Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen, die ein Arbeitnehmer zur Beseitigung von Schäden an seinem PKW macht, sind keine Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, wenn sich der Unfall auf einer mittäglichen Heimfahrt ereignet hat.
Mit den Pauschsätzen des § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1962 werden nur Werbungskosten, nicht auch Kosten der Lebensführung abgegolten.
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1, §§ 19, 33; LStDV § 20 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Der Bf. ist Beamter beim Finanzamt A., seine Familie wohnt in B., etwa 10 km von A. entfernt. Der Bf. fährt an etwa 220 Tagen im Jahr mit seinem PKW von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte und wieder zurück. Er hat außerdem in A. ein Zimmer gemietet, in dem er sein Mittagessen einnimmt. Auf der Fahrt dorthin erlitt er am Mittag des 23. Januar 1963 einen Verkehrsunfall. An seinem PKW entstand ein Sachschaden von 1.045 DM; der Wert des Unfallwagens minderte sich um 200 DM. Da die Versicherung den Schaden nicht ersetzte, beantragte der Bf., ihn im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1963 mit 1.245 DM als Werbungskosten abzuziehen. Die Fahrten zur Einnahme des Mittagessens sind nach seiner Auffassung beruflich bedingt. Er sei auf eine warme Mahlzeit angewiesen, weil seine Erwerbsfähigkeit durch eine Kriegsverletzung um 70 v. H. gemindert sei. Den Unfall habe er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht. Aufwendungen für Verkehrsunfälle seien mit den Pauschsätzen des § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1962 nicht abgegolten. Das Finanzamt ließ die 1.245 DM nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1964 S. 557 veröffentlicht ist, wies die Sprungberufung als unbegründet zurück und Führte aus, das Kraftfahrzeug gehöre zum Privatvermögen. Es werde durch die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht zu einem Arbeitsmittel. Aufwendungen für Hin- und Rückfahrten zum bzw. vom Dienst könnten gemäß § 9 Ziff. 4 EStG 1961 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1962 nur einmal pauschal als Werbungskosten abgezogen werden. Die Pauschsätze dürften nicht erhöht oder gar verdoppelt werden. Das ergebe sich aus den Urteilen des Senats VI 159/58 S vom 18. März 1960 (BStBl 1960 III S. 255, Slg. Bd. 71 S. 21) und VI 9/60 U vom 29. April 1960 (BStBl 1960 III S. 258, Slg. Bd. 71 S. 33). Der Bf. habe sich auf die Urteile des Senats VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BStBl 1962 III S. 192, Slg. Bd. 74 S. 513) und VI 49/62 U vom 9. August 1963 (BStBl 1963 III S. 502, Slg. Bd. 77 S. 496) berufen, die sich indessen nicht mit Mittagsheimfahrten eines Steuerpflichtigen befaßten, sondern mit Aufwendungen eines Arbeitnehmers für Dienstreisen, die vom Dienstherrn nicht oder nicht voll ersetzt würden. Mittagsheimfahrten seien nach dem Grundsatzurteil des Senats VI 98/61 S. vom 7. Dezember 1962 (BStBl 1963 III S. 134, Slg. Bd. 76 S. 363) Privatfahrten; Aufwendungen dafür könnten weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden.
Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Anwendung des § 9 EStG 1961. Er führt aus, Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien Werbungskosten (ß 9 Ziff. 4 EStG). Zu den Werbungskosten zählten auch die Mittagsheimfahrten. Da Aufwendungen zur Beseitigung von Unfallfolgen nicht mit den Pauschsätzen des § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1962 abgegolten würden, seien sie zusätzliche Werbungskosten. Das Finanzgericht habe bei seiner Entscheidung auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil 2 RU 124/54 vom 13. März 1956 (Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bd. 2 S. 239) nicht berücksichtigt, die sich mit mittäglichen Heimfahrten unter dem Gesichtspunkt des Versicherungsschutzes nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) befaßt habe. Darin liege ein Verfahrensmangel.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist unbegründet.
Das Finanzgericht brauchte sich nicht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage des Versicherungsschutzes bei Mittagsheimfahrten auseinanderzusetzen. Es geht dabei um ein anderes Rechtsproblem und die Auslegung eines anderen Gesetzes. Ob Unfallkosten Werbungskosten sind, ist eine steuerrechtliche Frage.
Dem Finanzgericht ist sachlich beizutreten. Kosten einer mittäglichen Heimfahrt sind grundsätzlich Kosten der privaten Lebensgestaltung. Ob ein Steuerpflichtiger bei getrennter Wohnung und Arbeitsstätte zur Einnahme des Mittagessens nach Hause fahren will, unterliegt seiner freien Entscheidung und der Wahl seiner persönlichen Lebensführung. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat darum bereits im Urteil IV 382/54 U vom 31. März 1955 (BStBl 1955 III S. 156, Slg. Bd. 60 S. 407) entschieden, daß bei Arbeitnehmern in der Regel nur die Kosten für eine Fahrt zur und von der Arbeitsstätte Werbungskosten seien. Dem ist der I. Senat im Urteil I 227/54 U vom 12. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 280, Slg. Bd. 61 S, 213) für Gewerbetreibende beigetreten. Anschließend hat der Senat im Urteil VI 159/58 S vom 18. März 1960 (BStBl 1960 III S. 255, Slg. Bd. 71 S. 21) ausgesprochen, daß Arbeitnehmer, die mit einem eigenen Kraftfahrzeug zur Arbeitsstätte fahren, die in § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1955/1962 festgelegten Pauschsätze grundsätzlich nur einmal ansetzen können, auch wenn sie an einem Arbeitstag mehrfach von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück fahren. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs ist im Grundsatzurteil IV 10/61 S vom 13. Dezember 1962 (BStBl 1963 III S. 91, Slg. Bd. 76 S. 255) - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung im Urteil IV 183/57 vom 19. Dezember 1957 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 247) - der Rechtsprechung des I. und VI. Senats beigetreten. Auch die Heimfahrten auf Grund einer ärztlichen Anordnung können nicht anders beurteilt werden (Urteil des Senats VI 28/64 U vom 13. März 1964, BStBl 1964 III S. 342, Slg. Bd. 79 S. 306). Mittagsheimfahrten eines Steuerpflichtigen sind also Privatfahrten, die dadurch entstehenden Kosten keine Werbungskosten. Das gilt auch für Reparaturkosten, die auf einen Unfall zurückgehen, der sich bei der mittäglichen Heimfahrt ereignet hat.
Zutreffend hat das Finanzgericht die Reparaturkosten auch nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG anerkannt. Die im Urteil des Senats VI 9/60 U (a. a. O.) zugelassene Möglichkeit, Kosten für mittägliche Heimfahrten in Krankheitsfällen nach § 33 EStG zu berücksichtigen, ist im Urteil IV 98/61 S (a. a. O.) aufgegeben worden. Diese Rechtsprechung hat der Senat im Urteil VI 28/64 U (a. a. O.) nochmals bestätigt. Der Senat befindet sich auch insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des IV. Senats für Gewerbetreibende und Freiberufler (Urteil IV 10/61 S, a. a. O., am Ende).
Wenn der Bf. meint, er könne die Reparaturkosten neben den Pauschsätzen abziehen, so übersieht er, daß mit den Pauschsätzen des § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1962 nur Werbungskosten abgegolten werden. Kosten, die ihrer Art nach keine Werbungskosten, sondern Kosten der Lebenshaltung sind, können darum auch nicht abgegolten bzw. neben dem Pauschsatz geltend gemacht werden.
Zu Unrecht beruft sich der Bf. schließlich noch auf das Urteil des Senats VI 79/60 S (a. a. O.), in dem der Senat entschieden hat, daß, wenn der PKW eines Arbeitnehmers auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zerstört oder beschädigt wird, die eingetretene Wertminderung oder die vom Arbeitnehmer getragenen Reparaturkosten Werbungskosten sein können. Hier ging es um Reparaturkosten, die durch einen Unfall auf der abendlichen Rückfahrt von der Arbeitsstätte entstanden waren. Für mittägliche Heimfahrten gelten diese Grundsätze nicht.
Der Hinweis des Bf. auf die Grundsätze der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge greift ebenfalls nicht durch. Hier geht es um die steuerliche Abgrenzung von Werbungskosten und Aufwendungen für die Lebenshaltung, die allein aus den steuerrechtlichen Vorschriften der §§ 9 und 12 Ziff. 1 EStG entnommen werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 411742 |
BStBl III 1965, 617 |
BFHE 1966, 322 |
BFHE 83, 322 |