Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Vorsteuerüberschuss, Erstattung eines Vorsteuerguthabens, Verrechnung von Vorsteuerguthaben mit anderen Zahlungsverbindlichkeiten, Nationales Verfahrensrecht

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 179 Abs. 1, Art. 183 Abs. 1

 

Beteiligte

Philips Orăştie

Philips Orăştie SRL

Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili

 

Verfahrensgang

Curtea de Apel Alba Iulia (Rumänien) (Beschluss vom 22.09.2020; ABl. EU 2020, Nr. C 433/34)

 

Tenor

Art. 179 Abs. 1 und Art. 183 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sowie der Grundsatz der Äquivalenz sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für Rechtsbehelfe im Hinblick auf die Erstattung der Mehrwertsteuer, die auf einen Verstoß gegen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gestützt sind, ungünstigere Verfahrensmodalitäten vorsieht als für ähnliche Rechtsbehelfe hinsichtlich anderer Steuern und Abgaben als der Mehrwertsteuer, die auf einen Verstoß gegen das innerstaatliche Recht gestützt sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Alba Iulia (Berufungsgericht Alba Iulia, Rumänien) mit Entscheidung vom 22. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Oktober 2020, in dem Verfahren

Philips Orăştie SRL

gegen

Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer J. Passer in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter F. Biltgen (Berichterstatter) und N. Wahl,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Philips Orăştie SRL, vertreten durch M. Boian, D.-D. Dascălu und E. C. Antonescu, Avocaţi,
  • der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und L.-E. Baţagoi als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und J. Jokubauskaite als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 179 Abs. 1 und Art. 183 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie der Grundsätze der Äquivalenz, der Effektivität und der steuerlichen Neutralität.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Philips Orăştie SRL und der Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili (Generaldirektion für die Verwaltung von Großsteuerzahlern, Rumänien) über die Modalitäten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 179 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird.

Die Mitgliedstaaten können jedoch den Steuerpflichtigen, die nur die in Artikel 12 genannten gelegentlichen Umsätze bewirken, vorschreiben, dass sie das Recht auf Vorsteuerabzug erst zum Zeitpunkt der Lieferung ausüben.”

Rz. 4

Art. 183 dieser Richtlinie bestimmt:

„Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegen Einzelheiten erstatten.

Die Mitgliedstaaten können jedoch festlegen, dass geringfügige Überschüsse weder vorgetragen noch erstattet werden.”

Rz. 5

Art. 252 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Die Mehrwertsteuererklärung ist innerhalb eines von den einzelnen Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraums abzugeben. Dieser Zeitraum darf zwei Monate nach Ende jedes einzelnen Steuerzeitraums nicht überschreiten.

(2) Der Steuerzeitraum kann von den Mitgliedstaaten auf einen, zwei oder drei Monate festgelegt werden.

Die Mitgliedstaaten können jedoch andere Zeiträume festlegen, sofern diese ein Jahr nicht überschreiten.”

Rumänisches Recht

Rz. 6

Nach Art. 157 Abs. 2 Buchst. B¹ der Legea nr. 207/2015 privind Codul de procedură fiscală (Gesetz Nr. 207/2015 über die Steuerverfahrensordnung) vom 20. Juli 2015 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 547 vom 23. Juli 2015) (im Folgenden: Steuerverfahrensordnung) gelten „die in gemäß dem Gesetz angefochtenen Steuerverwaltungsakten festgesetzten Steuerverbindlichkeiten, für die nach den Art. 210 bis 211 oder nach Art. 235 eine Sicherheit bestellt ist,” nicht als ausstehende Steuerverbindlichkeiten.

Rz. 7

Art. 233 („Aussetzung der Zwangsvollstreckung”) der Steuerverfahrensordnung sieht u. a. vor:

„…

(2¹) In ...

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