Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen eines Elternteils für Besuche seines von ihm getrennt lebenden Kindes; Schulgeldzahlungen
Leitsatz (NV)
1. Aufwendungen eines Elternteils für Besuche seiner bei dem anderen Elternteil lebenden Kinder sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
2. § 33a Abs. 5 EStG schließt den Abzug von Aufwendungen für die ‐ auch den Schulbesuch umfassende ‐ Berufsausbildung des Kindes nur dann nicht aus, wenn durch außergewöhnliche Umstände ‐ wie die Krankheit des Kindes ‐ zusätzliche durch den Ausbildungsfreibetrag und den Familienleistungsausgleich nicht abgegoltene besondere Aufwendungen entstehen.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
A. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war mit einer spanischen Staatsangehörigen verheiratet, die nach der Trennung vom Kläger mit den drei gemeinsamen Kindern nach Spanien zurückkehrte, nachdem ihr das Amtsgericht mit Beschluss vom 17. August 2000 das alleinige Sorgerecht übertragen hatte. Die beiden älteren Kinder besuchten die Deutsche Schule in A, das jüngste Kind den dieser Schule angeschlossenen Kindergarten. Nach der Entscheidung des Amtsgerichts vom 20. Februar 2001 hatte der Kläger die Kosten hierfür zu tragen (2001: 11 807 DM; 2002: 5 170 €).
Nach einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts vom 2. August 2001 hatte der Kläger das Recht, die drei Kinder an jedem ungeraden Wochenende sowie während eines Teils der Schulferien zu sich zu nehmen. Der Kläger hatte sich zur Übernahme der Kosten bereit erklärt. Für die Flüge des Klägers nach Spanien und für die Flüge der Kinder von Spanien entstanden dem Kläger im Jahr 2001 Kosten in Höhe von 8 908,26 DM und im Jahr 2002 in Höhe von 7 394,06 €.
Gegen die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts vom 17. August 2000 erhob der Kläger erfolglos Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG). Auf seine Verfassungsbeschwerde hob das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch Beschluss vom 1. März 2004 1 BvR 738/01 (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2004, 1015) die Entscheidungen des Amtsgerichts und des OLG auf und verwies die Sache an das OLG zurück. Das BVerfG war der Auffassung, Amtsgericht und OLG hätten erwägen müssen, den Eltern das gemeinsame Sorgerecht zu belassen und wegen der Differenzen über den Aufenthaltsort der Kinder nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht ggf. verbunden mit einer Umgangsregelung auf die Mutter zu übertragen. Eine Entscheidung des OLG ist bisher noch nicht ergangen.
In der Einkommensteuererklärung für 2001 machte der Kläger die Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben, in der Einkommensteuererklärung für 2002 als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Schulgeldzahlungen in den Einkommensteuerbescheiden für 2001 und 2002 vom 1. April 2004 als außergewöhnliche Belastung, weil das Amtsgericht den Kläger zur Zahlung des Schulgeldes als Teil des Unterhalts verpflichtet habe.
Im Einspruchsverfahren beantragte der Kläger, auch die Kosten für seine Flüge und die Flüge seiner Kinder von und nach Spanien als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Das FA wies die Einsprüche des Klägers gegen die Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte die Flugkosten des Klägers als außergewöhnliche Belastung. Die Schulgeldzahlungen ließ es nur in Höhe von 30 % als Sonderausgaben zum Abzug zu. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1249 veröffentlicht.
Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es beruft sich für seine Auffassung, dass die Kosten für den Umgang mit den Kindern nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien, auf das Senatsurteil vom 28. März 1996 III R 208/94 (BFHE 180, 551, BStBl II 1997, 54).
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat ebenfalls Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 18. Mai 2006, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 20. Mai 2006, wies die Vorsitzende des Senats die Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass das Urteil des FG dem Kläger am 11. März 2006 zugestellt worden und die Frist für die Begründung der Revision somit am 11. Mai 2006 abgelaufen sei.
Am 2. Juni 2006 nahm die Prozessbevollmächtigte zur Revisionsbegründung des FA Stellung und begründete die Revision des Klägers. Am 12. Juni 2006 ging per Telefax ein weiteres --vom 23. Mai 2006 datiertes-- Schreiben ein, in dem die Prozessbevollmächtigte wegen der versäumten Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte. Zur Begründung brachte sie vor, es sei ihr nicht möglich gewesen, fristgerecht eine mit dem Kläger abgestimmte Revisionsbegründung einzureichen, weil dieser sich als Pilot im weltweiten Einsatz befinde.
Zur Sache trägt der Kläger im Wesentlichen vor, das Senatsurteil in BFHE 180, 551, BStBl II 1997, 54 sei vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (KindRG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 2942) ergangen und könne daher nicht auf die Streitjahre 2001 und 2002 übertragen werden. Durch das KindRG sei das Sorge- und Umgangsrecht neu geregelt worden. Danach stehe das Sorgerecht beiden Eltern gemeinsam zu. Ursache für das Entstehen der Flugkosten sei der verfassungswidrige Beschluss des Amtsgerichts vom 17. August 2000 gewesen, mit dem das Sorgerecht der Ehefrau übertragen worden sei. Aufgrund ihres Sorgerechts sei es der Ehefrau möglich gewesen, mit den Kindern nach Spanien zu ziehen, so dass er, der Kläger, um seine Kinder sehen zu können, die Flugkosten habe aufbringen müssen.
Auch die Schulkosten seien zwangsläufig entstanden, weil die Ehefrau als Sorgeberechtigte die Entscheidung über die Art des Schul- und Kindergartenbesuchs zu treffen und das Amtsgericht die Kosten den vom Kläger zu tragenden Unterhaltskosten zugeordnet habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Schulkosten für das Jahr 2001 in Höhe von 11 807 DM und für das Jahr 2002 in Höhe von 5 170 € sowie die Flugkosten für das Jahr 2001 in Höhe von 8 908 DM und für das Jahr 2002 in Höhe von 7 394,06 € als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Entscheidungsgründe
B. I. Die Revision des Klägers ist unzulässig.
Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des
vollständigen Urteils zu begründen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO). Da das FG-Urteil dem Kläger am 11. März 2006 zugestellt und ein Antrag auf Verlängerung der Frist nicht gestellt worden war, lief die Begründungsfrist am 11. Mai 2006 ab. Der erst am 2. Juni 2006 eingegangene Revisionsbegründungsschriftsatz ist somit verspätet.
Dem Kläger kann wegen dieses Fristversäumnisses keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 56 FGO), weil er die Frist nicht ohne Verschulden versäumt hat. Dass die Prozessbevollmächtigte mit dem Kläger die Revisionsbegründung nicht abstimmen konnte, weil er als Pilot weltweit im Einsatz war, entschuldigt die Fristversäumnis nicht. Denn die Prozessbevollmächtigte hätte vor Fristablauf Fristverlängerung beantragen können, die bei erstmaliger Antragstellung regelmäßig gewährt wird. Der Kläger muss sich nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. März 2007 V B 157/06, BFH/NV 2007, 1514, m.w.N.).
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Entgegen der Auffassung des FG sind die Aufwendungen des Klägers für die Besuche seiner in Spanien lebenden Kinder nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung) erwachsen.
Die Aufwendungen entstehen gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Zwangsläufigkeit dem Grunde nach) und soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (Zwangsläufigkeit der Höhe nach).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die typischen Aufwendungen der Lebensführung sind dagegen ungeachtet ihrer Höhe im Einzelfall aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen. Sie werden durch den Grundfreibetrag (§ 32a EStG) berücksichtigt (z.B. Senatsurteil vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BStBl II 2007, 764, BFH/NV 2007, 1768). Familienbedingte Aufwendungen sind bis 1995 durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs (Kinderfreibetrag und Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz --BKGG--) und ab 1996 durch die Regelungen des Familienleistungsausgleichs in den Streitjahren 2001 und 2002 (Freibeträge für Kinder oder Kindergeld --§ 32 Abs. 6, § 31 EStG--) abgegolten (z.B. Senatsurteile in BFHE 180, 551, BStBl II 1997, 54, und vom 18. Juni 1997 III R 60/96, BFH/NV 1997, 755).
c) Zu den nicht außergewöhnlichen, bei typisierender Betrachtungsweise abgegoltenen Aufwendungen gehören in der Regel die Kosten für Fahrten, um nahe Angehörige zu besuchen (z.B. Senatsurteile vom 23. Mai 1990 III R 63/85, BFHE 161, 69, BStBl II 1990, 894, und III R 145/85, BFHE 161, 73, BStBl II 1990, 895 --Besuch des Ehegatten bzw. des Kindes in der Haftanstalt--; vom 24. Mai 1991 III R 28/89, BFH/NV 1992, 96, m.w.N. --Besuch des kranken Vaters--), es sei denn, die Fahrten werden ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit unternommen (Senatsurteil vom 6. April 1990 III R 60/88, BFHE 161, 432, BStBl II 1990, 958).
Durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs bzw. ab 1996 des Familienleistungsausgleichs sind nach der Rechtsprechung auch die Kosten eines alleinstehenden Elternteils für Wochenendfahrten zu einem von ihm getrennt lebenden Kind in Erfüllung der elterlichen Pflicht zur Personensorge abgegolten (Senatsurteile vom 29. August 1986 III R 209/82, BFHE 148, 22, BStBl II 1987, 167, und vom 12. Juli 1991 III R 23/88, BFH/NV 1992, 172, unter 1. b). Die Aufwendungen eines geschiedenen, nicht sorgeberechtigten Vaters für Fahrten zu seinem Kind aufgrund seines Besuchsrechts nach § 1634 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) a.F. hat der Senat --in einem den Veranlagungszeitraum 1990 betreffenden Fall-- ebenfalls als typische --nicht nach § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigende-- Kosten der Lebensführung behandelt (Senatsurteil in BFHE 180, 551, BStBl II 1997, 54). An den Grundsätzen dieser Entscheidung hält der Senat auch für die Streitjahre 2001 und 2002 fest.
d) Der Gesetzgeber hat die Aufwendungen des nicht sorgeberechtigten Elternteils für den Umgang mit seinem Kind --unabhängig von der Höhe der im Einzelfall entstehenden Aufwendungen-- den typischen Aufwendungen der Lebensführung zugeordnet, die durch den Kinderlastenausgleich bzw. ab 1996 durch den Familienleistungsausgleich berücksichtigt werden.
Durch das Steuerreformgesetz (StRG) 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) hat der Gesetzgeber den in § 33a Abs. 1 a EStG a.F. geregelten Freibetrag zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses aufgehoben. Dieser Freibetrag sollte insbesondere Aufwendungen abgelten, die einem geschiedenen Elternteil (dem das Kind nicht zugeordnet war) z.B. durch Besuche des Kindes entstanden. In der Begründung zum Entwurf des StRG 1990 wird ausgeführt, der Freibetrag sei zu einer Zeit eingeführt worden, zu der der barunterhaltspflichtige Elternteil grundsätzlich keine Steuerermäßigung für seine Kinder erhalten habe. Der ab 1983 wieder eingeführte Kinderfreibetrag stehe aber grundsätzlich beiden Elternteilen je zur Hälfte zu. Nach der mehrmaligen Anhebung des Kinderfreibetrags sei "es berechtigt, Aufwendungen zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses als durch Kinderfreibetrag und Kindergeld mit abgegolten zu betrachten" (BTDrucks 11/2157, S. 150).
e) Der seit 1996 eingeführte Familienleistungsausgleich (steuerliche Entlastung durch Kinderfreibetrag oder Kindergeld, § 32 Abs. 6, § 31 EStG) lässt die vom Gesetzgeber vorgesehene Abgeltungswirkung unberührt. Der in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 auch dem nicht sorgeberechtigten Elternteil zustehende Kinderfreibetrag oder das Kindergeld (falls der nichtsorgeberechtigte Elternteil Anspruch auf Kindergeld hat) gelten --ebenso wie im Veranlagungszeitraum 1990 der Kinderfreibetrag und das Kindergeld nach dem BKGG-- die zur typischen Lebensführung rechnenden Kosten für den Umgang mit dem Kind ab.
f) Die zivilrechtlichen Änderungen zum Umgangsrecht durch das KindRG vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 2942), das am 1. Juli 1998 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 17 § 1 KindRG), geben keinen Anlass, die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Nach § 1684 Abs. 1 BGB i.d.F. des KindRG ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind berechtigt und auch das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Dem Recht des Kindes entspricht eine Verpflichtung der Eltern zum Umgang mit dem Kind. Aufgrund dieser ausdrücklich geregelten Rechtspflicht jedes Elternteils sind die Aufwendungen zwar als zwangsläufig anzusehen. Dadurch, dass jeder Elternteil nunmehr nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, Kontakt zu seinem Kind zu halten, werden aber die zu den typischen Kosten der Lebensführung gehörenden Aufwendungen nicht außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG.
Das Recht und die Pflicht zum Umgang mit den eigenen Kindern bestehen auch bei intakten Ehen und ergeben sich hier aus dem gemeinsamen Sorgerecht für die Kinder. Bei getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern, insbesondere wenn nur ein Elternteil das Sorgerecht hat, bedarf es jedoch zur Vermeidung von Streit einer besonderen gesetzlichen Regelung. Steuerrechtliche Folgerungen hinsichtlich der durch den Umgang mit den Kindern entstehenden Kosten ergeben sich hieraus aber nicht.
Weder ist es als außergewöhnlich anzusehen, dass ein Elternteil von seinen Kindern getrennt lebt, weil zwischen den Eltern keine eheliche oder eheähnliche Lebensgemeinschaft (mehr) besteht, noch sind die aufgrund der Trennung der Eltern entstehenden Kosten für den Umgang mit den Kindern außergewöhnlich. Denn eine räumliche Trennung zwischen Eltern und Kindern ist auch bei zusammenlebenden Eltern nicht unüblich, etwa wenn Kinder eine Schule im Ausland besuchen, auswärtig für einen Beruf ausgebildet werden, in einem Heim, einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung untergebracht sind, oder im Rahmen eines Schüleraustauschs längere Zeit im Ausland leben.
g) In den Streitjahren stand dem Kläger gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG für jedes Kind ein Kinderfreibetrag in Höhe von 3 456 DM (2001) bzw. 1 824 € (2002) zu. Da die Ehefrau des Klägers nicht unbeschränkt steuerpflichtig war, wurde dem Kläger nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG je Kind der doppelte Kinderfreibetrag gewährt. Mit diesem das sächliche Existenzminimum des Kindes von der Einkommensteuer freistellenden Kinderfreibetrag (vgl. Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91 u.a., BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter C. I.) sind ungeachtet ihrer Höhe alle typischen Lebensführungskosten --wie die im Streitfall durch den Besuch der Kinder entstandenen Flugkosten-- abgegolten.
2. Die Entscheidung des Gesetzgebers, dass Kosten des getrennt lebenden Elternteils für Besuche des Kindes durch den Kinderlastenausgleich bzw. ab 1996 durch den Familienleistungsausgleich abgegolten sind, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger ist in seinen Grundrechten nicht dadurch verletzt, dass diese Kosten nicht nach § 33 EStG steuerlich berücksichtigt werden.
a) Nach der Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich im Einkommensteuerrecht für den Gesetzgeber aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) das Gebot, die Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit auszurichten, die nach dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip zu bemessen ist. Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips gebieten Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG, das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie von der Einkommensteuer zu verschonen. Auf Mittel, die für den Unterhalt von Kindern unerlässlich sind, darf der Staat bei der Besteuerung nicht in gleicher Weise zugreifen wie auf Mittel, die der Bürger zur Befriedigung beliebiger anderer Bedürfnisse einsetzen kann (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, und vom 16. März 2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, BFH/NV 2005, Beilage 4, 356, jeweils m.w.N.).
In seinen Entscheidungen in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, und in BVerfGE 112, 268, BFH/NV 2005, Beilage 4, 356 hat das BVerfG erstmals ausgeführt, für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen komme es nicht nur auf deren berufliche oder private Veranlassung an, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier/beliebiger Einkommensverwendung und "zwangsläufigem, pflichtbestimmten Aufwand". Auch wenn Aufwendungen ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen seien, müsse der Gesetzgeber die unterschiedlichen Gründe für den Aufwand "im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend würdigen". Beide Entscheidungen betrafen Aufwendungen der privaten Lebensführung, die auch durch den Beruf veranlasst waren (Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei Kettenabordnung und bei Ehegatten, die an verschiedenen Orten beruflich tätig waren, sowie Betreuungsaufwendungen berufstätiger Eltern).
Nicht nur im Bereich des objektiven, sondern auch im Bereich des subjektiven Nettoprinzips darf der Gesetzgeber aber generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, und in BVerfGE 112, 268, BFH/NV 2005, Beilage 4, 356).
Aufgrund dieser Befugnis des Gesetzgebers werden das von der Einkommensteuer freizustellende sächliche Existenzminimum des Steuerpflichtigen durch den Grundfreibetrag und das sächliche Existenzminimum eines Kindes durch den Kinderfreibetrag oder das Kindergeld berücksichtigt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter C. I.).
Maßgröße für das von der Einkommensteuer freizustellende sächliche Existenzminimum ist nach der Entscheidung des BVerfG vom 25. September 1992 2 BvL 5/91 u.a. (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, unter C. I. 3.) der im Sozialhilferecht jeweils anerkannte Mindestbedarf. Dieser umfasste in den Streitjahren 2001 und 2002 den von der zuständigen Landesbehörde oder dem örtlichen Sozialhilfeträger festgesetzten Regelsatz (vgl. § 22 Abs. 3 des Bundessozialhilfegesetzes --BSHG--), Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 3 Abs. 1 und 2 Regelsatzverordnung) sowie einmalige Hilfen, die einen zusätzlichen, durch die laufenden Leistungen nicht gedeckten Grundbedarf berücksichtigen.
Einmalleistungen werden in der Regel gewährt für die Instandsetzung sowie Beschaffung von Hausrat und Bekleidung sowie die "Wahrnehmung besonderer Anlässe" (vgl. Dritter Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für das Jahr 2001, BTDrucks 14/1926, S. 2). Einmalleistungen wurden aufgrund von Sondererhebungen des Statistischen Bundesamtes bei den örtlichen Sozialhilfeträgern für Alleinstehende mit 16 %, für erwachsene Haushaltsangehörige mit 17 % und für Kinder mit 20 % der Summe der Regelsätze angesetzt (Dritter Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für das Jahr 2001, BTDrucks 14/1926, S. 2, 3).
Da die sozialhilferechtlichen Regelsätze für Kinder altersabhängig und regional verschieden sind, sind nach der Entscheidung des BVerfG vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88 (BVerfGE 91, 93, BStBl II 1994, 909, unter C. II. 1. c) Durchschnittssätze zu bilden. Dementsprechend wurde das sächliche Existenzminimum eines Kindes mit 6 768 DM ermittelt (Dritter Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für das Jahr 2001, BTDrucks 14/1926, S. 5) und in den Streitjahren mit einem Betrag von 6 912 DM (2001) bzw. 3 648 € (2002) von der Einkommensteuer freigestellt.
b) Die Entscheidung des Gesetzgebers, dass Aufwendungen eines getrennt lebenden Elternteils für den Umgang mit den Kindern durch den Familienleistungsausgleich abgegolten sind, liegt im Rahmen seines Regelungsspielraums.
In welchem Umfang für den Umgang mit dem Kind Aufwendungen erbracht werden müssen und ob sie überhaupt in einem ins Gewicht fallenden Umfang entstehen, ist von Fall zu Fall verschieden und weitgehend von der persönlichen, vielfach auf rein privaten Motiven beruhenden Lebensgestaltung des nicht sorgeberechtigten Elternteils abhängig. Vielfach entstehen durch die Ausübung des Rechts und der Pflicht zum persönlichen Umgang nach § 1684 Abs. 1 BGB keine oder nur geringe zusätzliche, über die in jeder Familie üblichen Aufwendungen hinausgehende Kosten, weil die Kinder z.B. in der Nähe des nicht sorgeberechtigten Elternteils wohnen bleiben oder dieser den Kindern an einen neuen Wohnort nachfolgt. Individueller Sonderbedarf ist grundsätzlich nicht bei der Ermittlung des von der Steuer freizustellenden Existenzminimums zu berücksichtigen, da bei allen Steuerpflichtigen gleichermaßen die existenznotwendigen Mindestaufwendungen typisierend anzusetzen sind. Daher muss bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Existenzminimums auch nicht jede sozialrechtliche Zusatzleistung mitberücksichtigt werden (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 2007 III R 48/04, BFH/NV 2007, 2176). Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 1995 5 C 15/94 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1996, 1838), das Kosten für den Umgang mit dem Kind dem Grunde nach als sozialhilferechtlichen, nicht durch die Regelsätze abgedeckten Bedarf angesehen hat, für den einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1 BSHG oder besondere Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG in Betracht kommen können, lassen sich für die steuerrechtliche Behandlung keine Schlüsse ziehen.
In welchem Umfang durch eine zusätzliche steuerliche Entlastung der Umgang mit dem Kind erleichtert und gefördert werden soll, liegt im Regelungsermessen des Gesetzgebers (Senatsurteil in BFHE 180, 551, BStBl II 1997, 54).
3. Die Aufwendungen für Schule und Kindergarten hat das FG zutreffend nur in Höhe von 30 % als Sonderausgaben berücksichtigt (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Die darüber hinausgehenden Aufwendungen können nicht --im Wege der Saldierung-- als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Denn nach § 33a Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 EStG sind Aufwendungen für die --auch die Schulausbildung umfassende-- Berufsausbildung von Kindern nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Senats schließt § 33a Abs. 5 EStG den Abzug von Aufwendungen für die Ausbildung des Kindes grundsätzlich nur dann nicht aus, wenn durch außergewöhnliche Umstände --wie die Krankheit des Kindes-- zusätzliche durch den Ausbildungsfreibetrag und den Familienleistungsausgleich nicht abgegoltene besondere Aufwendungen entstehen (z.B. Senatsbeschluss vom 17. April 1997 III B 216/96, BFHE 183, 139, BStBl II 1997, 752, m.w.N., und BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 38/97, BFHE 193, 553, BStBl II 2001, 132).
Fundstellen
Haufe-Index 1936702 |
BFH/NV 2008, 539 |