872 |
BStBl II 1978, 674 |
BFHE 1979, 532 |