Entscheidungsstichwort (Thema)
Unechte doppelte Haushaltsführung bei Arbeitnehmern in einem Ausbildungsdienstverhältnis. Anwendung von R 43 Abs. 5 LStR 2004 im Veranlagungszeitraum 2003. bereinigter Jahresgrenzbetrag
Leitsatz (redaktionell)
1. R 43 Abs. 5 LStR 2004, wonach bei einem Arbeitnehmer ohne eigenen Hausstand ein Wohnungswechsel an den Beschäftigungsort oder in dessen Nähe für die gesamte Dauer der Ausbildung als doppelte Haushaltsführung gilt, wenn er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in seiner Wohnung am bisherigen Wohnort beibehält und sich in einem Ausbildungsdienstverhältnis befindet, ist trotz der Änderung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG durch das StÄndG 2003 für Veranlagungszeiträume bis 2003 weiterhin anzuwenden.
2. Aufwendungen, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können, sind zugleich bei der Ermittlung der Einkünfte eines in Berufsausbildung befindlichen, volljährigen Kindes i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG uneingeschränkt zum Abzug zuzulassen.
Normenkette
EStG 2002 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, § 32 Abs. 4 Sätze 2, 1 Nr. 2 Buchst. a; LStR 2004 R 43 Abs. 5
Tenor
Der Bescheid vom 30. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07. Februar 2008 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für seine Tochter … im Kalenderjahr 2003 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt für seine am 11. Juni 1982 geborene Tochter … für das Streitjahr 2003 Kindergeld.
Er bezog zunächst Kindergeld für seine sich in Ausbildung zum gehobenen Polizeivollzugsdienst befindliche Tochter. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 hob die Beklagte die Festsetzung wegen Überschreitung des Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr 2003 gültigen Fassung (EStG) auf und forderte den gezahlten Betrag in Höhe von 1.848 EUR zurück.
Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 09. Februar 2007. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass die Einkünfte den Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen würden, und legte eine Liste mit Werbungskosten vor. Weiter machte er den Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen geltend.
Die Beklagte erkannte die geltend gemachten Aufwendungen nur teilweise an und kam demgemäß zu einer Überschreitung des Grenzbetrages. Streitig blieb insbesondere der Ansatz von Aufwendungen für eine angemietete Wohnung in O. zum Besuch der dort stattfindenden Lehrgänge an der … Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Fachbereich Polizei, und damit im Zusammenhang stehende weitere Aufwendungen (Umzugskosten, Strom, Heimfahrten). Mit Einspruchsentscheidung vom 07. Februar 2008 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 05. März 2008 Klage erhoben und unter dem Aktenzeichen 4 V 355/08 die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beantragt. Er begehrt weiterhin den erhöhten Ansatz von Aufwendungen und ist der Ansicht, dass mit diesen Aufwendungen der Jahresgrenzbetrag unterschritten werde. Insbesondere seien die Mietaufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 30. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für … im Kalenderjahr 2003 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und
für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass bestimmte Aufwendungen nicht und andere nur teilweise – wie in der Einspruchsentscheidung geschehen – in Ansatz gebracht werden könnten, so dass insgesamt der Jahresgrenzbetrag überschritten werde.
Dem gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab das Gericht mit Beschluss vom 29. Oktober 2008 (EFG 2009, 338) statt und führte aus, dass die geltend gemachten Werbungskosten insbesondere hinsichtlich der angemieteten Wohnung in Ansatz gebracht werden könnten. Das Gericht ließ gegen den Beschluss die Beschwerde zu, die jedoch von der Beklagten nicht eingelegt wurde.
Nachfolgend hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass die Unterkunftskosten nicht abzugsfähig seien. Mehrkosten einer auswärtigen Unterbringung seien nicht zu berücksichtigen, da diese bereits im Grenzbetrag im Rahmen des Familienleistungsausgleichs enthalten seien. Eine zusätzliche Berücksichtigung der Miet- und Verpflegungsaufwendungen im Rahmen des Werbungskostenabzuges würde im Kindergeldrecht zu einer unzulässigen doppelten Berücksichtigung führen. Zudem handele es sich nach Auffassung der Beklagten nicht um Reisekosten, da Mietaufwendungen nicht dasselbe wie Reisekosten seien.
Dem Senat hat ein Band Kindergeldakte der Beklagten vorgelegen.
Entscheidungsgrü...