Leitsatz
1. Über die Frage, ob nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Einkommensteuerforderungen aus Gewinnanteilen an einer Mitunternehmerschaft als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren oder dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners zuzuordnen sind, ist nicht im einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren, sondern im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren zu entscheiden.
2. Die Einkommensteuer aus einer nach Insolvenzeröffnung neu aufgenommenen einzelunternehmerischen Tätigkeit ist als Masseschuld aufgrund massebezogenen Verwaltungshandelns gegen den Insolvenzverwalter (Treuhänder) festzusetzen, wenn dieser die selbstständige Tätigkeit im Interesse der Masse erlaubt, die Betriebseinnahmen zur Masse zieht, soweit sie dem Schuldner nicht für seinen Unterhalt belassen werden, und die Aufnahme der Tätigkeit ermöglicht, indem er zur Masse gehörende Mittel einsetzt, um durch die selbstständige Tätigkeit entstehende Forderungen Dritter zu begleichen (vgl. auch Senatsurteil vom 16.4.2015, III R 21/11, BFHE 250, 7).
Normenkette
§ 35, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO, § 74 FGO, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO
Sachverhalt
Der Kläger ist Treuhänder über das Vermögen der beigeladenen Zahnärztin, über das 2001 das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beigeladene war seit dem 1.7.2001 aufgrund einer Vereinbarung, die auch der Kläger unterschrieben hatte, bei einer Ärztegemeinschaft tätig. Diese stellte der Beigeladenen die Betriebsmittel und die Infrastruktur zur Verfügung, dafür trat die Beigeladene ihre Forderungen gegen Patienten und die kassenärztliche Vereinigung an die Ärztegemeinschaft ab. Die abgerechneten Honorarforderungen wurden bis auf Widerruf direkt an die Beigeladene ausgezahlt, der pauschal 25 % ihrer abrechenbaren Honorare zustanden.
Gegen Ende des Streitjahres 2004 widerrief der Kläger die vertraglich gestattete direkte Auszahlung der Honorarforderungen an die Beigeladene und verrechnete den pfändbaren Anteil dieser Honorare mit Ansprüchen der Beigeladenen des Jahres 2005. Ab dem Streitjahr 2005 vereinnahmte der Kläger die Entgelte aus der von der Beigeladenen ausgeübten Tätigkeit in voller Höhe und zahlte anschließend den von ihm errechneten pfändungsfreien Anteil an sie aus.
Das FA setzte gegenüber dem Kläger als Treuhänder über das Vermögen der Beigeladenen die Einkommensteuer für 2004 und 2005 fest.
Während des FG-Verfahrens ergingen wiederholt geänderte Einkommensteuerbescheide aufgrund geänderter Mitteilungen über die Feststellung bei der Ärztegemeinschaft. Mit seiner Klage verfolgte der Kläger das Ziel, die gegen ihn ergangenen Einkommensteuerbescheide aufzuheben, hilfsweise die Einkommensteuer zwischen den insolvenzfreien Einkünften und den auf die Insolvenzmasse entfallenden Einkünften aufzuteilen. Das FG Köln, Urteil vom 28.6.2012, 11 K 1069/09, Haufe-Index 5162913, EFG 2013, 1686 wies die Klage ab …
Entscheidung
… und der BFH die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Der BFH wiederholt – wie der zweite Leitsatz ausführt – die Aussage des Urteils vom 16.4.2015, III R 21/11 (BFH/NV 2015, 1638, BFH/PR 2015, 440), dass die Einkommensteuer als Masseschuld gegen den Insolvenzverwalter (oder Treuhänder) festzusetzen ist, wenn dieser die selbstständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners erlaubt (hier durch aktive Zustimmung zu einer Vereinbarung mit einer Ärztegemeinschaft), die Betriebseinnahmen zur Masse zieht, soweit sie dem Schuldner nicht für seinen Unterhalt belassen werden, und die Fortführung der Tätigkeit ermöglicht, indem er zur Masse gehörende Mittel einsetzt, um durch die Tätigkeit entstehende Forderungen Dritter zu begleichen.
2. Der als Verwaltung der Insolvenzmasse i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO behandelte Mitteleinsatz erfordert nicht, dass der Insolvenzverwalter selbst die Eingangsrechnungen zahlt. Ohne dies weiter zu begründen, genügte es dem BFH in beiden Fällen, dass dem Schuldner Mittel über- oder belassen wurden, mit denen er seinen Erwerbsaufwand bestritt.
3. Das Besprechungsurteil stellt klar, dass die vorstehenden Grundsätze nicht nur im Falle der Weiterführung eines einzelunternehmerischen Gewerbebetriebes gelten, sondern auch bei einer neu aufgenommenen freiberuflichen Tätigkeit des Schuldners (hier: als Zahnärztin).
4. Über die Frage, ob jemand Einkünfte als Einzel- oder als Mitunternehmer erzielt hat, ist bekanntlich im Feststellungsverfahren zu entscheiden. Die Frage, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Einkommensteuerschulden aufgrund einer mitunternehmerischen Betätigung als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren oder dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners zuzuordnen sind, ist dagegen im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Sie betrifft nicht Einkünfte oder Besteuerungsgrundlagen, sondern die Auswirkungen der unterschiedlichen Vermögensmassen eines Insolvenzverfahrens auf die Einkommensteuerfestsetzung und damit den privaten Vermögensbereich.
Daraus folgt zum ein...