Entscheidungsstichwort (Thema)
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich keine Klagebefugnis des Gemeinschuldners hinsichtlich eines Einkommensteuerbescheids. Auslegung von Mitteilungen des Insolvenzverwalters als mögliche Freigabeerklärung. Keine notwendige Beiladung des Insolvenzverwalters zu unzulässiger Klage des Gemeinschuldners
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers ein Einkommensteuerbescheid ergangen, so ist grundsätzlich nur der Insolvenzverwalter klagebefugt; der Kläger als Gemeinschuldner könnte nur dann selbst klage- sowie prozessführungsbefugt sein, wenn der Insolvenzverwalter das insolvenzverstrickte Vermögen freigegeben hat, soweit es die streitige Einkommensteuer betrifft. Soweit der Insolvenzverwalter auf eine Anfrage hin mitgeteilt hat, er selbst könne mangels Vorliegen der Steuerunterlagen den streitigen Einkommensteuerbescheid weder prüfen noch den Einspruch begründen und der Kläger müsse seinen Einspruch selbst weiter verfolgen bzw. begründen sowie hinsichtlich der Klage für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist sorgen, so liegt hierin keine konkludente Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters.
2. Der Insolvenzverwalter ist zu einem vom Gemeinschuldner unbefugt eingeleiteten Klageverfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid auch dann nicht notwendig beizuladen, wenn der Gemeinschuldner im Falle einer Abweisung der Klage als unzulässig einen Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter geltend machen will.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 40 Abs. 2; InsO § 80 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger (aus dem insolvenzfreien Vermögen) zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der Klage.
Das Amtsgericht P. – Insolvenzgericht – fasste am (…) den Beschluss, ein schriftliches Gutachten darüber einzuholen, ob der Kläger zahlungsunfähig ist oder eine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht. Mit Beschluss des Amtsgerichts P. – Insolvenzgericht – vom (…) Mai 2002 wurde (…) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet.
Am 30. Juni 2004 reichte der Kläger bei dem Beklagten eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein. Mit Bescheid vom 04. Oktober 2004 setzte der Beklagte die Einkommensteuer fest und wich dabei insbesondere von den Angaben des Klägers zu angefallenen Werbungskosten ab. Der Einkommensteuerbescheid ist adressiert an „RA Mz. – Insolvenzverwalter i.S. X.”. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30. Oktober 2004 Einspruch gegen die Festsetzung der Einkommensteuer und führte hierzu an, es könne nicht sein, dass sich eine Steuernachzahlung ergebe. Der hierzu von dem Beklagten angehörte Insolvenzverwalter teilte dem Beklagten mit Schriftsatz vom 19. November 2004 mit, ihm liege allein der Einkommensteuerbescheid vom 04. Oktober 2004 vor, so dass er eine Prüfung des Bescheides nicht vornehmen könne. Auffällig sei aber, dass – nach seiner Kenntnis – im Jahre 2002 umfangreiche Werbungskosten geltend gemacht worden seien, während der Steuerbescheid vom 04. Oktober 2004 keine entsprechenden Beträge enthalte. Zudem habe ihm der Kläger erklärt, dass er „durch Nichtzahlung von Arbeitslohn ab Oktober 2003 arbeitslos” geworden sei. Ihm sei nicht bekannt, ob später eine Lohn-Nachzahlung erfolgt sei. Im Ergebnis sei daher aus seiner Sicht festzustellen, dass allein der Kläger selbst in der Lage sei, den Einspruch sachgerecht zu begründen. Der Beklagte verwarf den Einspruch hierauf mit an „RA Mz. – Insolvenzverwalter i.S. X.” adressiertem Einspruchsbescheid vom 05. Januar 2005 als unzulässig. Zur Begründung führte er aus, dass infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers allein der Insolvenzverwalter befähigt sei, Einspruch wirksam einzulegen.
Der Kläger hat am 08. Februar 2005 Klage erhoben.
Hierzu führt er an, der Beklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits die Einkommensteuererklärung des Klägers – im Wesentlichen – als Grundlage der Steuerfestsetzung heranziehe, ihm – dem Kläger – aber andererseits die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsbehelfes abspreche. Im Übrigen sei nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Kläger selbst Adressat des Steuerbescheides vom 04. Oktober 2004. Richtiger Weise sei deshalb auch allein der Kläger Adressat der Einspruchsentscheidung. Dementsprechend habe ihn der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 25. November 2004 und vom 25. Januar 2005 aufgefordert, das Einspruchsverfahren in eigener Verantwortung zu betreiben. Zudem sei dem an den Beklagten gerichteten Schreiben des Insolvenzverwalters vom 19. November 2004 zwar nicht ausdrücklich, aber doch zumindest sinngemäß das Einverständnis zu entnehmen, dass er – der Kläger – den Einspruch einlegt und begründet. Materiell sei die Steuerfestsetzung des Beklagten unrichtig, denn er – der Kläger – habe im Streitjahr lediglich Einkünfte in Höhe von 14.764,51 Euro erzielt, so dass sich unter Berücksichtigung der zutref...