Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichteinholung einer Vorabentscheidung des EuGH
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein letztinstanzlich entscheidendes Gericht (hier: BFH) hat durch Unterlassen der Vorlage an den EuGH seine Vorlagepflicht jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar gehandhabt und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt, wenn es nicht bewusst von der Rechtsprechung des EuGH abweicht.
2. Da die frühere Verwaltungspraxis der Anerkennung von Ersatzdokumenten bei Ausfuhren mit der Gesetzeslage nicht im Einklang steht, brauchten die Gerichte ohne Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG auf die vorgetragene Änderung der Verwaltungspraxis nicht einzugehen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 2; EWGVtr Art. 177 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die von der Beschwerdeführerin angenommene Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Das Finanzgericht Hamburg und der Bundesfinanzhof haben durchaus zwischen Ausfuhren vor dem 1. Juli 1981 und solchen danach differenziert. Sie sind allerdings übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, daß für beide Zeiträume aus Rechtsgründen nur entweder Kontrollexemplare oder Kontrollexemplar-Duplikate mit Ausgangsvermerk als Ausfuhrbelege zulässig seien. Von dieser rechtlichen Grundlage aus waren die Gerichte der Notwendigkeit enthoben, auf die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Änderung der Verwaltungspraxis einzugehen. Sollte die frühere Verwaltungspraxis hinsichtlich der Anerkennung von Ersatzdokumenten so großzügig gewesen sein, wie die Beschwerdeführerin angibt, hätte sie mit der Gesetzeslage nicht im Einklang gestanden, so wie die Gerichte sie sahen. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Fortsetzung einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis. Dies brauchten die Gerichte nicht nochmals ausdrücklich auszusprechen.
2. a) Das Finanzgericht kann bereits deshalb nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen haben, weil es nach Art. 177 Abs. 2 EWG-Vertrag nicht vorlagepflichtig war (BVerfGE 82, 159 ≪196≫).
b) Hinsichtlich des letztinstanzlich entscheidenden Bundesfinanzhofs überprüft das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur, ob dieser seine Vorlagepflicht offensichtlich unhaltbar gehandhabt hat (BVerfGE 82, 159 ≪194 ff.≫).
Es kann dahinstehen, ob der Bundesfinanzhof im vorliegenden Fall nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts überhaupt zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof verpflichtet gewesen ist. Wenn man dies annimmt, hat er seine Vorlagepflicht jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar gehandhabt. Der Bundesfinanzhof ist nicht bewußt von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs insbesondere in seinem Urteil vom 22. Januar 1986 (Rs. 266/84, Slg. 1986, 149 ff.) abgewichen. Wie das Finanzgericht dargelegt hatte, bezieht sich dieses Urteil auf den rechtlich anders geregelten Fall des Währungsausgleichs – Importland, während die Beschwerdeführerin den Währungsausgleich – Exportland begehrt. Im übrigen ist die Auffassung der Beschwerdeführerin zur richtigen Auslegung der einschlägigen Vorschriften des sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber derjenigen des Bundesfinanzhofs nicht eindeutig vorzuziehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen