Leitsatz (amtlich)
Die im Gesellschaftsvertrag einer Publikums-BGB-Gesellschaft enthaltene Regelung, daß der zur Geschäftsführung und Vertretung bestellte, nicht zum Kreis der Gesellschafter gehörende Verwalter aus wichtigem Grunde nur mit qualifizierter Mehrheit abberufen werden kann, ist unwirksam; es genügt die einfache Mehrheit.
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten zu 1 bis 4 wird – unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel und der Revision des Beklagten zu 5 – das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. März 1981 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als es die Berufungen der Beklagten zu 1 bis 4 gegen die Feststellung zurückgewiesen hat, daß die Beklagte zu 2 nicht Gesellschafterin ist.
Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 bis 4 wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 24. September 1980 teilweise geändert:
Soweit es um die Feststellung geht, daß die Beklagte zu 2 nicht Gesellschafterin der H. Patentvermietungsgesellschaft bürgerlichen Rechts ist, wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten aller Rechtszüge tragen die Kläger zu 4/19 und die Beklagten zu 15/19. Von den außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge schuldet jeder Kläger jedem Beklagten zu 1 bis 4 die Erstattung von 1/56 und jeder Beklagte jedem Kläger die Erstattung von 3/19 der Kosten.
Tatbestand
Der Kläger zu 2 und der Rechtsvorgänger der Klägerin zu 1 gründeten am 1. Oktober 1977 die H. Patentvermietungsgesellschaft bürgerlichen Rechts, an der sich bis zu einem Gesamtkapital von 4,5 Mio. DM weitere noch zu werbende Gesellschafter beteiligen sollten. Die Annahme der Beitrittserklärungen sowie Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft oblagen einem Verwalter. Zu diesem bestellten die Gründungsgesellschafter durch einen Anstellungsvertrag den nicht der Gesellschaft angehörenden Beklagten zu 5. Gemäß § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages sollte die Verwaltung am 31. Dezember 1980 enden, bis dahin aber der Entzug von Geschäftsführung und Vertretung nur aus wichtigem Grunde zulässig sein. Gemäß § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages bedurfte ein solcher Beschluß einer Mehrheit von 90 % des Kapitals. Das sogenannte Pflichtkapital wurde in Höhe von 580.000 DM (87,88 %) von den Klägern und in Höhe von 80.000 DM (12,12 %) von den Beklagten zu 1 bis 4 gezeichnet. Die Beklagte zu 2, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 5 ist, erklärte durch den zweiten Geschäftsführer ihren Beitritt mit einer Pflichteinlage von 30.000 DM am 19. Dezember 1978, nachdem am 12. Dezember 1978 die Einladung zur Gesellschafterversammlung vom 10. Januar 1979 ergangen war, in der der Antrag angekündigt war, den Beklagten zu 5 als Verwalter abzulösen. Dieser lehnte die Zeichnung des noch fehlenden Kapitals in Höhe von 840.000 DM durch den von der Klägerin zu 1 geworbenen Dr. d F. im August/September 1979 ab und verhinderte in der Gesellschafterversammlung vom 15. November 1979 eine Abstimmung der Gesellschafter über dessen Beitritt unter Hinweis auf das allein ihm zustehende Annahmerecht. In dieser Gesellschafterversammlung stimmten die Beklagten zu 1 bis 4 mit acht Stimmen gegen die von den Klägern mit 58 Stimmen gewünschte Kündigung des Verwaltervertrages aus wichtigem Grunde.
Die Kläger klagen auf Feststellung gegen alle Beklagten, daß der Beklagte zu 5 am 15. November 1979 von seinem Amt als Verwalter wirksam abberufen und sein Anstellungsvertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt worden ist, sowie gegen die Beklagten zu 1 bis 4, daß die Beklagte zu 2 nicht Gesellschafterin ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Mit den Revisionen verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten zu 5 ist unbegründet; die Revisionen der übrigen Beklagten haben nur teilweise Erfolg.
I. Die Feststellung des Berufungsgerichts, durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 15. November 1979 sei der Beklagte zu 5 als Verwalter der BGB-Gesellschaft abberufen und sein Anstellungsverhältnis fristlos gekündigt worden, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Die Verwalter-Stellung des Beklagten zu 5 war nicht aus rechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossen. Eine BGB-Gesellschaft, deren Geschäfte ein nicht zum Kreis der Gesellschafter zählender Dritter führt, entspricht zwar nicht dem gesetzlichen Regeltyp, ist aber rechtlich zulässig. Das Verbot der Fremdorganschaft steht nur einem Ausschluß aller Gesellschafter von Geschäftsführung und Vertretung und deren Übertragung auf Dritte entgegen. Damit vereinbar ist aber, daß die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrage einen Dritten, wenn sie nur selbst die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis behalten, in weitem Umfange mit Geschäftsführungsmaßnahmen betrauen und ihm eine umfassende Vollmacht erteilen (vgl. SenUrt. v. 16. 11. 81 – II ZR 213/80, WM 1982, 40). Der Beklagte zu 5 besaß als Verwalter lediglich ein in dieser Weise abgeleitetes Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht.
2. Der am 15. November 1979 mit 58 gegen acht Stimmen gefaßte Beschluß der Gesellschafterversammlung, den Beklagten zu 5 mit sofortiger Wirkung als Verwalter abzuberufen und dessen Anstellungsverhältnis fristlos zu kündigen, ist selbst unter Berücksichtigung der drei von der Beklagten zu 2 abgegebenen Gegenstimmen wirksam. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß zur Abberufung eine Mehrheit von 90 % des Pflichtkapitals der Gesellschaft erforderlich gewesen ist. Der § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages, der für die – gemäß § 5 Abs. 1 des Vertrages bis 31. Dezember 1980 nur aus wichtigem Grunde mögliche – Abberufung des Verwalters eine derartige qualifizierte Mehrheit vorsieht, ist insoweit unwirksam, so daß bereits die einfache Mehrheit ausgereicht hat.
a) Die Gesellschaft, deren Verwalter der Beklagte zu 5 gewesen ist, ist darauf angelegt, bis zur Höhe des im Gesellschaftsvertrage festgelegten Kapitals eine unbestimmte Vielzahl an Gesellschafter aufzunehmen. Diese – in der Regel öffentlich geworbenen-Anlagegesellschafter haben, wenn sie beitreten, auf die Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses keinen ihre Interessen wahrenden Einfluß mehr, sondern können nur einen fertig vorformulierten Gesellschaftsvertrag unterzeichnen. Es fehlt der Vertragskompromiß als Gewähr einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten. Deshalb besteht zum Schutze der Anlagegesellschafter ein Bedürfnis, den unter solchen Umständen möglichen Mißbrauch der Vertragsfreiheit mit Hilfe einer an den Maßstäben von Treu und Glauben ausgerichteten Inhaltskontrolle zu begegnen (vgl. BGHZ 64, 238, 241).
b) Keine Bedenken bestehen danach gegen die Regelung des § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages, nach der dem Beklagten zu 5 Geschäftsführung und Vertretung nur aus wichtigem Grunde entzogen werden durften. Eine dahingehende vertragliche Beschränkung der Widerruflichkeit der Bestellung läßt das Gesetz für den GmbH-Geschäftsführer ausdrücklich zu (§ 38 Abs. 2 GmbHG); im Aktienrecht können die Vorstandsmitglieder sogar Kraft Gesetzes nur aus wichtigem Grunde abberufen werden (§ 84 Abs. 3 AktG). Etwas anderes gilt aber für die im § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Regelung, daß die Gesellschafterversammlung die Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grunde nur mit einer Mehrheit von 90 % des Pflichtkapitals beschließen darf. Diese Regelung hätte zur Folge, daß ein aus wichtigem Grunde für die Gesellschaft untragbar gewordener Verwalter die Geschäfte gegen den Willen der Mehrheit weiterführen könnte, solange eine Minderheit von wenig mehr als 10 % ihn stützt. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit zulässig ist, wenn es um die Abberufung eines Geschäftsführers geht, der entweder zugleich Gesellschafter oder den vorzuschlagen das Recht bestimmter Gesellschafter ist. Weder ist der Beklagte zu 5 Gesellschafter, noch hat ein solcher aufgrund des Gesellschaftsvertrages ein ausschließliches Vorschlagsrecht. Die Abberufung aus wichtigem Grunde des durch kein Sonderrecht gehaltenen Fremdgeschäftsführers kann in der Publikumsgesellschaft nicht durch eine qualifizierte Mehrheit erschwert werden. Der wichtige Grund setzt voraus, daß die Beibehaltung des Geschäftsführers der Gesellschaft unzumutbar geworden ist. Jede im Gründungsvertrag vorweggenommene Regelung, die eine Minderheit in die Lage versetzen soll, diese dennoch der Mehrheit weiter aufzuzwingen, und die Anlagegesellschafter daran hindert, die Verwaltung ihres eingebrachten Kapitals einer Person zu übergeben, die das Vertrauen ihrer Mehrheit genießt, ist daher, wenn nicht ein besonderer rechtfertigender Grund vorliegt, nicht vertretbar und deshalb unwirksam. Zur Abberufung des Beklagten zu 5 genügte daher die einfache Mehrheit. Eine dahingehende Regelung fügt sich auch ohne weiteres in den Gesellschaftsvertrag ein, weil dieser, wie es in einer Publikumsgesellschaft gar nicht anders sein kann, vom Einstimmigkeitsprinzip der bürgerlich – rechtlichen Gesellschaft abgerückt ist, jedenfalls nach einer Anlaufzeit für grundlegende Entscheidungen wie die Satzungsänderung die 3/4-Mehrheit zugelassen hat und es sich bei der Entlassung eines nicht zu den Gesellschaftern gehörenden Verwalters um eine einfache Geschäftsführungsmaßnahme der Gesellschafterversammlung handelt. Die einfache Mehrheit war im vorliegenden Falle selbst unter Berücksichtigung der drei Gegenstimmen der Beklagten zu 2 vorhanden, so daß der Beklagte zu 5 wirksam abberufen worden ist.
3. Bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung und Kündigung des Anstellungsverhältnisses vorliegt, sind dem Berufungsgericht keine Rechtsfehler unterlaufen. Auch wenn die Aufnahme der Beklagten zu 2 zur Schaffung einer Sperrminorität dem Beklagten zu 5 nicht angelastet wird, rechtfertigen die übrigen vom Berufungsgericht festgestellten Verfehlungen die Annahme, der Beklagte zu 5 sei der Gesellschaft als Verwalter nicht länger zuzumuten gewesen.
II. Die Revisionen der Beklagten zu 1 bis 4 haben Erfolg, soweit das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, die Beklagte zu 2 sei nicht Gesellschafterin geworden, weil der Beklagte zu 5 bei der Aufnahme zur Schaffung einer Sperrminorität seine Vollmacht mißbraucht habe. Ein Mißbrauch der Vollmacht – der auch aus anderen Gründen nicht vorliegt – kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil – wie unter I ausgeführt – der Verwalter mit einfacher Mehrheit abzuberufen war und aus diesem Grunde durch die Aufnahme der Beklagten zu 2 keine Sperrminorität zustande kommen konnte. Im übrigen wäre bei einem Mißbrauch der Vollmacht der Beitritt zwar fehlerhaft und deshalb ein Grund für den Ausschluß des Gesellschafters; bis dahin wäre er aber durch die Leistung der Einlage wirksam vollzogen, wäre die Mitgliedschaft mit allen Rechten und Pflichten erworben und rückwirkend nicht mehr vernichtbar, die Beklagte zu 2 also auch aus diesem Grunde Gesellschafterin.
Fundstellen
Haufe-Index 650002 |
NJW 1982, 2495 |
ZIP 1982, 692 |
JZ 1982, 564 |