Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, Einräumung eines Fischereirechts
Leitsatz (amtlich)
Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist so auszulegen, dass die Einräumung der Berechtigung zur Ausübung der Fischerei gegen Entgelt in Form eines für die Dauer von zehn Jahren geschlossenen Pachtvertrags durch den Eigentümer der Wasserfläche, für die diese Berechtigung eingeräumt wurde, und durch den Inhaber des Fischereirechts an einer im öffentlichen Gut befindlichen Wasserfläche weder eine Vermietung noch eine Verpachtung von Grundstücken darstellt, soweit mit der Einräumung dieser Berechtigung nicht das Recht verliehen wird, das betreffende Grundstück in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. b
Beteiligte
Verfahrensgang
UFS (Österreich) (Beschluss vom 24.10.2006; Abl.EU 2006, Nr. C 326/39) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 13 Teil B Buchst. b ‐ Befreiung ‐ Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ‐ Verpachtung eines Fischereirechts“
In der Rechtssache C-451/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Wien (Österreich), mit Entscheidung vom 24. Oktober 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 2006, in dem Verfahren
Gabriele Walderdorff
gegen
Finanzamt Waldviertel
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter U. Lõhmus (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 18. Juli 2007
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Walderdorff und dem Finanzamt Waldviertel (im Folgenden: Finanzamt) wegen der Erhebung von Mehrwertsteuer auf die Verpachtung eines Fischereirechts.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.
4
Art. 13 Teil B der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
…
b) die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme
1. der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken,
2. der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen,
3. der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen,
4. der Vermietung von Schließfächern.
Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen;
…“
Nationales Recht
5
Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl 663/1994, im Folgenden: UStG) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer in Österreich gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
6
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG sind umsatzsteuerbefreit:
„die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, und von staatlichen Hoheitsrechten, die sich auf die Nutzungen von Grund und Boden beziehen; die Überlassung der Nutzung an Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf Grund von Nutzungsverträgen ist als Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken anzusehen. Befreit ist auch der Eigenverbrauch. Nicht befreit sind:
‐ die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke, ausgenommen der Eigenverbrauch;
‐ die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorricht...