Leitsatz
Wird ein zunächst zu fremden Wohnzwecken genutztes und gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG mit 7 % degressiv abgeschriebenes Gebäude nunmehr zu fremdbetrieblichen Zwecken genutzt, so muss der Steuerpflichtige nicht zur linearen AfA gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG übergehen, sondern kann weiterhin eine degressive AfA gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.H.v. 5 % beanspruchen (entgegen R 44 Abs. 8 Satz 2 2. Halbsatz EStR).
Normenkette
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1, § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 (= § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG 1990) EStG
Sachverhalt
Der Kläger errichtete 1992 ein Gebäude, welches er zunächst zu Wohnzwecken, sodann ab 31.12.1992 zu gewerblichen Zwecken und ab 1995 wieder zu Wohnzwecken vermietete. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre begehrte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung AfA i.H.v. 7 % der unstreitigen Herstellungskosten des Gebäudes gem. § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG 1993 bzw. gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG 1994.
Das FA ließ dagegen nur eine AfA i.H.v. 2 % der Herstellungskosten zum Abzug zu. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen – nur auf eine degressive AfA von 5 % gerichteten – Klage gab das FG statt. Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH hat das FG dem Kläger auch in den Streitjahren zu Recht eine degressive AfA gewährt. Nach den bindenden Feststellungen des FG habe der Kläger zutreffend im – nicht streitigen – Kalenderjahr 1992 eine degressive AfA für fremdvermieteten Wohnraum gem. § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG i.H.v. 7 % der Herstellungskosten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht. Nach Abschluss eines geänderten Mietvertrags habe er das Objekt in den Streitjahren 1993 und 1994 für fremde betriebliche Zwecke vermietet, so dass die AfA in den Streitjahren gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG 1993/1994 auf 5 % der Herstellungskosten zu reduzieren sei.
Hinweis
1. Bei Gebäuden, die nicht Wirtschaftsgebäude i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1993/1994 sind, kann der Steuerpflichtige nach Maßgabe des EStG i.d.F. der Streitjahre zwischen dem Ansatz einer linearen AfA und einer degressiven AfA frei wählen, ist dann aber an die Wahl in den Folgejahren gebunden (vgl. BFH, Urteil vom 3.4.2001, IX R 16/98, BFH-PR 2001, 327).
2. Streitig ist allerdings, nach welcher AfA-Methode abgeschrieben werden muss, wenn das Gebäude nicht mehr die Voraussetzungen für die vorher angewandten AfA-Bestimmungen erfüllt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (in R 44 Abs. 8 Satz 2 2. Halbsatz EStR) ist dann, wenn ein fremden Wohnzwecken dienendes Gebäude für fremdbetriebliche Zwecke bereitgestellt wird, die weitere AfA zwingend nach der linearen AfA-Methode gem. § 7 Abs. 4 EStG vorzunehmen. Der BFH hat sich nunmehr der Gegenauffassung (vgl. Stuhrmann in Bordewin/Brandt, § 7 EStG Rz. 240) angeschlossen, da eine Beschränkung auf die niedrigeren linearen AfA-Sätze des § 7 Abs. 4 EStG weder vom Gesetzeswortlaut umfasst noch durch den Gesetzeszweck geboten ist.
Die Vorschrift enthält nämlich schon ihrem Wortlaut nach zum Wechsel der AfA-Methode – abweichend von der Regelung für bewegliche Wirtschaftsgüter (kein Übergang von der linearen zur degressiven AfA, wohl aber von der degressiven AfA zur linearen AfA) – keine den AfA-Wechsel ausschließende Normierung.
Auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebieten bei einer Nutzungsänderung keine Beschränkung auf eine lineare Abschreibung. Denn die degressive AfA bei Gebäuden dient dem Zweck, die private Bautätigkeit zu stärken sowie Wohn- und Geschäftsräume zu schaffen und zu modernisieren. Dieser Zweck würde – so der BFH – unterlaufen, wenn bei Nutzungsänderung lediglich eine lineare AfA gewährt wird, zumal auch die nachfolgende Verwendung des Gebäudes für fremdbetriebliche Zwecke dem Förderungskatalog des § 7 Abs. 5 EStG unterfällt.
Diese Auslegung führt – so der BFH – auch nicht zu einem Verlust von Abschreibungspotenzial oder zu einer AfA über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinaus (unveränderte AfA "bis zur vollen Absetzung" i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG). Im Übrigen folgt die jeweilige Nutzungsdauer zwangsläufig aus der Summe der ratierlichen Staffelsätze. So ist die durch den Wechsel der Nutzungsart bedingte Verkürzung der 50-jährigen Nutzungsdauer des § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG sachgerecht: Sie spiegelt lediglich den Zeitraum wider, in dem das Gebäude zuvor für Wohnzwecke genutzt wurde und damit nach dem Gesetzeszweck in einem stärkeren Maß förderungswürdig war. Auch das mögliche Unterschreiten der 40-jährigen Nutzungsdauer durch Wechsel des AfA-Staffelsatzes ist lediglich Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, im elften bis einschließlich des vierzehnten Jahres die AfA-Sätze des § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG 1993 (§ 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG 1994) unter jene des § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG 1993/1994 abzusenken.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.2.2005, IX R 32/03