Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Maßgeblichkeit der laufenden Unterhaltszahlungen für die Bestimmung des Kindergeldberechtigten nach § 64 Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen des § 64 Abs. 3 EStG ist auf die tatsächliche und laufende Geldleistung der Kindergeldberechtigten abzustellen, so dass ein Kindergeldberechtigter, der bei vollstationärer Unterbringung des Kindes in einer Jugendeinrichtung den Kostenbeitragsbescheid nach § 93 SGB VIII anficht und in der Annahme von Überzahlungen vorübergehend keinen laufenden Kostenbeitrag leistet, als keine Unterhaltsrente erbringend anzusehen ist.
2. Nachträglich erbrachte Zahlungen bleiben außer Ansatz; das gilt auch insofern der Kindergeldberechtigte im Ergebnis wirtschaftlich tatsächlich höher als der andere Kindergeldberechtigte belastet ist.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 3; SGB VIII § 93
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger ist Vater des am 23. April 1994 geborenen Sohnes B., der seit Mai 2008 in einer Jugendeinrichtung untergebracht ist. Die Beklagte gewährte zunächst der Mutter Kindergeld (seit 1998), welches (zumindest seit Juni 2008) an das Bezirksamt C. unter Berufung auf § 94 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – SGB – VIII abgezweigt war. Mit Bescheid vom 21. Juli 2011 hob die Beklagte gegenüber der Mutter das Kindergeld für die Zeit ab Juni 2008 mit der Begründung auf, da das Kind nicht im Haushalt der leiblichen Eltern lebe, komme es darauf an, wer den höheren Barunterhalt leiste. Eine Durchschrift des Bescheides mit der Aufforderung Kindergeld zurückzuerstatten, sandte die Beklagte zugleich an das Bezirksamt C.. Mit Schreiben vom 5. August 2011 teilte das Bezirksamt C. der Beklagten mit, der Vater (der Kläger) sei seit der Unterbringung des Kindes zur Zahlung eines Kostenbeitrages verpflichtet, leiste diesen aber seit August 2010 nicht mehr. Gegen die Heranziehung zum Kostenbeitrag sei eine Klage des Kindesvaters anhängig, der sogar geleistete Zahlungen seit 2008 zurückfordere. Das Bezirksamt C. beantragte zugleich, die Erstattung gemäß § 74 Abs. 2 Einkommensteuergesetz – EStG – und stellte weiterhin formularmäßig einen Antrag auf Abzweigung von Kindergeld vom Berechtigten (dem Kläger) seit Juni 2008.
Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Einspruch.
Mit Bescheid vom 5. September 2011 erhielt der Kläger auf seinen Kindergeldantrag aus dem Juni 2010, in dem er aufgeführt hatte, einen monatlichen Kostenbeitrag für B… in Höhe von 525,00 EUR zu zahlen, einen Bescheid über die Festsetzung und Zahlung von Kindergeld für B… für die Zeit ab Juni 2008. Daraufhin ergab sich für den Kläger eine Zahlung von Kindergeld in Höhe von 6.910,00 EUR. Ab Oktober 2011 erhielt der Kläger keine Zahlung von Kindergeld mehr.
Im Dezember 2011 zog die Beklagte den Kläger nach § 360 Abs. 3 Abgabenordnung – AO – zum Einspruchsverfahren des Bezirksamtes C. in Sachen D. – der Kindesmutter – hinzu. Die Beklagte erließ in diesem Verfahren einen neuen Bescheid. Dieser führte aus, es werde die Festsetzung des Kindergeldes für die Zeit von Juni 2008 bis Juli 2010 aufgehoben, da sie – die Kindesmutter – ab August 2010 den höheren Unterhalt zahle. Dieser Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Einspruchsverfahrens des Bezirksamtes C.. Der Kläger teilte der Beklagten mit, zwar zahle er seit August 2010 keinen Kostenbeitrag mehr, weil er der Auffassung sei, die von ihm seit Beginn der Maßnahme vom Bezirksamt C. geforderten Kostenbeiträge seien zu hoch. Damit bringe er aber nicht zum Ausdruck, dass er sich der Zahlung grundsätzlich verweigere. Ihm stehe das Kindergeld auch nach dem August 2010 zu. Die Beklagte wies den Einspruch im Februar 2012 zurück und gab die Entscheidung den Kindeseltern als zum Verfahren Hinzugezogene jeweils gesondert bekannt.
Der Kläger erhob dagegen Klage zum Aktenzeichen 8 K 8037/12. Dieses Verfahren ist zwischenzeitlich erledigt. In diesem Verfahren trug der Kläger unter anderem vor, er führe zwar ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin (AZ VG 18K 189/11), in dem er zu viel geleistete Zahlungen zurückverlange, nur deshalb leiste er seit August 2010 keine Kostenbeiträge mehr (um die Überzahlung zu kompensieren). Er verweigere aber nicht grundsätzlich die Zahlung eines Kostenbeitrages. Er sei zwar der Auffassung, dass der an ihn gerichtete Bescheid (vom 5. September 2011) weiterhin Gültigkeit beanspruche, er fühle sich aber durch die Bescheide an die Kindesmutter, die ihr ab August 2010 Kindergeld zusprächen, in seinen Rechten beeinträchtigt. Materiell-rechtlich führte er an, es bestehe kein Dissens darüber, dass es auf die höhere Unterhaltsrente ankomme. Jedoch könne es nicht auf die laufende Zahlung ankommen. Vielmehr müsse berücksichtigt werden, dass er aufgrund einer erhöhten Zahlung in den Vormonaten, im Ergebnis für...