rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung der Trinkgelder von Kellnern nach dem Umsatz des Kellners. Einkommensteuer 1996–1999
Leitsatz (amtlich)
1. Bucht ein Kellner zum wesentlichen Teil nicht selbst kassierte Umsätze unter seinem Namen in die Kasse ein, wofür er folglich auch in der Regel keine Trinkgelder erhalten haben kann, ist eine pauschale Schätzung der Trinkgelder in Höhe von 1,5 v.H. des gesamten Kellnerumsatzes nicht vertretbar.
2. Die Schätzung der Trinkgelder eines Kellners ist bereits dem Grunde nach unzulässig, wenn dieser gegenüber seinem Arbeitgeber Trinkgelder in zumindest nachvollziehbarer Höhe erklärt.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO 1977 § 162 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1; EStG § 8 Abs. 1
Tenor
Die Einkommensteuerbescheide vom 12.10.2000 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19.07.2001 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar, soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist als Kellner in dem zwischen L… und M…. gelegenen Waldgasthaus im Wirtshaus „X….” nichtselbständig tätig. Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung beim Arbeitgeber wurden Trinkgelderklärungen des Klägers für die Jahre 1996 bis 1999 vorgefunden. Die erklärten Trinkgelder lagen zwischen 45,– und 188,– DM monatlich. Die Lohnsteueraußenprüfung schätzte die Trinkgelder aufgrund der ermittelten Kellnerumsätze mit 1,5 % auf mehr als 4.000,– DM pro Jahr. Der Beklagte änderte daraufhin die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 1996 bis 1999 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung – AO – unter Berücksichtigung der Steuerfreiheit von Trinkgeldern (§ 3 Nr. 51 EStG). Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren blieb erfolglos.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die vorgenommene Schätzung der Trinkgelder aus dem Kellnerumsatz berücksichtige nicht die Besonderheiten seiner Arbeitsstätte. Er werde umsatzabhängig und nicht stundenweise entlohnt. Er arbeite daher zum Teil nur an Wochenenden bzw. wenn Veranstaltungen wären. In seinem Kellnerumsatz seien Umsätze für Busreisen, Lesungen und Großveranstaltungen in erheblichem Umfang enthalten. Hierfür werde ein Pauschalpreis inklusive eines oder zweier Getränke mit dem Inhaber vereinbart. Die Abrechnung erfolge nicht mit dem Kellner, so dass für diese Umsätze im wesentlichen kein Trinkgeld anfalle. Für die Bedienung der Laufkundschaft würden im weitgehend Saisonkräfte eingesetzt, während er und die anderen fest angestellten Kollegen die Bedienung bei den o.g. Veranstaltungen übernähmen. Im übrigen handele es sich bei dem Wirtshaus um ein im Wald gelegenes Ausflugslokal. Die Gästezahlen seien daher sehr wetterabhängig. In den Wintermonaten sei das Lokal oft nur aufgrund der genannten Pauschalbuchungen geöffnet. Wegen der Pauschalbuchungen würden über das Menü hinaus kaum Bestellungen aufgegeben. Bei den Lesungen seien die Teilnehmer in der Regel mit dem Fahrzeug da und der Preis ohnehin recht hoch. In den Sommermonaten fänden weiter eine Reihe von Großveranstaltungen politischer Parteien, Hochzeiten oder anderer Familienfeiern statt. Auch dann entfalle auf den einzelnen Kellner nur ein geringes Trinkgeld. Darüber hinaus würde etwa 20 % der Trinkgelder an das Personal am Büffet und in der Küche abgegeben.
Der Kläger beantragt,
die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 12.10.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 19.07.2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Schätzung der Trinkgelder nach dem Kellnerumsatz sei nach der Rechtsprechung zulässig und nur durch detaillierte Aufzeichnungen zu entkräften.
Wegen des Inhalts der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die geänderten Einkommensteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO–). Die pauschale Schätzung von Trinkgeldern in Höhe von 1,5 % des Kellnerumsatzes ist vorliegend angesichts der Besonderheiten des Zusammensetzung dieses Umsatzes nicht zulässig. Das Gericht geht im Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Befragung des Zeugen davon aus, dass die Trinkgelder, die der Kläger in den Streitjahren erhalten und behalten hat, jedenfalls nicht den Betrag von 2.400,– DM überstiegen.
Trinkgelder sind, soweit sie den gesetzlichen Freibetrag übersteigen, grundsätzlich einkommensteuerpflichtig. Sie sind als zusätzliches Entgelt für die erbrachte Dienstleistung anzusehen und unterliegen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung (BFH, Urteil vom 24.10.1997 VI R 23/94, BStB. II 1999, 323). Sie sind zu schätzen, falls die Angaben des Steuerpflichtigen zur Höhe der erhaltenen Trinkgelder nach der Lebenserfahrung unglaubhaft sind (BFH, Urteil vom 23. Oktober 1992 VI R 62/88, BStBl. II 1993, 117).
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