Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichteingang einer Rechtsmittelschrift bei Gericht. Sorgfaltspflichten des Prozeßbevollmächtigten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Prozeßbevollmächtigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich bei Gericht zu erkundigen, ob seine Revisionsschrift fristgerecht eingegangen ist.
2. Nur wenn Umstände vorliegen, die zu Zweifeln führen, ob die Rechtsmittelfrist eingehalten worden ist, oder auf Grund solcher Umstände Zweifel hätten kommen müssen, beginnt die Wiedereinsetzungsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO spätestens in dem Zeitpunkt, in dem durch Nachfragen Gewißheit über die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels hätte erlangt werden können. Die Mitteilung des FG, die Revisionsbegründung an den BFH weitergeleitet zu haben, ergab im Streitfall für den Prozeßbevollmächtigten keine Verpflichtung nach dem Eingang der Revisionsschrift zu fragen.
3. Im Verantwortungsbereich des Rechtsmittelführers kann es nur liegen, das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig zur Post zu geben, daß es nach deren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen bei normalem Verlauf der Dinge den Empfänger fristgerecht erreicht. Ist dies geschehen, dann kann ihm eine Verzögerung oder ein Unterbleiben der Briefbeförderung nicht als Verschulden angerechnet werden.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1; FGO § 56 Abs. 1, 2 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Beschluß des Bundesfinanzhofs, mit dem dieser unter Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Revision der Beschwerdeführer als unzulässig verworfen hat.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt, die Beschwerdeführerin seine Ehefrau, für die er auch als Bevollmächtigter auftritt. Zwischen ihnen und dem Finanzamt besteht Streit über die Rechtmäßigkeit einer Grunderwerbsteuerforderung. Die Klage wies das Finanzgericht wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig ab. Auf die von den Beschwerdeführern mit Datum vom 11. November 1987 erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hin ließ der Bundesfinanzhof durch Beschluß vom 6. Juli 1988 die Revision zu (vgl. BStBl. 1988 II, S. 897).
Innerhalb der Revisionsfrist ging beim Finanzgericht jedoch ein Schreiben über die Einlegung der Revision der Beschwerdeführer nicht ein. Allerdings erreichte das Gericht am 3. November 1988 die Revisionsbegründung der Beschwerdeführer, in der auf die mit Schriftsatz vom 26. September 1988 eingelegte Revision Bezug genommen wurde. Die Geschäftsstelle des Finanzgerichts übersandte die Revisionsbegründung unter dem Datum vom 7. November 1988 an den Bundesfinanzhof und gab den Beschwerdeführern hiervon Kenntnis. Ausweislich der Aktenverfügung hatte dieses Schreiben folgenden Inhalt:
Betr.: Revision in dem Rechtsstreit Dr. E. u. I. A. in G. gegen das Finanzamt S. wegen Grunderwerbsteuer Bezug: Beschwerdevorlage vom 19.11.1987 Ihr Az. II B 183/87 Anlg.: – 2 –
Im Nachgang zum Bezugsschreiben übersende ich die hier am 3. November 1988 eingegangene Revisionsbegründung vom 2. November 1988 mit 1 Durchschrift.
Abgabenachricht wurde erteilt.
Eine Abschrift dieses Schreibens wurde den Beschwerdeführern zur Kenntnisnahme übersandt mit dem Zusatz:
Um Verzögerung zu vermeiden, bitte ich den Schriftverkehr unmittelbar mit dem Bundesfinanzhof zu führen.
Die Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs wies den Beschwerdeführer zu 1. am 17. November 1988 darauf hin, daß eine Revisionsschrift nicht vorliege, und erinnerte am 13. Dezember 1988 an die Beantwortung ihrer Mitteilung. Die Beschwerdeführer machten daraufhin mit Schreiben vom 20. Dezember 1988 geltend, daß ihnen das Schreiben der Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs vom 17. November 1988 nicht vorliege. Daraufhin wies die Geschäftsstelle unter dem Datum vom 27. Dezember 1988 nochmals darauf hin, daß – wie bereits im Schreiben vom 17. November 1988 dargelegt – die Revision zwar begründet worden sei, aber kein Schreiben vorliege, mit dem die Beschwerdeführer die Revision eingelegt hätten.
Am 11. Januar 1989 erreichte schließlich das Finanzgericht ein Schreiben der Beschwerdeführer, mit dem sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist beantragten und gleichzeitig Revision einlegten. Der Beschwerdeführer versicherte an Eides Statt, er habe die Revisionsschrift am 26. September 1988 vor 18.00 Uhr in den Postbriefkasten, welcher sich in der Nähe seines Büros befinde, eingeworfen.
Mit Beschluß vom 6. September 1989 verwarf der Bundesfinanzhof die Revision der Beschwerdeführer unter Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig. Der Antrag scheitere daran, daß er nicht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO gestellt worden sei. Als der Wiedereinsetzungsantrag das Finanzgericht erreicht habe, sei die Frist bereits abgelaufen gewesen. Diese beginne nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem die Beschwerdeführer davon erfahren hätten, daß ihre Revisionsschrift nicht beim Finanzgericht eingegangen sei, sondern bereits vorher, nämlich zu dem Zeitpunkt, als für den Beschwerdeführer, der zugleich als Prozeßbevollmächtigter der Beschwerdeführerin auftrete, bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt Anlaß bestanden hätte, sich beim Finanzgericht danach zu erkundigen, ob die Revisionseinlegungsschrift dort überhaupt eingegangen sei. Angesichts des Umstandes, daß Schriftsätze der Beschwerdeführer an das Finanzgericht nicht immer dort eingingen, wie sich schon bei der Einreichung der Klage gezeigt habe, habe für den Beschwerdeführer bereits kurz nach Absendung der Revisionsschrift Veranlassung bestanden, sich nach deren Eingang zu erkundigen, auch wenn ein solches Verhalten sonst von einem Prozeßbevollmächtigten nicht zu verlangen sei. Spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem er die Mitteilung der Geschäftsstelle des Finanzgerichts erhalten habe, daß seine Revisionsbegründung dem Bundesfinanzhof übersandt worden sei, hätte ihm auffallen müssen, daß eine Abgabenachricht hinsichtlich der Revisionseinlegungsschrift selbst nicht vorliege. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte er dies zum Anlaß nehmen müssen, sich umgehend danach zu erkundigen. Hätte er dies getan, so wäre ihm spätestens bis zum 20. November 1988 bekannt geworden, daß die Revisionseinlegungsschrift beim Finanzgericht nicht vorgelegen habe. Somit sei die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen, als der Wiedereinsetzungsantrag am 11. Januar 1989 beim Finanzgericht eingegangen sei. Den Beschluß des Bundesfinanzhofs erhielten die Beschwerdeführer am 10. Oktober 1989.
Mit der am 9. November 1989 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung des Art. 103 GG, weil der Bundesfinanzhof die Anforderung, die er an die Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stelle, überspannt habe.
2. Der Bundesminister für Finanzen hat namens der Bundesregierung von einer Stellungnahme abgesehen. Der Bundesfinanzhof hält in seiner Stellungnahme eine Verletzung von Verfassungsrecht auf Grund der vorliegenden Besonderheiten im Sachverhalt des Streitfalls für nicht gegeben.
II.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93 b Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Der angegriffene Beschluß verletzt die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Die in den verschiedenen Verfahrensordnungen festgelegte Möglichkeit, im Falle der unverschuldeten Fristversäumung Wiedereinsetzung zu erlangen, beruht auf einer Abwägung der Erfordernisse der Rechtssicherheit gegen die Forderung der materiellen Gerechtigkeit. Wiedereinsetzungsregelungen dienen somit unter Beachtung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 und des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG der Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit und einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung. Deshalb dürfen gesetzliche, die Wiedereinsetzung regelnde Vorschriften sowie die Anwendung und Auslegung derselben die Anforderung zur Erlangung der Wiedereinsetzung nicht überspannen. Der Zugang zum Gericht darf nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 41, 332 ≪334 f.≫; 69, 381 ≪385≫ m.w.N.).
§ 56 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) bestimmt, daß demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird; § 56 Abs. 2 FGO legt fest, daß der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb einer Frist von zwei Wochen „nach Wegfall des Hindernisses” unter Darlegung der Versäumungsgründe zu stellen ist. Nach allgemeiner Auffassung ist unter Wegfall des Hindernisses der Zeitpunkt zu verstehen, in dem der Prozeßbeteiligte bzw. sein Bevollmächtigter von der Fristversäumung Kenntnis erhalten hat oder bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache hätte haben können. Liegen also Umstände vor, die zu Zweifeln führen, ob die Rechtsmittelfrist eingehalten worden ist, oder hätten auf Grund solcher Umstände Zweifel kommen müssen, so beginnt die Wiedereinsetzungsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO spätestens in dem Zeitpunkt, in dem durch Nachfragen Gewißheit über die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels hätte erlangt werden können (vgl. etwa Gräber/Koch, FGO-Komm., 2. Aufl., 1987, § 56, Rdnr. 41 m.w.N.).
Soweit der Bundesfinanzhof diesen rechtlichen Ansatz seinem angegriffenen Beschluß zugrunde gelegt hat, lassen sich dagegen verfassungsrechtliche Bedenken nicht begründen, denn Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG schützen nicht denjenigen, der der Wahrnehmung seiner Rechte mit vermeidbarer Gleichgültigkeit gegenübersteht. Vielmehr ist von dem Prozeßbeteiligten bzw. seinem Bevollmächtigten zu verlangen, von sich aus zum „Wegfall des Hindernisses” beizutragen und entsprechende, zumutbare Anstrengungen zu unternehmen (vgl. BVerfGE 42, 120 ≪126 f.≫; vgl. auch BVerfGE 35, 41 ≪46 f.≫; 60, 253 ≪266, 288 f.≫).
Hiervon ausgehend läßt sich jedoch nicht die Forderung erheben, der Beschwerdeführer hätte zumindest in seiner Eigenschaft als Prozeßbevollmächtigter bereits kurz nach Absendung der Revisionseinlegungsschrift Veranlassung gehabt, sich nach deren Eingang zu erkundigen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG es verbieten, dem Bürger im Rahmen der verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine Verzögerung der Briefbeförderung durch die Deutsche Bundespost als Verschulden anzurechnen (vgl. BVerfGE 53, 148 ≪151≫ m.w.N.). Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen das Verfahren einleitenden Schriftsatz oder um eine Rechtsmittelschrift handelt (vgl. BVerfGE 44, 302 ≪306≫).
Im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers kann es daher nur liegen, das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig zur Post zu geben, daß es nach deren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen bei normalem Verlauf der Dinge den Empfänger fristgerecht erreicht (vgl. BVerfGE 53, 25 ≪29≫; 62, 334 ≪337≫). Ist dies geschehen, was der Bundesfinanzhof im vorliegenden Fall offensichtlich unterstellt, dann kann dem Beschwerdeführer eine Verzögerung oder ein Unterbleiben der Briefbeförderung nicht als Verschulden angerechnet werden (vgl. BVerfGE 53, 25 ≪28≫ m.w.N.), es sei denn, es liegen Anhaltspunkte vor, daß der Beschwerdeführer selbst eine zurechenbare Ursache für die Verspätung oder das Unterbleiben der Postauslieferung gesetzt hat (vgl. BVerfGE 50, 1 ≪4≫). Dieser Ausnahmefall kommt hier jedoch nicht in Betracht. Die Tatsache allein, daß „nicht immer”, nämlich einmal, bei Klageeinlegung beim Finanzgericht ein Schriftstück nicht eingegangen ist, vermag im vorliegenden Fall die Betrachtung des Bundesfinanzhofs nicht zu rechtfertigen, weil es hier nachweisbar an einer vom Beschwerdeführer gesetzten Ursache für das Unterbleiben der Auslieferung fehlt.
Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer als Bevollmächtigter besondere Sorgfaltspflichten erfüllen muß, rechtfertigt die vom Bundesfinanzhof aufgestellte Forderung, den Eingang des Schriftsatzes bei Gericht zu überwachen, nicht.
Gerade wenn man mit der Rechtsprechung den Bevollmächtigten im besonderen Maße für verpflichtet hält, für hinreichend sichere Ausgangskontrollen bei der Absendung fristwahrender Schriftsätze zu sorgen (vgl. etwa BGH, HFR 1990, S. 522; BGH, VersR 1988, S. 942; BFH, BStBl. 1984 II S. 441 ≪442≫; jeweils mit ausführl. Nachweisen), kann er regelmäßig nicht auch noch gehalten sein, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen (vgl. BVerfGE 79, 372 ≪375 f.≫).
Ebenso überspannt der Bundesfinanzhof die Anforderungen bezüglich dessen, was der Beschwerdeführer als Bevollmächtigter veranlaßt haben muß, wenn er meint, dieser hätte sich bei Erhalt der Nachricht über die Weiterleitung der Revisionsbegründungsschrift durch die Geschäftsstelle des Finanzgerichts umgehend nach dem Verbleib seiner Revisionseinlegungsschrift erkundigen müssen.
Von einem Beschwerdeführer bzw. von einem Bevollmächtigten können Anstrengungen, von sich aus zum „Wegfall des Hindernisses” im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO beizutragen, nur verlangt werden, wenn ein entsprechender „Anlaß” vorliegt (vgl. BVerfGE 42, 120 ≪126≫). Der Bundesfinanzhof sieht diesen Anlaß in der Mitteilung der Geschäftsstelle des Finanzgerichts über den Eingang und die Weiterleitung der Revisionsbegründungsschrift. Die Mitteilung der Geschäftsstelle eines Gerichts über den Eingang und die Weiterleitung eines Schriftsatzes gibt aber allenfalls dann einen zureichenden Anlaß für den Beschwerdeführer, sich nach dem Verbleib eines Schriftsatzes zu erkundigen, wenn das Schreiben aus sich heraus so aussagekräftig ist, daß sich Zweifel bei bloßer Lektüre aufdrängen müssen, denn nur dann kann von einer vermeidbaren Gleichgültigkeit gesprochen werden, falls solche sich aufdrängenden Zweifel nicht zum Anlaß von Erkundigungen gemacht werden (vgl. BVerfGE 42, 120 ≪126 f.≫). Hat der Beschwerdeführer das fragliche Schriftstück rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben und damit alles Erforderliche zur Wahrung der gesetzlichen Frist veranlaßt, dann vermag eine gerichtliche Mitteilung über den Eingang des Schriftstückes nur eine Erkundigungspflicht auszulösen, wenn in ihr eine Tatsachenmitteilung enthalten ist, die unzweideutig bekundet, daß etwas fehlgelaufen ist.
Die Abgabenachricht enthält hier jedoch nichts anderes als einen Hinweis auf die Revision in dem vorliegenden Rechtsstreit und als Bezug die Beschwerdevorlage vom 19. November 1987. Es kann nicht verlangt werden, aus diesem Schreiben zu erkennen, daß die Revisionseinlegungsschrift möglicherweise nicht weitergeleitet worden ist. Zwar fällt bei genauer Betrachtung auf, daß unter Bezug nicht die Revisionseinlegungsschrift, sondern die Beschwerdevorlage genannt ist. Da jedoch unter Betreff „Revision in dem Rechtsstreit …” aufgeführt ist, läßt sich hieraus jedenfalls nicht unzweideutig erkennen, daß die Revisionseinlegungsschrift nicht eingegangen ist, zumal bei dieser Sachlage durchaus auch eine Mitteilung der Geschäftsstelle des Finanzgerichts bzw. ein betreffender Hinweis erwartet werden könnte.
Die Beschwerdeführer hatten auch keine Veranlassung, auf die Eingangsmitteilung besonders zu achten, denn § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO bestimmt, daß die Revision beim Finanzgericht innerhalb eines Monats einzulegen ist und daß sie spätestens innerhalb eines weiteren Monats begründet werden muß. Die Begründungsfrist ist also unabhängig vom Eingang der Revision gesetzlich festgelegt.
Auch aus der Tatsache, daß bezüglich der Revisionseinlegungsschrift eine der Revisionsbegründungsschrift entsprechende Abgabenachricht nicht vorlag, kann nicht gefolgert werden, daß die Revisionseinlegungsschrift gar nicht zugegangen sei, denn es fehlt an hinreichend klaren Umständen, die eine solche Folgerung zumindest nahelegen könnten. Zwar mag das Eingehen der Abgabenachricht bezüglich der Revisionsbegründungsschrift die Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, daß bezüglich der Revisionseinlegungsschrift eine solche Nachricht nicht vorliegt. Aus dem Fehlen dieser gerichtlichen Mitteilung im Zusammenhang mit der kommentarlosen Weiterleitung der Revisionsbegründungsschrift ergeben sich aber keine Umstände, die konkret genug sind, um Zweifel an dem ordnungsgemäßen Zugang der Revisionseinlegungsschrift auszulösen. Es hieße, gerade auch die Sorgfaltspflichten eines Bevollmächtigten zu überspannen, wollte man von ihm in derartigen Fällen verlangen, auf die vage Möglichkeit hin, daß etwas fehlgelaufen sein könnte, Erkundigungen einzuholen.
Die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages führt dazu, daß den Beschwerdeführern der Zugang zur Revisionsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert worden ist (vgl. BVerfGE 69, 381 ≪385 f.≫; 79, 372 ≪378≫).
Der angegriffene Beschluß beruht auf diesem Verfassungsverstoß, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Bundesfinanzhof den Beschwerdeführern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hätte, wenn er bei der Auslegung und Anwendung des § 56 FGO den verfassungsrechtlichen Vorgaben hinreichend Rechnung getragen hätte (vgl. BVerfGE 53, 148 ≪151≫).
III.
Der angegriffene Beschluß war somit gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an den Bundesfinanzhof zurückzuverweisen.
IV.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
NJW 1992, 38 |
NVwZ 1992, 159 |