Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 FGO
Leitsatz (redaktionell)
Die Aussetzung des Klageverfahrens durch das Finanzgericht ist auch dann zulässig und geboten, wenn ein verfassungsrechtliches Musterverfahren beim Bundesfinanzhof, aber (noch) nicht beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist
Normenkette
EStG § 2 Abs. 3; FGO § 74
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 die von den Klägern im Streitjahr erzielten Verluste aus Gewerbebetrieb entgegen § 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz –EStG- in der im Streitjahr geltenden Fassung in voller Höhe mit den übrigen positiven Einkünften der Kläger auszugleichen sind. Die Kläger berufen sich auf Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift.
Der Beklagte glich bei der Veranlagung 1999 die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung aus und verrechnete die danach verbleibenden positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 515 326 DM nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 EStG (a.F.) lediglich in Höhe von 364 921 DM mit dem ausgleichsfähigen Verlust aus Einkünften aus Gewerbebetrieb. Der Beklagte setzte dementsprechend bei einem zu versteuernden Einkommen von 137 023 DM die Einkommensteuer auf 34 872 DM fest.
Gegen diese Einkommensteuerfestsetzung haben sich die Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der vorliegenden Klage gewandt, über die der Senat noch nicht entschieden hat.
Die Vollziehung des angefochtenen Bescheides hat das Finanzgericht mit Beschluss vom 04.03.2002 zum Aktenzeichen x x xxxxxxx auf Antrag der Kläger gem. § 69 Abs. 3 FGO ausgesetzt, weil der beschließende xx Senat die Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 3 EStG bei der Anwendung auf den Streitfall für ernstlich zweifelhaft hielt (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2002, 597).
Die Beschwerde des Beklagten gegen diese Entscheidung hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom x. März 2003 (Aktenzeichen xx x xxxxx, BStBl xx xxxx, xxx) als unbegründet zurückgewiesen, indem er entschieden hat, dass an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 ernstliche Zweifel bestehen. Zumindest insoweit, als aufgrund des begrenzten Verlustausgleichs - hier zwischen negativen Einkünften aus Gewerbebetrieb und positiven Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - eine Einkommensteuer auch dann festzusetzen ist, wenn dem Steuerpflichtigen von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen nicht einmal das Existenzminimum verbleibt, sei die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift in Zweifel zu ziehen.
Beim Bundesfinanzhof ist derzeit zum Aktenzeichen xx x xxxxx ein weiteres Verfahren anhängig, in dem der Bundesfinanzhof darüber zu entscheiden hat, ob und ggf. inwieweit § 2 Abs. 3 EStG a.F. verfassungsgemäß ist. Es handelt sich um die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 11. Februar 2000 (x x xxxxxxx x).
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 hat das Gericht die Beteiligten gefragt, ob sie einem Ruhen des Verfahrens entsprechend § 74 FGO und den diesbezüglich anwendbaren zivilprozessrechtlichen Regelungen bis zur endgültigen Entscheidung über das beim BFH anhängige Verfahren zustimmen.
Mit Schriftsatz vom 3. November 2004 haben die Kläger ihre Zustimmung verweigert. Sie haben vorgetragen, laut telefonischer Auskunft der zuständigen Geschäftsstelle des XI. Senats des BFH sei das Verfahren xx x xxxxx bisher nicht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden. Sie sähen einen erheblichen Nachteil drohen, wenn das Finanzgericht Berlin in der Sache so lange nicht entscheidet, bis ein anderer Fall zu der fraglichen Vorschrift beim Bundesverfassungsgericht beurteilt worden ist. Den vorliegenden Streitfall nach einem abschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das zu einer anderen Sachverhaltsgestaltung ergangen ist, vor den Gerichten zu vertreten, sei ungleich schwieriger. Es erstaune die Kläger, dass das Gericht bei den selbst geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, die vollumfänglich durch den BFH bestätigt worden seien, keinen kurzfristigen Handlungsbedarf sehe.
Entscheidungsgründe
Der beschließende Senat setzt daraufhin das vorliegende Verfahren gem. § 74 FGO aus. Er geht davon aus, dass im vorliegenden Fall die Anwendung des § 74 FGO dem Grunde nach in Betracht kommt.
Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass das Verfahren bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 74 FGO kann es sich auch handeln, wenn eine einzelne Rechtsfrage zu entscheiden ist, von der das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechts oder dieser Pflicht abhängt. Das Recht bzw. die Pflicht kann das materielle oder das formelle Recht betreffen...