Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verpflichtung des Finanzamts aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO, Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von Kopien von Akten zur Verfügung zu stellen oder hilfsweise Einsicht in diese Akten zu gewähren
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten bzw. Gewährung von Akteneinsicht gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 40 Abs. 1 FGO kombiniert mit einer Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid statthaft.
2. Im Besteuerungsverfahren steht dem Steuerpflichtigen weder aus der DSGVO noch auf Basis einer anderen rechtlichen Grundlage ein Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von Doppeln ganzer Akten durch das Finanzamt oder auf Gewährung von Akteneinsicht zu.
3. Die in der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 12 EG RL 95/46 (Datenschutzrichtlinie), also einer unmittelbaren Vorgängerregelung zu Art. 15 DSGVO, entwickelten Rechtsgrundsätze können auch für Zwecke der Auslegung des Inhalts sowie Umfangs der Betroffenenrechte nach Art. 15 DSGVO herangezogen werden.
Normenkette
VO (EU) Nr. 679/2016 Art. 15 Abs. 3; EG RL 95/46 Art. 12; FGO § 40 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Verpflichtung des Beklagten (im Folgenden auch: Finanzamt), nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG –DSGVO– Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von Kopien von Akten zur Verfügung zu stellen oder hilfsweise Einsicht in diese Akten zu gewähren.
Mit undatiertem Schreiben, nach dem Klägervortrag vom 16.08.2019, beantragte der Kläger beim Beklagten unter anderem Akteneinsicht in alle Unterlagen in sämtlichen Abteilungen des Beklagten zur Person des Klägers und seines Unternehmens.
Der Beklagte lehnte die Akteneinsicht mit Schreiben vom 11.10.2019 unter Hinweis auf §§ 32e und 32a Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung –AO– und die vom Kläger in Aussicht gestellte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ab.
Mit Schreiben vom 13.11.2019 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht C. erhoben mit dem Begehren, ihm Akteneinsicht zu gewähren. Einen Einspruch gegen die Ablehnung der Akteneinsicht durch den Beklagten mit Schreiben vom 13.11.2019 legte der Kläger nicht ein. Einen vorgerichtlichen Antrag auf Zurverfügungstellung von Aktenkopien stellte der Kläger ebenfalls nicht.
Mit Beschluss vom 14.04.2020 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts C. die Klage an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg verwiesen.
Der Kläger trägt zur Begründung seines Klagebegehrens vor, gemäß Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 DSGVO bestünde ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht und auf Überlassung einer kostenlosen Aktenkopie im Besteuerungs- und Klageverfahren.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 11.10.2019 zu verpflichten,
1) |
dem Kläger vollumfängliche Akteneinsicht zu allen Unterlagen in sämtlichen Abteilungen des Beklagten, unter Einschluss sämtlicher Neben- und Beweismittelordner gemäß Art. 15 DSGVO durch Übersendung einer Kopie sämtlicher den Streitfall betreffender Akten zu gewähren; |
2) |
hilfsweise dem Kläger Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten bei Gericht zu gewähren. |
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 14.01.2021 ist die Entscheidung des Rechtsstreits dem Einzelrichter übertragen worden.
Dem Gericht haben neben den Streitakten des hiesigen Verfahrens ein Band Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts C. vorgelegen.
Entscheidungsgründe
I.
Der nach § 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO– zur Entscheidung berufene Einzelrichter entscheidet durch Gerichtsbescheid (§ 90a FGO), da aufgrund ausschließlich betroffener Rechtsfragen eine mündliche Verhandlung keine weitere Erhellung zu den maßgeblichen Gesichtspunkten verspricht.
II.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1.
Die Klage ist nur teilweise zulässig, soweit der Kläger im Hilfsantrag Akteneinsicht begehrt. Hinsichtlich des auf Erteilung von Aktenkopien gerichteten Hauptantrags ist die Klage bereits unzulässig.
a.
Der Finanzrechtsweg ist nach der aufdrängenden Sonderzuweisung gemäß § 32i Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO für Streitigkeiten über datenschutzrechtliche Fragen der Finanzbehörden gegeben. Dessen ungeachtet ist das Gericht an die Verweisung des Verwaltungsgerichts C. hinsichtlich der Frage des Rechtswegs gebunden (§ 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz –GVG–).
b.
Eine auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten bzw. Gewährung von Akteneinsicht gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage ...