Kim Louisa Dillenberger, Anne Kowalski
Das Thema Nachhaltigkeit ist in deutschen Unternehmen angekommen. Führungskräfte sind sich der zunehmenden Erwartungen von verschiedenen Seiten hinsichtlich Performance und Transparenz bei Nachhaltigkeitsthemen bewusst. Wie eine Studie von Deloitte zeigt, messen 41 Prozent der CFOs dem Thema Nachhaltigkeit strategische Relevanz bei. Unternehmen verspüren einen starken Druck aufgrund von regulatorischen Entwicklungen wie beispielsweise der EU-Taxonomie oder der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie der Notwendigkeit, bestehende und künftige Vorschriften zur Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Auch für Investoren spielt das Thema eine immer wichtigere Rolle. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass ESG-Investitionen bis 2024 voraussichtlich die Hälfte aller professionell verwalteten Vermögenswerte ausmachen werden, sowie in gestiegenen Erwartungen an Daten und Offenlegungsfragen (z. B. durch IASB, IDW, DRSC). Verbraucher und Mitarbeiter erwarten ebenso zunehmend nachhaltiges Verhalten von Unternehmen – nicht-nachhaltiges Handeln kann in der Folge zu erheblichen Reputationsschäden führen.
Nachhaltigkeitsaspekte können über die regulatorischen Pflichten hinaus auch als Wettbewerbsvorteil für Unternehmen gesehen werden. Spezifische Nachhaltigkeitsberichte gehören zur gängigen Praxis und Unternehmenswebsites bieten eine Fülle von Informationen über Prioritäten und Aktivitäten. Während in der Vergangenheit der Fokus oftmals stark auf Umweltaspekte gelegt wurde, findet sich heute ein breiter Katalog aus Kenngrößen entlang der einzelnen Komponenten E (Environment), S (Social) und G (Governance), auch wenn ökologische Themen meist weiterhin dominieren.
Interessant ist der Trend weg von der reinen Status-quo-Berichterstattung über vergangene Erfolge hin zu einer zukunftsorientierten Perspektive. Um sich als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu positionieren, setzen sich Unternehmen ambitionierte Nachhaltigkeitsziele. Um diese jedoch erreichen zu können, müssen sie von der reinen Berichterstattung zur aktiven Steuerung von Nachhaltigkeit übergehen.
1. Steuerung von Nachhaltigkeit in der Praxis
Während die meisten Unternehmen über eine klar festgelegte und extern veröffentlichte Nachhaltigkeitsstrategie verfügen, geben lediglich fünf Prozent an, diese gesamtheitlich im Unternehmen integriert und orchestriert zu haben. Für eine gut verankerte Nachhaltigkeitsstrategie sind klar definierte, heruntergebrochene, extern veröffentlichte und in die Zukunft gerichtete Ziele essenziell. Ausgewählte ESG-KPIs werden in der externen Kommunikation bereits mit Zielen versehen (vgl. Abb. 47). Die Veröffentlichung von ESG-bezogenen Zielwerten führt zu einer gesteigerten Relevanz von Nachhaltigkeitsaspekten für die interne Steuerung.
Abb. 47: Abdeckung von ESG-KPIs in Nachhaltigkeitsberichten von DAX40-Unternehmen
Die professionelle Steuerung und damit eine Zusammenführung der finanziellen und nicht-finanziellen Welt wird daher immer wichtiger. Eine Studie von Deloitte zeigt, dass lediglich 36 Prozent der Unternehmen Nachhaltigkeits-KPIs zur regelmäßigen internen Steuerung verwenden. Die wichtigsten Grundsätze für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitssteuerung beinhalten:
- Gewährleistung einer sicheren Datengrundlage: Die Verfahren zur Datenerhebung sollten revisionssicher dokumentiert und eine vollständige Abdeckung der Organisation sichergestellt werden.
- Verpflichtung zu konkreten Zielen: Die Festlegung von kurz- und langfristigen Zielen und deren Aufschlüsselung in Teilziele sowie die kontinuierliche Überwachung der Zielerreichung sorgen für mehr Verbindlichkeit.
- Ermöglichung von Entscheidungen: Aktionsplanung, Follow-up und die Ermittlung von zusätzlichem Budgetbedarf müssen im Rahmen von standardisierten Gremien ermöglicht werden.
- Konsequenz: Die aktuelle Performance muss regelmäßig überprüft werden. Dafür muss der Status quo immer wieder gemessen werden, damit bei Abweichungen potenzielle Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können.
2. Rolle der Finanzfunktion und des Controllings bei der Steuerung von ESG
ESG-Steuerung und -Berichterstattung erfordern bei der Umsetzung die gleiche Professionalität, die in Unternehmen für das eingespielte finanzielle Controlling gelebt wird. Das Grundgerüst des finanziellen Controllings ist in großen Teilen auch auf das nicht-finanzielle übertragbar. Als Experte für finanzielles Controlling ist der CFO prädestiniert, die Führung der Steuerung von Nachhaltigkeit zu übernehmen. ESG-Kriterien sollten in finanzielle Prozesse integriert werden, um Zielkonflikte aufzudecken und ggf. zu managen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den folgenden Handlungsfeldern für die Finanzfunktion:
- Integration von ESG-Kriterien in bestehende Prozesse der Entscheidungsfindung, Geschäftsplanung, (monatlichen) Berichterstattung, Risikomanagement und Definition von Zielen, Strategien und Richtlinien
- Verankerung eines ganzheitlichen ESG-Governance und -Berichterstattungsrahmens in allen ...