Leitsatz
Der Bestand des Einlagekontos eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ist nach § 27 Abs. 7 i.V.m. § 27 Abs. 2 KStG weder an die Gewinnermittlungsart noch an das Überschreiten der jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG gebunden.
Normenkette
§ 27 Abs. 1, 2 und 7 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Gemeinde, die einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) "Trinkwasserversorgung" in Form eines Regiebetriebes ohne eigene Rechtspersönlichkeit betrieb. Der BgA ermittelte seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Bis einschließlich 2010 erzielte er jährlich weniger als 350.000 EUR Umsatz sowie weniger als 30.000 EUR Gewinn. In der Gewinnermittlung für das Streitjahr 2011 wies er einen Gewinn in Höhe von 35.416 EUR aus.
Mit bestandskräftigen Bescheiden zum 31.12.2002 und bis zum 31.12.2006 über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 KStG für 2003 stellte das Finanzamt das steuerliche Einlagekonto mit jeweils 0 EUR fest. Für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 wurden keine entsprechenden Feststellungsbescheide erlassen.
In der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2011 wies der BgA ein steuerliches Einlagekonto in Höhe von ... EUR aus. Mit Bescheid zum 31.12.2011 stellte das FA das steuerliche Einlagekonto mit einem Betrag in Höhe von ... EUR fest. Es ging bei der Berechnung von einer Bindungswirkung der zuvor erlassenen Feststellungsbescheide bis 2006 und damit einem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von 0 EUR zum 31.12.2006 aus, setzte die 2007 bis 2009 entstandenen Verluste an und brachte den Gewinn 2011 in Abzug.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin dagegen Klage, der das FG in vollem Umfang stattgab. Es ging davon aus, dass im Streitfall das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2011 unabhängig von den bestandskräftigen Feststellungsbescheiden bis zum 31.12.2006 zu ermitteln ist, weil für den Zeitraum 2007 bis 2010 keine Feststellungsbescheide mehr erlassen werden könnten (Sächsisches FG, Urteil vom 1.2.2017, 2 K 1059/16, Haufe-Index 10458544, EFG 2017, 689).
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des FA aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen statt und wies die Sache an das FG mit der Maßgabe zurück, das Klageverfahren auszusetzen, bis das FA Bescheide gemäß § 27 Abs. 2 KStG für den Zeitraum 2007 bis 2010 erlassen hat.
Hinweis
1. Mit dem Urteil hat der BFH entgegen der (wohl) von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung klargestellt, dass die Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos eines Betriebes gewerblicher Art (BgA) nicht davon abhängt, ob dieser die Umsatz- und Gewinngrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst b EStG überschritten hat.
2. Für das Verständnis der Entscheidung sind im Ausgangspunkt zwei gesetzliche Vorgaben zu beachten:
a) § 27 Abs. 7 KStG bestimmt, dass die Regelungen für das steuerliche Einlagekonto nicht allein – und unmittelbar – für Kapitalgesellschaften gelten, sondern sinngemäß für sämtliche Körperschaftsteuersubjekte und somit insbesondere auch für Gemeinden, die mit ihren BgA gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG subjektiv körperschaftsteuerpflichtig sind. Voraussetzung der sinngemäßen Anwendung des § 27 KStG ist indes, dass die Körperschaftsteuersubjekte Leistungen u.a. gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG gewähren können.
b) Der besagte § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG ordnet in seinem Buchstaben b die sachliche Steuerpflicht u.a. des Gewinns an, die BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit erzielen. Allerdings ist Voraussetzung dieser Steuerpflicht, dass der BgA entweder die Umsatzgrenze von 350.000 EUR oder die Gewinngrenze von 30.000 EUR überschreitet.
3. Im Streitfall war es nun so, dass für den "relativ kleinen" BgA letztmalig zum 31.12.2006 der Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 0 EUR festgestellt worden war. In den Folgejahren 2007 bis 2010 hatte der BgA die Umsatz- und Gewinngrenze nicht überschritten und es waren auch keine Feststellungsbescheide gemäß § 27 Abs. 2 KStG erlassen worden. Im Streitjahr 2011 überschritt der BgA dann aber knapp die Gewinngrenze des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG. Das FA nahm dies zum Anlass, den Bestand des Einlagekontos zum 31.12.2011 festzustellen, ohne indes Feststellungen für die Vorjahre (2007 bis 2010) getroffen zu haben. Es knüpfte an die letzte Feststellung zum 31.12.2006 an. Das FG hielt diese Anknüpfung zum einen für unzulässig. Zum anderen war es der Ansicht, dass für die Jahre 2007 bis 2010 auch keine (nachträglichen) Feststellungen mehr erfolgen dürften, weil der BgA in diesen Jahren die Umsatz- und Gewinngrenze nicht überschritten habe.
4. Der BFH hat zwischen den Positionen des FA und des FG gewissermaßen eine "salomonische" Lösung gefunden.
a) Er wies einerseits die Ansicht des FA zurück, dass für die Feststellung zum 31.12.2011 an den letzten Feststellungsbescheid per 31.12.2006 angeknüpft werden dürfe. Denn laut BFH bringt § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG unmissverstän...