Entscheidungsstichwort (Thema)
Festhaltung am Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Finanzgerichte können ohne Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz an dem von ihnen entwickelten Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung festhalten, selbst wenn diesem Rechtsinstitut vergleichbare Sachverhalte und vergleichbare rechtliche Wertungen zugrunde liegen sollten wie der aufgegebenen Geprägerechtsprechung.
2. Wenn für die Annahme eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens von Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft auf eine zwischen dem Sohn und seiner Mutter geschlossene, möglicherweise formunwirksame Vereinbarung zurückgegriffen wird, die von beiden tatsächlich, so wie vereinbart, praktiziert worden ist, wird der Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) nicht beeinträchtigt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 1-2, 3 Nr. 2; GewStG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die angegriffenen Entscheidungen lassen keinen Verstoß gegen Grundrechte erkennen.
1. Nachdem der Gesetzgeber die vom Großen Senat des Bundesfinanzhofs aufgegebene sogenannte Geprägerechtsprechung aufgegriffen und die von ihr erfaßten Personengesellschaften als gewerblich geprägte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985, BGBl. I S. 2436) rückwirkend den Rechtsfolgen unterworfen hat, die der Bundesfinanzhof mit Hilfe der Geprägerechtsprechung für diese Gesellschaften entwickelt hatte, können die Finanzgerichte ohne Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG an dem von ihnen entwickelten Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung festhalten, selbst wenn diesem Rechtsinstitut vergleichbare Sachverhalte und vergleichbare rechtliche Wertungen zugrunde liegen sollten wie der aufgegebenen Geprägerechtsprechung.
2. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gebot nicht, dem Beschwerdeführer in analoger Anwendung von § 36 Abs. 3 GewStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 Vertrauensschutz zu gewähren. Die bloße Hoffnung darauf, der Bundesfinanzhof werde in Fortführung der Entscheidung des Großen Senats zur Aufgabe der Geprägerechtsprechung auch die Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung aufgeben, begründet kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen. Im übrigen hat der Beschwerdeführer weder im Ausgangsverfahren noch im Verfassungsbeschwerdeverfahren vorgetragen, ob und welche schützenswerten Dispositionen er im Vertrauen auf eine erwartete Aufgabe der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung getroffen hat.
3. Der Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) wird nicht beeinträchtigt, wenn das Finanzgericht für die Annahme eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens von Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft auf eine zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter geschlossene, möglicherweise formunwirksame Vereinbarung zurückgreift, die von beiden tatsächlich, so wie vereinbart, praktiziert worden ist. Weil das Finanzgericht nicht von einer tatsächlichen Vermutung ausgeht, daß Eltern und erwachsene Kinder dieselben wirtschaftlichen Interessen verfolgen, und dem Beschwerdeführer nicht Anteile seiner Mutter zurechnet, kommt es nicht darauf an, ob die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 69, 188 entwickelt hat, auf das Verhältnis von Eltern zu ihren erwachsenen Kindern übertragen werden können.
4. Ob es dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) widerspricht, wenn bei der Beendigung einer Betriebsaufgabe stille Reserven aufgedeckt und versteuert werden müssen, kann offen bleiben, weil diese Frage nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidungen war.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen