Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagepflicht an den EuGH. Begründungsfrist für Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Verfassungsbeschwerde gegen Gerichtsentscheidungen, in denen eine mögliche Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV abgelehnt wird, hätte nur Erfolg, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hätte; dies wäre z.B. dann der Fall, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind.
2. Es verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn der Bundesfinanzhof die Nichtzulassungsbeschwerde insoweit verwirft, als der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht innerhalb der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO geltend gemacht hat.
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; EWGV Art. 177 Abs. 3; FGO § 115 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
Der Beschwerdeführer ist nicht in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Soweit der Beschwerdeführer rügt, daß die Finanzgerichte zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof verpflichtet gewesen wären, ist ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ersichtlich. Eine Verfassungsbeschwetde gegen Gerichtsentscheidungen, in denen eine mögliche Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV abgelehnt wird, hätte nur Erfolg, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hätte; dies wäre z.B. dann der Fall, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfG ≪Vorprüfungsausschuß≫, Beschluß vom 9. November 1987 – 2 BvR 808/82 – EuGRZ 1988, s. 109).
Es kann offenbleiben., ob ein Finanzgericht als Instanzgericht überhaupt zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV verpflichtet ist, denn die Voraussetzungen einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegen im vorliegenden Verfahren offensichtlich nicht vor. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Verfassungsbeschwerde lediglich geltend gemacht, daß sein Vortrag geeignet gewesen sei, „gemeinschaftsrechtliche Gültigkeits- und Anwendungszweifel zu wecken”. Auch im übrigen ergibt sich aus dem Vortrag des Beschwerdeführers nichts dafür, daß die von ihm vertretene Auffassung derjenigen des Hessischen Finanzgerichts deutlich vorzuziehen wäre. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG scheidet auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus. Dieser hat die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, daß kein Verstoß gegen Verfahrensrecht vorliege. In diesem Zusammenhang stellte sich keine entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage, die Anlaß zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hätte sein können.
Auch im übrigen ist eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers durch die angegriffenen Entscheidungen nicht ersichtlich. Insbesondere verstößt es nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG, daß der Bundesfinanzhof die Nichtzulassungsbeschwerde insoweit verworfen hat, als der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht innerhalb der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO geltend gemacht hat. Soweit der Beschwerdeführer sich auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs zu § 128 FGO vom 25. April 1968 (BStBl. II 1968, S. 608) beruft, ist entgegenzuhalten, daß der Bundesfinanzhof in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hinweist, daß die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb der Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO zu begründen ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen