rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1993
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Beschluß:
Der Streitwert wird auf 553,– DM festgesetzt.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe
Der Kläger erzielte als Bäcker im Jahre 1993 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 13.745,– DM. Darüber hinaus erhielt er 8.561,– DM Krankengeld. Seine Ehefrau bezog im Streitjahr Arbeitslosengeld und Krankengeld in Höhe von 10.279,– DM.
Der Kläger wurde mit seiner Ehefrau im Jahre 1993 zusammenveranlagt. Ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 5.809,– DM setzte der Beklagte mit Bescheid vom 02.06.1994 unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts auf Lohnersatzleistungen in Höhe von 16.840,– DM die Einkommensteuer für 1993 auf 553,– DM fest. Der Bescheid war unter anderem wegen der gegen den Progressionsvorbehalt auf Lohnersatzleistungen gerichteten Verfassungsbeschwerde gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig.
Gegen den Einkommensteuerbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 10.06.1994 Einspruch ein und machte geltend, die Hinzurechnung der Erwerbsbezüge verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, da der Katalog der Erwerbsbezüge unvollständig sei, insbesondere seien Sozialhilfeleistungen nicht erwähnt.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 01.12.1994 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, der Einkommensteuerbescheid sei auf der Grundlage der anzuwendenden Rechtsvorschriften richtig erstellt worden. Dem Interesse des Klägers, durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Herabsetzung der Einkommensteuer zu erreichen, sei mit dem Vorläufigkeitsvermerk hinreichend Rechnung getragen worden.
Die mit Schriftsatz vom 29.12.1994 erhobene Klage begründet der Kläger wie folgt:
Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 32 d Einkommensteuergesetz (EStG) den im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25.09.1992 – 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BStBl. II 1993, 413, formulierten Auftrag, das Existenzminimum eines jeden Steuerpflichtigen steuerfrei zu stellen, nicht zutreffend umgesetzt. Das BVerfG habe zu verstehen gegeben, daß das Existenzminimum einer berufstätigen Person im Jahre 1992 12.407,– DM betragen habe. Unter Berücksichtigung der Inflationsrate hätte daher das Existenzminimum für das Jahr 1993 auf ca. 13.500,– DM festgelegt werden müssen. Da das Existenzminimum für Ehepaare zu verdoppeln sei, betrage das steuerliche Existenzminimum für ihn, den Kläger, und seine Ehefrau 27.000,– DM. Er, der Kläger, und seine Ehefrau hätten jedoch lediglich Erwerbseinkünfte in Höhe von 22.649,– DM im Jahr 1993 bezogen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides für 1993 vom 02.06.1994 und der Einspruchsentscheidung vom 01.12.1994 die Einkommensteuer 1993 auf 0,– DM festzusetzen,
- die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,
- die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, der Einkommensteuerbescheid sei rechtmäßig. Das BVerfG habe dem Gesetzgeber aufgegeben, die Regelung des § 32 a EStG bis zum Veranlagungszeitraum 1996 durch eine verfassungskonforme Regelung zu ersetzen.
Bis dahin seien die bisherigen Vorschriften weiter anwendbar. Die Regelung des § 32 d EStG solle bei Niedrigverdienern sicherstellen, daß das Existenzminimum von der Besteuerung ausgenommen werde.
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Der Beklagte hat zu Recht die Einkommensteuer für 1993 unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts hinsichtlich der Lohnersatzleistungen auf 553,– DM festgesetzt. Das zu versteuernde Einkommen beträgt nach der zutreffenden Berechnung des Beklagten 5.809,– DM. Nach § 32 a Abs. 1, Abs. 5 EStG wäre daher eine Steuer von O,– DM festzusetzen. Da jedoch der Kläger und seine Ehefrau Lohnersatzleistungen in Höhe von 18.840,– DM bezogen haben, war die tarifliche Einkommensteuer gemäß § 32 b Abs. 2 Nr. 1 EStG nach einem besonderen Steuersatz (Progressionsvorbehalt) zu ermitteln. Der Progressionsvorbehalt des § 32 b EStG geht § 32 a EStG im Range vor,und zwar selbst dann, wenn das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag nicht übersteigt (vgl. 32 a Abs.1 Satz 2 EStG „vorbehaltlich”; ebenso: BFH, Urteil vom 01.08.1986 – VI R 181/83, BStBl. II 1986, 902; Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.06.1989 – VI 7815/88 E, EFG 1990, 110). Bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes war die Summe der Lohnersatzleistungen nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrages für die Ehefrau des Klägers, insgesamt also 16.640.- DM (18.840,– DM ./. 2000,– DM), zu berücksichtigen. Die Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insowei...