Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung der Überlassung von Bodenschätzen zur Ausbeutung
Leitsatz (redaktionell)
Soweit die Entgelte für die Überlassung von Bodenschätzen wie Sand- und Kiesvorkommen regelmäßig gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einkommensteuerpflichtig sind, ergeben sich hiergegen weder verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot noch im Hinblick auf Art. 14 GG; dies gilt auch dann, wenn die Substanzausbeutungsverträge auch dann als Pachtverträge behandelt werden, wenn sie bürgerlich-rechtlich in das Gewand von Kauf- und Rückkaufvertrag gekleidet sind.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14, 20 Abs. 3; EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1; EStDV § 11d Abs. 2; BGB § 581
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 18.03.1986; Aktenzeichen IX R 74/85) |
Niedersächsisches FG (Urteil vom 19.02.1985; Aktenzeichen VII 88/80) |
Gründe
Die angegriffenen finanzgerichtlichen Entscheidungen lassen eine Beeinträchtigung der Grundrechte der Beschwerdeführer nicht erkennen.
1. Soweit es das Finanzgericht, gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, als rechtlich maßgeblich angesehen hat, daß die Entgelte für die Überlassung von Bodenschätzen wie Sand- und Kiesvorkommen regelmäßig gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einkommensteuerpflichtig sind (vgl. etwa BFH, in: BFH/NV 1987, S. 640 m.w.N.), ergeben sich hiergegen weder verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot noch im Hinblick auf Art. 14 GG.
a) Als willkürlich kann eine Rechtsprechung nur dann angesehen werden, wenn sie eine fehlerhafte Rechtsanwendung aufweist, die bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪89 f.≫; st. Rspr.). Für die Auslegung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind jedoch sachliche, am denkbaren Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Überlegungen maßgeblich. Der Bundesfinanzhof interpretiert den Begriff „Pacht” unter Heranziehung des § 581 BGB und im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BFH, in: BFH/NV 1985, S. 74, 75; vgl. auch BGH, NJW 1985, S. 1025; jeweils m.w.N.). Dementsprechend ist zu unterscheiden, ob das von den Vertragsparteien vereinbarte Entgelt für den Bodenschatz als solchen gezahlt wird, so daß ein Kaufvertrag vorliegt, oder ob die Zahlung für das Recht erfolgt, den Bodenschatz zu gewinnen, so daß ein Pachtvertrag anzunehmen ist. Daß die solchermaßen gebotene Abgrenzung zwischen Kauf einerseits und Pacht andererseits im Einzelfall zweifelhaft sein kann, bedarf keiner Vertiefung. Von Willkür in dem Sinne, daß die angegriffene Rechtsprechung unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist, kann bei dieser Sachlage aber nicht ausgegangen werden.
b) Eine Verletzung des Art. 14 GG kommt ebenfalls nicht in Betracht, denn diese Grundgesetzbestimmung schützt nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, es sei denn, sie belasten den Betroffenen übermäßig und beeinträchtigen ihn grundlegend in seinen Vermögensverhältnissen (vgl. BVerfGE 81, 108 ≪122≫ m.w.N.).
Von einer in diesem Sinne erdrosselnden oder konfiskatorischen Wirkung der Einkommensteuer kann in der vorliegenden Fallgestaltung aber schon deshalb keine Rede sein, weil die der Besteuerung unterliegenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entsprechend dem im Einzelfall anzuwendenden Steuersatz nur zu einem Bruchteil an den Fiskus abgeführt werden müssen. Auch der Umstand, daß die durch die Ausbeutung des Bodenschatzes eintretende Substanzminderung des Grund und Bodens grundsätzlich einkommensteuerlich nicht in Form von Abschreibungen berücksichtigt wird (§ 11 d Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung), vermag die Unvereinbarkeit der Besteuerung mit Art. 14 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, Nichtannahme-Beschluß vom 10. Februar 1987 – 1 BvR 482/86 –, Betriebsberater 1987, S. 598).
2. Soweit das Finanzgericht im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. etwa BFH, BStBl. 1974 II S. 130) Substanzausbeutungsverträge auch dann als Pachtverträge behandelt, wenn sie bürgerlich-rechtlich in das Gewand von Kauf- und Rückkaufvertrag gekleidet sind, ist ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG nicht ersichtlich.
Die Auslegung von Gesetzen und die Fortbildung des Rechts gehören zu den anerkannten Aufgaben und Befugnissen der Gerichte (vgl. BVerfGE 71, 354 ≪362 f.≫). Die Grenzen dieser Befugnis werden dann überschritten, wenn die gesetzliche Ordnung keinen Anhaltspunkt bietet, zu dem von den Finanzgerichten gefundenen Ergebnis zu gelangen (vgl. BVerfGE 65, 182 ≪190 f.≫). Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein.
Das Steuerrecht prägt – wie jedes andere Rechtsgebiet – seine eigenen Tatbestände. Auch wenn das Einkommensteuergesetz Begriffe enthält, die einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, wie dies bei der Begriffsbestimmung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Hinblick auf § 581 BGB ersichtlich der Fall ist, kann es der Rechtsprechung von Verfassungs wegen nicht verwehrt werden, anhand dieser im Zivilrecht entwickelten Begrifflichkeit einen eigenständigen steuerlichen Tatbestand zur Anwendung zu bringen, der sich an der Situation orientiert, die typischerweise wirtschaftlich mit dem Abschluß eines Pachtvertrages einhergeht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich das Finanzgericht in seiner angegriffenen Entscheidung angeschlossen hat, ist der Steuertatbestand der Einkunftserzielung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, wenn der von den Beteiligten vertraglich gestaltete Sachverhalt im wirtschaftlichen Ergebnis der Situation eines Pachtvertrags gleichkommt. Diese sogenannte „wirtschaftliche Betrachtungsweise” enthält nichts anderes als eine im Einkommensteuerrecht angelegte autonome Beurteilung eines zivilrechtlichen Sachverhalts. Wenn hiervon ausgehend der Bundesfinanzhof Entgelte aus Substanzausbeutungsverträgen auch in den Fällen als Einkünfte gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG behandelt, in denen zivilrechtlich ein Kauf- und Rückkaufvertrag geschlossen sind, dann ist das schon deshalb nicht angreifbar, weil vom wirtschaftlichen Erfolg her gesehen vertraglich keine andere Situation herbeigeführt wird, als sie entstünde, wenn der Beteiligte einen Pachtvertrag geschlossen hätte. Die Auslegung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG knüpft daher nicht an die zivilrechtliche Qualifikation der maßgeblichen Rechtsgeschäfte an, sondern an das von dem Steuerpflichtigen durch dieses gewollte und herbeigeführte wirtschaftliche Ergebnis. Dieses Ergebnis ist es aber, das nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine steuerliche Belastung rechtfertigt und das auch einer verfassungsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist.
3. Soweit schließlich das Finanzgericht den von der Beschwerdeführerin bewirkten Verkauf der Grundstücke zum Zwecke der Aussandung an ein Bauunternehmen und den gleichzeitigen Rückkauf der Grundstücke nach erfolgter Aussandung durch den Beschwerdeführer insgesamt als ein Pachtverhältnis im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gedeutet hat, lassen sich auch hiergegen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht geltend machen.
Art. 6 Abs. 1 GG verbietet im Zusammenwirken mit Art. 3 Abs. 1 GG, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf nicht zu einer Auslegung der Steuergesetze führen, die sich als Diskriminierung der Ehe darstellt (vgl. BVerfGE 28, 324 ≪347≫; 69, 188 ≪205 f.≫; 78, 128 ≪130≫ m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund mag zwar nicht völlig unproblematisch sein, daß das Finanzgericht – worauf die Beschwerdeführer mit Recht hinweisen – die vertraglich vereinbarte Rückübertragung der Grundstücke an den Beschwerdeführer behandelt, als ob diese Rückübertragung an die Beschwerdeführerin selbst erfolgt wäre. Immerhin zeigt die vorliegende Fallgestaltung aber deutlich, daß die Ehegatten über ihre Ehe hinaus auch durch gemeinsame wirtschaftliche Interessen verbunden sind. Den maßgeblichen, die Entscheidung im Ergebnis tragenden Gesichtspunkt hat jedoch der Bundesfinanzhof in seinem im übrigen ohne weitere Begründung ergangenen Revisionsabweisungsbeschluß angeführt, indem er auf sein Urteil vom 26. Juni 1985 (BFH/NV 1985, S.74) hinwies. Aus dieser Entscheidung (a.a.O., S. 76, 77) ergibt sich, daß ein notarieller Kaufvertrag zwischen einem Steuerpflichtigen und einem Sandabbauunternehmen bei gleichzeitiger notarieller Verpflichtung zur Weiterübertragung des Grundstücks an einen Dritten auch als Pachtverhältnis im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen werden kann, weil bei einer solchen Vertragsgestaltung wirtschaftlich nur eine zeitweilige Nutzung des Grundstücks zur Sandausbeute und daran anschließend die Übertragung des Eigentums an den Dritten vereinbart ist. Damit knüpft unter Zugrundelegung dieses Ansatzes die Annahme eines Pachtverhältnisses im vorliegenden Fall nicht an das Bestehen der Ehe an, sondern an den Umstand, daß die Beschwerdeführerin bei Verkauf der Grundstücke das Bauunternehmen, welches ausschließlich an dem Sandabbau interessiert war, gleichzeitig verpflichtete, die Grundstücke an die Person ihrer Wahl zu übertragen. Folglich stellt sich der zwischen der Beschwerdeführerin und dem Unternehmen abgeschlossene und als Kaufvertrag bezeichnete Vertrag seinem wirtschaftlichen Gehalt nach als eine Vereinbarung dar, die eine zeitlich begrenzte Überlassung eines Grundstücks zum Zwecke der Sandausbeutung zum Gegenstand hat, so daß die Einordnung als Pachtverhältnis im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden kann.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Haufe-Index 1512209 |
NJW 1993, 1189 |
NVwZ 1993, 561 |