Kai Grönke, Lisa Katharina Janus
Zusammenfassung
- ESG-Regularien stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen, sie bieten aber gleichzeitig weitreichende Chancen jenseits der Berichtspflichten – vor allem durch ihre nahtlose Integration in das Performance Management. Dies setzt jedoch ein gut durchdachtes Operating Model voraus.
- Das ESG Operating Model umfasst fünf Kernelemente: die klare Definition der strategischen Leitplanken, präzise Rollen- und Aufgabendefinitionen, abgestimmte Prozesse und Schnittstellen, eine schlanke Organisationsstruktur sowie die klare Festlegung fachlicher und persönlicher Anforderungsprofile.
- Die erfolgreiche Planung und Implementierung der ESG-Prozesse erfordern eine transparente Dokumentation der Aufgabenverteilung, die Nutzung von Synergien mit bestehenden Prozessen und die klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten.
- Dieser Beitrag beleuchtet die Treiber hinter ESG in Unternehmen, stellt das ESG Operating Model vor und verknüpft theoretische Konzepte mit praktischen Erfahrungen. Grundlage ist ein erfolgreiches Projekt bei einem namhaften Hersteller aus der Heizungsbranche.
1 Zunehmende Relevanz von ESG Governance und Organisation
1.1 Grundlegende Treiber für die Integration in die Unternehmensführung
Was bedeutet ESG?
Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt seit Jahren in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft und der Wirtschaft zunehmend an Relevanz. Sinnverwandte Begriffe wie Corporate Social Responsibility, Responsible Management oder ESG erfassen im Wesentlichen den Trend, dass Unternehmen sich nicht mehr ausschließlich auf Profit fokussieren, sondern zunehmend ihre Verantwortung für die Umwelt bzw. Natur, ihr soziales Umfeld sowie für "gute" Unternehmenspraktiken erkennen.
Die aktive Gestaltung zur Erreichung oder Umsetzung dieser Prinzipien nimmt einen immer höheren Stellenwert in den Bemühungen der Unternehmen ein. Das Akronym ESG steht dabei für "Environmental, Social, Governance", was die Integration von Umwelt- und Sozial-Aspekten sowie der verantwortungsvollen Unternehmensführung in sämtliche Bereiche eines Unternehmens und somit in dessen Prozesse, Systeme und Organisation umfasst.
Warum beschäftigen sich Unternehmen zunehmend mit Nachhaltigkeit?
Verschiedene Interessengruppen treiben und beeinflussen die Transformation in Bezug auf die Nachhaltigkeit weltweit operierender Unternehmen. Diese Dynamik wird in der jährlich durchgeführten Horváth CFO Study bestätigt, bei der Finanzvorstände und kaufmännische Geschäftsführer zu aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit befragt werden. Dieser Wandel wird allen voran durch veränderte Kundenbedürfnisse getrieben, wie von knapp 58 % der befragten CFOs bestätigt wurde. Zum einen fordern diese mehr Transparenz zu Produkten, Lieferketten und Unternehmensführung – auf der anderen Seite erwarten Kunden, dass sich Unternehmen auch tatsächlich transformieren. Sollte dies nicht der Fall sein, entscheiden sich Kunden vermehrt für Konkurrenzprodukte, die ihren Erwartungen an Nachhaltigkeit besser gerecht werden.
Ein weiterer bedeutender ESG-Treiber sind die Ansprüche aus der eigenen Organisation. Mitarbeitende legen zunehmend Wert auf soziale Aspekte bei der Wahl ihres Arbeitsgebers. Die Schlagworte Work-Life Balance, Diversität und Chancengleichheit sprechen hierbei für sich. 53 % der CFOs gaben in der Studie an, dass sie einen steigenden Druck von der bestehenden Belegschaft sowie von potenziellen Talenten, die rekrutiert werden könnten, verspüren.
Erst an dritter Stelle (mit einer Zustimmungsrate von 50 %) steht die Erfüllung regulatorischer Anforderungen als einer der Haupttreiber für die Nachhaltigkeitstransformation der befragten Unternehmen. Besonders zu erwähnen sind Regularien wie CSRD, SFDR, EU-Taxonomie, LkSG, EU CSDDD, ARUG II sowie IFRS S, die derzeit eine Vielzahl von Unternehmen in Bezug auf Prüfung und Umsetzung beschäftigen.
In Verbindung mit Finanzmarktregularien wie z. B. der SFDR steigt außerdem die Erwartungshaltung von Banken, Investoren und Anteilseignern gegenüber den Unternehmen. Diese fordern Transparenz bezüglich ESG-Performance und Governance-Mechanismen. Insbesondere Unternehmen in CO2-intensiven Industrien spüren zunehmenden Druck von Investoren, wissenschaftlich belastbare Dekarbonisierungsziele vorzulegen. Es ist zu erwarten, dass bei ausbleibenden Nachhaltigkeitsbemühungen in den kommenden Jahren die Kapitalkosten signifikant ansteigen oder im schlimmsten Fall die Möglichkeit einer Finanzierung vollständig ausbleiben könnte.
Zusammenfassend ist es für Unternehmen demnach von großem Vorteil, sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen und es ganzheitlich in ihre Organisation und ihre Governance-Mechanismen zu integrieren. Zum einen ermöglicht dies die Erschließung neuer Marktpotenziale, da Unternehmen Zugang zu Kunden und Märkten erhalten, die umwelt- und sozialverträgliche Produkte und Dienstleistungen bevorzugen. Des Weiteren können Unternehmen durch effizienten Ressourceneinsatz und die Reduzierung von Abfällen Kosteneinsparungen erzielen, was ihre Wettbewerbsfähigkeit steigert. Nachhaltiges Handeln führt oft zu einer gesteigerten sozialen Akzeptanz und Reputat...