rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für ein volljähriges behindertes und teilstationär untergebrachtes Kind. Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs. Familienleistungsausgleich (Kindergeld)
Leitsatz (amtlich)
Ein volljähriges behindertes Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es mit seinen eigenen Mitteln nicht den gesamten Lebensbedarf decken kann. Der Lebensbedarf eines teilstationär untergebrachten Kindes bemisst sich im Jahre 1999 nach einem Grundbedarf i.H.v. 13.020 DM und einem zusätzlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf gehört neben den Kosten der teilstationären Unterbringung (ggf. abzgl. eines Sachbezugswerts für eine Verpflegung) ein pauschaler behinderungsbedingter Mehrbedarf in Höhe des jeweiligen Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 3 EStG, wenn kein Einzelnachweis erfolgt und die Eltern zusätzliche Betreuungsleistungen erbringen müssen, die mit der nach Sozialhilferecht gewährten Eingliederungshilfe nicht abgedeckt sind.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, § 33b Abs. 3, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1
Tenor
Der Bescheid vom 29. April 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2000 wird aufgehoben und Kindergeld für die Tochter A… für das Jahr 1999 gewährt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger ist Vater seiner im April 1961 geborenen Tochter A…, die zu 100 % schwerbehindert ist. Der Behindertenausweis weist die Merkzeichen G. und H. auf.
Die Tochter A… des Klägers lebt in seinem Haushalt. Sie besucht täglich für einige Stunden eine Werkstatt für Behinderte, dort nimmt sie am Mittagessen teil.
Die Tochter des Klägers erhielt im Streitjahr 1999 Rentenbezüge in Höhe von insgesamt 15.198,12 DM. Darüber hinaus erhielt sie Einnahmen aus der Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte in Höhe von DM 1.287 sowie Eingliederungshilfe nach Sozialhilferecht.
Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für seine Tochter A… für das Jahr 1999 mit Bescheid vom 26. April 1999 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass der Beklagte die Einkünfte seiner Tochter falsch berechnet habe. Bei den Einkünften seiner Tochter sei der Behindertenpauschbetrag in Höhe von DM 7.200 zu berücksichtigen. Nicht anzusetzen sei hingegen die Eingliederungshilfe, diese habe weder seine Tochter noch er selbst erhalten. Im übrigen müsse seine Tochter, soweit sie sich nicht in der Werkstatt aufhalte, ständig von ihm und seiner Frau umsorgt werden. Ohne die elterliche Sorge müsste seine Tochter vollstationär untergebracht werden, sie sei nicht in der Lage, ein eigenständiges Leben zu führen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 26. April 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2000 aufzuheben und Kindergeld für das Kind A… für das Jahr 1999 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Beklagte hat die Gewährung von Kindergeld für die Tochter A… des Klägers zu Unrecht aufgehoben. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter A… von Januar bis Dezember 1999 gem. §§ 62 Abs. 1; 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – zu.
Danach ist ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat – wie die Tochter A… des Klägers – für das Kindergeld zu berücksichtigen, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Ein volljähriges behindertes Kind ist dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es mit seinen eigenen Mitteln nicht den gesamten Lebensbedarf decken kann. Dieser Lebensbedarf bemisst sich im Jahr 1999 nach einem Grundbedarf in Höhe von DM 13.020 und einem zusätzlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf gehört neben den Kosten der teilstationären Unterbringung ein pauschaler behinderungsbedingter Mehrbedarf in Höhe der Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG dann, wenn kein Einzelnachweis erfolgt. Etwas anderes gilt nur bei vollstationärer Unterbringung (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98 und VI R 182/98, BStBl. II 2000, 75; 79).
Im vorliegenden Fall ist die Tochter A… des Klägers außerstande sich selbst zu unterhalten. Die von ihr erzielten Einkünfte und Bezüge liegen unterhalb ihres Lebensbedarfes. Dieser setzt sich zusammen aus dem Grundbedarf in Höhe von DM 13.020, den Kosten der teilstationären Unterbringung, die sich nach der Angabe des Beklagten auf 12.736,45 DM belaufen (14.428,45 DM abzüglich Sachbezugswert für die Verpflegung in Höhe von 1.692,– DM; s. Akte des Arbeitsamts Bl. 91) sowie den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG in Höhe von DM 7.200. Der Behinderten-Pauschbetrag ist zu gewähren, da nach Überzeugung des Senats feststeht, dass der Kläger und seine Ehefrau zusätzliche Betreuungsleistung...