Leitsatz
Erwirbt ein inländischer Erbe nach italienischem Erbrecht, entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der nach italienischem Recht notwendigen Annahme der Erbschaft durch den Erben.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG, § 158, § 159, § 1922, § 1937, § 1941, § 1942, § 1952, § 1953 BGB, Art. 456, Art. 457, Art. 459 CC (Codice civile)
Sachverhalt
Die Klägerin besitzt ausschließlich die italienische Staatsangehörigkeit. Am 24.8.2015 verstarb ihr Vater, ein italienischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Italien und dort belegenem Nachlass. Die Klägerin, die zu jenem Zeitpunkt noch in Deutschland lebte, war aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu 1/3 als Miterbin berufen. Im Juli 2016 gab sie ihren Wohnsitz in Deutschland auf und erklärte danach in Italien die Annahme der Erbschaft.
Das FA setzte gegen die Klägerin ErbSt fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos (Hessisches FG, Urteil vom 22.8.2019, 10 K 1539/17, Haufe-Index 13540160, EFG 2019, 1848). Die Steuer sei im Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst im Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft entstanden. Die Klägerin sei zwar gemäß Art. 459 Satz 1 des italienischen Zivilgesetzbuches (Codice Civile – CC) erst nach einem Zustand der Schwebe durch die konstitutiv wirkende Annahme der Erbschaft Erbin geworden. Die Annahme sei aber nicht als aufschiebende Bedingung zu qualifizieren. Sie wirke gemäß Art. 459 Satz 2 CC erbrechtlich auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurück. Das sei nach Art. 456 CC der Todeszeitpunkt.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück. Der Erwerb der Klägerin als Erbin nach ihrem Vater unterliege der ErbSt nach dem ErbStG. Die Steuer sei auf den Todestag des Vaters entstanden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin wenigstens ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt.
Hinweis
Im Besprechungsurteil befasst sich der BFH mit der Entstehung der ErbSt bei einem Erbfall, auf den italienisches Erbrecht anwendbar ist.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der ErbSt der Erwerb von Todes wegen. Dazu gehört gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall i.S.v. § 1922 BGB.
a) Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Der Erbfall kann auf gesetzlicher (§§ 1924 bis 1936 BGB) oder gewillkürter Erbfolge (§ 1937 BGB) beruhen. Nach § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft). Der durch Ausschlagung bewirkte Anfall an den Nächstberufenen gilt als mit dem Erbfall erfolgt (§ 1953 Abs. 2 BGB).
b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht) in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG ein, wenn u.a. der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG u.a. natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
c) Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers, jedoch für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung Bedachten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung.
Der Begriff der "Bedingung" in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG knüpft an den zivilrechtlichen Begriff der Bedingung in § 158 Abs. 1 BGB an. Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB ist die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass dessen Wirkungen von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen. Ob in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG eine Beschränkung auf Bedingungen geboten ist, die der Erblasser gesetzt hat, bedurfte im Besprechungsurteil keiner Entscheidung.
Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, tritt nach § 158 Abs. 1 BGB die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ex nunc ein. Der Eintritt der Bedingung hat keine rückwirkende Kraft (ex tunc). Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt. Die Parteien können nur schuldrechtlich nach § 159 BGB die Folgen des Bedingungseintritts auf einen früheren Zeitpunkt zurückbeziehen.
2. Vollzieht sich ein Erwerb von Todes wegen nach ausländischem Zivilrecht, kann dieser im Inland der ErbSt unterliegen, soweit der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das ErbStG erfassten Erwerb gleichkommt.
a) Soweit das ErbStG auf Rechtsfiguren des Erbrechts Bezug nimmt, ist im Falle eines ausländischen Erbstatuts dessen Bedeutungsgehalt maßgebend. Entsprechen die Institutionen des ausländischen Erbrechts nicht denen des deutschen Erbrechts, ist anhand des deutsch...