Leitsatz
1. Ein Entgelt für Werbung des Arbeitgebers auf dem Kennzeichenhalter des privaten PKW des Arbeitnehmers ist durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und damit Arbeitslohn, wenn dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen "Werbemietvertrag" kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommt.
2. Ist das für die Werbung gezahlte Entgelt als Arbeitslohn zu beurteilen, scheidet eine überwiegend eigenbetriebliche Veranlassung der Zahlung regelmäßig aus.
Normenkette
§ 42d Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3 EStG, § 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen. Sie schloss mit einer Vielzahl ihrer Mitarbeiter als "Mietvertrag Werbefläche" bezeichnete Verträge ab, in denen sich die Mitarbeiter dazu verpflichteten, von der Klägerin zur Verfügung gestellte, mit einem Werbeschriftzug versehene Kennzeichenhalter an ihren privaten Pkw anzubringen. Im Gegenzug erhielten die Mitarbeiter ein jährliches Entgelt i.H.v. 255 EUR. Die Verträge waren auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet und konnten von jeder Vertragspartei mit einer Frist von zwei Monaten gekündigt werden. Das FA gelangte nach einer LSt-Außenprüfung zu der Auffassung, dass die Vergütungen für die Anbringung der mit Werbung versehenen Kennzeichenhalter Arbeitslohn i.S.d. § 19 EStG seien, und erließ einen dahin gehenden LSt-Haftungsbescheid. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Münster, Urteil vom 3.12.2019, 1 K 3320/18 L, Haufe-Index 13687037, EFG 2020, 356).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Klägerin gemäß § 126a FGO einstimmig als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStGhaftet der Arbeitgeber für die LSt, die er nach § 38 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für die Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
2. Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss.
3. Bezüge oder Vorteile sind durch vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Sonderrechtsbeziehungen veranlasst, wenn ihnen andere Erwerbsgrundlagen als die Nutzung der eigenen Arbeitskraft des Arbeitnehmers zugrunde liegen. Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des zu beurteilenden Lebenssachverhalts und nicht nach seiner äußeren Erscheinungsform zu würdigen. Deshalb steht auch der Abschluss eines neben dem Arbeitsvertrag bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Behandlung eines Vorteils als Arbeitslohn nicht zwingend entgegen, während umgekehrt allein aus der Vereinbarung eines Vorteils im Arbeitsvertrag nicht automatisch auf das Vorliegen von Arbeitslohn geschlossen werden kann.
4. Die Beantwortung der Frage, ob eine Leistung des Arbeitgebers den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Denn ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die Tatsachenwürdigung des FG ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist.
5. Nach diesen Maßstäben hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die streitigen Zahlungen zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören, weil sie durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind und nicht auf einem Sonderrechtsverhältnis "Mietvertrag Werbefläche" beruhen, da diesem kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukommt. Das FG hat seine Würdigung insbesondere darauf gestützt, dass dem gesondert abgeschlossenen "Mietvertrag Werbefläche" unter Berücksichtigung der am Markt befindlichen Angebote schon...