Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein, Erlass v. 27.08.2024, VI 3010-S 2240-186
Diese Einkommensteuer-Kurzinformation ersetzt die (interne) Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2023 /004 vom 7. Juni 2023.
Umfang einer Photovoltaikanlage und Umfang der Steuerbefreiung:
Eine Photovoltaikanlage i. S. d. § 3 Nr. 72 EStG ("eine" im mathematischen Sinne) besteht aus Solarmodul(en), Wechselrichter(n) und einem Einspeisezähler ("einem" im mathematischen Sinne).
Für die Frage, ob die Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage insgesamt steuerfrei nach § 3 Nr. 72 EStG sind, ist die Summe der für die jeweiligen Gebäude geltenden Leistungsgrenzen maßgeblich, auf, an oder in denen sich die Photovoltaikanlage befindet.
Beispiel 1:
Auf einer landwirtschaftlichen Hofstelle befinden sich ein Einfamilienhaus, ein Stallgebäude für den Tierbestand und eine Maschinenhalle. Es ist lediglich ein Einspeisezählervorhanden. Die Solarmodule verteilen sich wie folgt:
- Einfamilienhaus 20 kw (peak)
- Stallgebäude 30 kw (peak)
- Maschinenhalle 30 kw (peak)Ergebnis: Die Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage (insgesamt 80kw (peak)) sind nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei, da bei gebäudebezogener Betrachtungsweise die Summe der für die jeweiligen Gebäude geltenden Leistungsgrenzen nicht überschritten werden.
Eine Photovoltaikanlage kann nicht teilweise steuerbegünstigt sein.
Abwandlung Beispiel 1:
Auf einer landwirtschaftlichen Hofstelle befinden sich ein Einfamilienhaus, ein Stallgebäude für den Tierbestand und eine Maschinenhalle. Es ist lediglich ein Einspeisezähler vorhanden. Die Solarmodule verteilen sich wie folgt:
- Einfamilienhaus 20 kw (peak)
- Stallgebäude 30 kw (peak)
- Maschinenhalle 40 kw (peak) [hier die Abweichung zu Beispiel 1]
Ergebnis: Die Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage (insgesamt 90 kw (peak)) sind nicht nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei, da
- ein Einspeisezähler vorhanden ist und es sich somit um eine (im mathematischen Sinne) Photovoltaikanlage handelt und
- bei gebäudebezogener Betrachtungsweise die für die Maschinenhalle geltende Leistungsgrenze von 30 kw (peak) überschritten wird.
Dies gilt auch dann, wenn sich Teile dieser einen Anlage nicht auf, an oder in einem Gebäude befinden (z. B. einige Solarmodule auf der Gartenfläche). Es wird aber hinsichtlich der Steuerbefreiung nicht beanstandet, wenn sich Solarmodule mit einer installierten kw (peak) Leistung von bis zu 10 % der Gesamtleistung der Photovoltaikanlage nicht auf, an oder in einem Gebäude befinden.
Beispiel 2:
Auf einem Einfamilienhaus befinden sich Solarmodule mit 20 kw (peak). Im Nachgang werden weitere Solarmodule im Garten mit einer Leistung von 2 kw (peak) installiert.
Ergebnis:
Die Photovoltaikanlage ist insgesamt nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei. Die im Nachgang installierten Solarmodule im Garten überschreiten nicht 10 % der gesamten auf, an oder in einem Gebäude installierten Photovoltaikanlage.
Zur „Liebhabereiprüfung“:
Dem Sinn und Zweck einer Liebhabereiprüfung folgend ist abweichend von der Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2018/23 (zur Bewertung einer Privatentnahme) der eigenverbrauchte Strom mit den Herstellungskosten anzusetzen. Diese werden über die prognostizierten Gesamtkosten der voraussichtlich erzeugten Gesamtstrommenge in 20 Jahren errechnet.
Beispiel 3:
- prognostizierte Gesamtstrommenge in 20 Jahren: 250.000 kwh
- prognostizierte Betriebsausgaben in 20 Jahren: 30.000 EUR
Im Ergebnis betragen die Herstellungskosten 0,12 EUR/kwh. Bei einem Anteil des nicht eingespeisten
("selbstgenutzten" Stromes i. H. v. 40 % ergibt sich daraus eine für Zwecke der Liebhabereiprüfung anzusetzende Betriebseinnahme i. H. v. 12.000 EUR über 20 Jahre, die zusätzlich zur Einspeisevergütung zu berücksichtigen ist.
Berücksichtigung eines Betriebsausgabenüberhanges nach § 3c EStG:
In Fällen, in denen ausschließlich nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfreie Einnahmen und Entnahmen erzielt werden, sind Betriebsausgabenüberhänge aufgrund der veranlagungszeitraumübergreifenden Betrachtung des § 3c Abs. 1 EStG nicht zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig vom Inbetriebnahmezeitpunkt der Photovoltaikanlage.
Gehen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von nachlaufenden Betriebsausgaben bei ab dem Veranlagungszeitraum 2022 steuerfrei gestellten Photovoltaikanlagen Einsprüche ein, steht zur Erfassung dieser ein neuer Massenrechtsbehelfsgrund in DB-Rb zur Verfügung (ID 7559 "Nachlaufende Betriebsausgaben bei PV-Anlagen"). Die Einsprüche sind ausschließlich unter dem Massenrechtsbehelfsgrund ID 7559 zu erfassen. Zuvor mit einem freien Ruhensgrund gespeicherte Einsprüche sind umzuspeichern.
Zu der Rechtsfrage sind Hauptsacheverfahren beim FG Nürnberg (Az. 4 K 1440/23), beim FG Münster (Az. 7 K 105/24, 7 K 219/24) und beim Niedersächsischen Finanzgericht (Az. 2 K 45/24, 5 K 52/24, 3 K 131/24) anhängig. Mit Zustimmung der Einspruchsführenden kann im Hinblick auf diese Klageverfahren ein Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO gewährt werden.
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