Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenheimzulage für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen. Öffentlichkeit des finanzgerichtlichen Verfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf Eigenheimzulage für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen setzt materiellrechtlich voraus, dass Genossenschaftswohnungen vorhanden sind, bzw. erworben werden sollen und auch grundsätzlich von Genossenschaftsmitgliedern zu Wohnzwecken genutzt werden oder jedenfalls genutzt werden können; daran fehlt es, wenn der eingesammelte Kapitalstock nicht für wohnungswirtschaftliche Zwecke eingesetzt wird.
2. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheids über die Bewilligung von Eigenheimzulage nach § 173 Abs. 1 AO liegen nicht vor, wenn der Bescheid unter Berücksichtigung der üblichen Vorbereitungshandlungen der Wohnbaugenossenschaft in einer Anlaufphase von ca. 1 1/2 Jahren ebenso hätte erlassen werden müssen.
3. Hat die Wohnungsbaugenossenschaft drei Jahre nach ihrer Gründung nicht mit eigenen Investitionstätigkeiten zugunsten ihrer Genossen begonnen, ist der Bewilligungsbescheid nach § 11 Abs. 5 EigZulG aufzuheben.
4. Eine an jedermann gerichtete Kundmachung über Ort und Zeit einer Gerichtsverhandlung wird durch die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung nicht gefordert.
Normenkette
EigZulG §§ 17, 15 Abs. 1, § 11 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1; AO § 173 Abs. 1, § 155 Abs. 4; FGO § 52
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid vom 11. Oktober 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2005 wird bzgl. der Jahre 1998 bis 2000 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 5/8 und der Beklagte 3/8.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung der Eigenheimzulage für einen Geschäftsanteil an einer Wohnungsbaugenossenschaft.
Die X Wohnungsbaugenossenschaft eG – X – mit Sitz in A wurde mit notarieller Genossenschaftssatzung am… Januar 1998 errichtet. Gegenstand des Unternehmens ist laut Genossenschaftsregister des Amtsgerichts A die Errichtung und der Erwerb von Wohnungen für Mitglieder, die eine Förderung nach § 17 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) erhalten. Danach kann die Genossenschaft Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen bewirtschaften, durch Dritte (als Bauträger) errichten, erwerben, verkaufen, vermitteln und betreuen. Der Kläger ist seit dem 12. Februar 1998 mit Geschäftsanteilen von 10.000 DM in der Mitgliederliste der X verzeichnet (Bl. 9 der Eigenheimzulage-Akten). Die X wurde am 29. April 1999 in das Genossenschaftsregister des Amtsgerichts A eingetragen.
Der Antrag des Klägers auf Eigenheimzulage ab dem Jahr 1998 ging am 23. Juni 1999 beim Beklagten ein; die Einzahlung in Höhe von 10.000 DM war noch in 1998 vorgenommen worden.
Im Bescheid über Eigenheimzulage ab 1998 vom 17. August 1999 wurde Eigenheimzulage für 1998 sowie für die Folgejahre bis einschließlich 2005 in Höhe von jeweils 300 DM festgesetzt.
Am 24. September 2001 ging eine Kontrollmitteilung des Finanzamts B beim Beklagten ein. Die X habe bei ihrer Gründung 1998 noch keinen Wohnungsbestand gehabt, sondern erst im Laufe des Jahres 1998 ein Grundstück erworben. Die Genossenschaft habe seit 1999 keinerlei Aktivitäten betrieben und auch nicht unverzüglich mit einer Investitionstätigkeit begonnen. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 2001 die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 1998 nach § 11 Abs. 3 Satz 1 EigZulG auf.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2001, eingegangen beim Beklagten am 25. Oktober 2001, Einspruch ein. Nach § 17 EigZulG sei eine Inanspruchnahme der Eigenheimzulage bereits für die Anschaffung von Geschäftsanteilen möglich. Es komme lediglich darauf an, ob im Zeitpunkt des Erwerbs der Genossenschaftsanteile das Handeln der Genossenschaft auf die Herstellung oder Anschaffung von Wohnungen gerichtet sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sei unerheblich, was zukünftig geschehe. Die weiteren Anforderungen der Finanzverwaltung, insbesondere dass die Genossenschaft unverzüglich mit der Investitionstätigkeit begonnen habe, die Genossenschaft ihr Handeln auf die Herstellung und Anschaffung von Wohnungen ausrichte und die errichteten Wohnungen überwiegend an Genossenschaftsmitglieder überlassen würden, fänden in § 17 EigZulG keine Stütze.
Im Übrigen sei die Genossenschaft nach wie vor erstrebt, Wohnungen herzustellen und anzuschaffen. Lediglich durch das Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 22. Januar 1998 mit dem rechtswidrigen Hinweis, dass innerhalb des Förderungszeitraums eine Eigennutzung einer Genossenschaftswohnung Voraussetzung für die Gewährung der Eigenheimzulage sei...